Porsche 918 Spyder im Fahrbericht
Mit 770 PS in die Sportwagen-Zukunft

So schnell und so sparsam wie der 918 Spyder feuerte noch kein Sportwagen aus Zuffenhausen über die Bahn – behaupten zumindest seine Macher. Eine erste Begegnung.

Porsche 918 Spyder, Seitenansicht, Hatz, Walliser
Foto: Hersteller

Exakt 600 Sekunden Zukunft erfahren – ein schöner Arbeitsauftrag. Zumal sich die Zukunft in Gestalt eines mit Fischer-Technik-ähnlichen Alu-Profilen und viel Klebeband aus den Überresten eines Porsche 991-Prototyps zusammengezimmerten Supersportwagens materialisiert. Ein so genanntes Rolling Chassis des Porsche 918 Spyder soll einen ersten Eindruck vermitteln, wie sich der Scheich, Oligarch oder sonstwie vermögende Zeitgenosse übermorgen fortbewegt. Während der wegen des zahlreich vorhandenen, empfindlichen und vor allem teuren Mess-Equipments langwierigen Einstiegsprozedur schweifen die Gedanken ab.

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Porsche 918 Spyder leistet insgesamt 770 PS

Irgendwo in einer (noch) ruhigen Ecke des Entwicklungszentrums Weissach fanden sich acht Ingenieure samt ihren Laptops ein. Doch statt eine WLAN-Party zu feiern, klinkten sich ihre Rechner in ein paar der insgesamt 55 Steuergeräte eines Versuchsträgers ein, um dessen komplexen Antriebsstrang zu starten. Nur ein Triebwerk? Pah! Dort, wo bei einem Sportwagen der Motor hingehört, wohnt im Porsche 918 Spyder ein hochdrehender V8-Benziner – in der Mitte. Daran angeflanscht: das Hybridmodul, bestehend aus 90 kW starkem Elektro-Aggregat und Trennkupplung. Und zwischen den Vorderrädern des 4,64 Meter langen Zweisitzers steckt eine weitere E-Maschine mit 80 kW.

Macht zusammen rund 770 PS Systemleistung, die – von Elektronik und Doppelkupplungsgetriebe verwaltet -, gesamt oder nur teilweise in einem von fünf Modi über alle vier Räder des Porsche 918 Spyder herfällt. Die von Bosch zugelieferten Elektromotoren beziehen ihre Energie aus einem Lithium-Ionen-Akku von SB-Limotive, einem Joint-Venture von Bosch und Sanyo. Die Batterie setzt sich aus 312 Zellen zusammen, von denen eine einzelne 5,9 Amperestunden bei 3,4 Volt Spannung leistet – und die bestenfalls innerhalb von zwei Stunden aufgeladen werden, was das strenge Zeitlimit für die erste Mitfahrt erklärt.

Elektro-Komponenten wiegen zusammen 315 Kilogramm

Zusätzlich zum Laden per Kabel rekuperiert der Porsche 918 Spyder mehr als die dreifache Energiemenge eines aktuellen Porsche-Hybrid-Modells, verzögert dabei allein über die E-Motoren mit bis zu fünf m/s². Typisch Elektro: Kaum signalisiert der Antrieb Startbereitschaft, steht ein Drehmoment von 600 Nm zur Verfügung. Das Maximum des Antriebsstrangs liegt bei rund 750 Nm.

Aber wozu der ganze Aufwand? Natürlich funktioniert der trickreich auf drei L/100 km heruntergedrückte NEFZ-Verbrauch des Porsche 918 Spyder prima als Knebel für all jene, die im Auto einen Treibsatz zur Beschleunigung des Weltuntergangs sehen. Andererseits schüttelt sich die Leichtbau-Fraktion unter den Entwicklern in Anbetracht der insgesamt 315 Kilogramm wiegenden E-Komponenten in Weinkrämpfen. Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz beschwichtigt: „Ich habe auch keine Lust, in jeden Sportwagen zunächst 300 Kilogramm Elektrotechnik einzupflanzen. Doch die Gewichtsspirale kehrt sich allmählich um.“ Weniger als 1,7 Tonnen lautet das Ziel, immerhin rund 200 Kilogramm mehr als der letzte Supersportler von Porsche, der Carrera GT.

Porsche 918 Spyder kommt elektrisch bis zu 25 Kilometer weit

Eng damit verwandt: die Fahrzeug-Struktur aus Kohlefaser-Verbundwerkstoff. Am Monocoque des Porsche 918 Spyder halten sechs Schrauben den Aggregateträger, der Beifahrersitz rückt gegenüber dem Fahrersitz um drei Zentimeter nach vorne – um Platz für einen größeren Tank zu schaffen. Doch vorerst bleibt die Benzinpumpe arbeitslos, obwohl der Porsche 918 Spyder gerade spektakulär beschleunigt – im nahezu lautlosen E-Power-Modus. Dabei simuliert das Gas- oder Fahr- oder Wieauchimmer-Pedal einen Kickdown. Wer sich zurückhält, kommt elektrisch bis zu 25 Kilometer weit. Wer nicht und das Pedal durchdrückt, will vermutlich nie wieder elektrisch fahren.

Laut und ungefiltert bellt der trockensumpfgeschmierte, vom Triebwerk des RS Spyder aus der American Le Mans Series abgeleitete 4,6-Liter-V8 auf, schreit markerschütternd durch die beiden Endrohre des Porsche 918 Spyder in den Himmel. Und das, obwohl er noch geschont wird und weit vom Drehzahllimit entfernt bleibt, das bei 9.000/min liegt. Seine Leistung: 570 PS. Seine Besonderheiten: Titanpleuel, Dünnwand-Niederdruckguss am Kurbelgehäuse und Zylinderkopf, zentrale Einspritzdüsen, außenliegende Ansauganlage und innenliegende Abgasführung für eine bessere Thermodynamik. Das Ergebnis: ein überschaubare 160 Kilogramm schweres Hochleistungstriebwerk, das allein mit rund 10 Liter/100 km auskommen würde und das mit jedem Verbrennungstakt die unerreichte Faszination eines Sportmotors auspufft.

7.22 Minuten auf der Nordschleife sollten möglich sein

Gemeinsam in Aktion, trauen seine Väter dem Antriebs-Trio eine Rundenzeit von unter 7.22 Minuten auf der Nordschleife zu. Schließlich ordneten sie alle Aggregate möglichst schwerpunktoptimal an (57 Prozent des Gewichts lasten auf der Hinterachse), programmierten einen Hot-Lap-Modus, der die Entladungsgrenze der Batterie herabsetzt, und ersannen eine aktive Hinterachslenkung für die ultimative Fahrdynamik.

Während 600 Sekunden lässt sich davon natürlich nur wenig erahnen. Eine Idee davon, wie elektrische Energie selbst Supersportwagen nochmals dynamisiert, vermittelt die Probefahrt im Porsche 918 Spyder dann allerdings doch. Ebenso wie die Gewissheit, dass Emotionen nach wie vor nicht ohne Verbrennungsmotor auskommen.

Technische Daten
Porsche 918 Spyder
Grundpreis768.026 €
Außenmaße4645 x 1940 x 1167 mm
Kofferraumvolumen110 l
Hubraum / Motor4593 cm³ / 8-Zylinder
Leistung447 kW / 608 PS bei 8700 U/min
Höchstgeschwindigkeit345 km/h
Verbrauch3,1 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
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Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten