Porsche Carrera GTS und Cayman GTS im Fahrbericht
Zwei GTS mit 50 Jahren Abstand

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Rund 50 Jahre Sportwagenentwicklung liegen zwischen den beiden, dennoch sind sie sich sehr ähnlich: Der Porsche Cayman GTS ist ein würdiger Nachfolger des Carrera GTS von 1964. Beide treffen sich zur großen Ausfahrt.

Porsche Carrera GTS 904/6 Cayman GTS, Impression, Ausfahrt
Foto: Hans-Dieter Seufert

Man kann sich trefflich streiten, ob ein Dickschiff wie der Porsche Cayenne den Titel GTS verdient. Auch, ob ihn der heckmotorige 911 zu Recht trägt. Aber einem kann man die Verwandtschaft zum namensgebenden Porsche Carrera GTS sicherlich nicht abstreiten: dem Cayman GTS – zumindest, wenn er als Handschalter und mit Sportfahrwerk antritt. Wie nahe sie einander sind, wollen wir rund 50 Jahre nach Erscheinen der Legende bei einem Zusammentreffen herausfinden. 1964 brachte Porsche erstmals ein Mittelmotorcoupé auf den Markt. Einen Rennwagen für Privatfahrer, zunächst nur als Vierzylinder, von dem es auch leicht gezähmte Straßenversionen gab. Und nur vier von ihnen erhielten den Sechs zylinder- Boxer aus dem 911. So wie dieses Exemplar, das uns Porsche an einem kühlen Morgen anvertraut.

Wie er so am Straßenrand im Kernschatten des Cayman GTS fast verschwindet, sieht er aus wie die Rennversion eines Bobbycars: klein, knuffig und unschuldig. So als hätte jemand den Stöpsel gezogen und die Luft rausgelassen. Dabei hat es die Flunder faustdick hinter den Ohren.

Viele halten ihn für den zeitlosesten, kaum weniger für den schönsten jemals gebauten Porsche. Dabei verhüllt die Kunststoffkarosserie ähnlich wie ein eng anliegendes Cocktailkleid einfach nur den Unterbau samt 50 Kilogramm wiegendem Kastenrahmen. Dieser von Fugen und Falzen kaum unterbrochene Fluss steigert den Reiz des Verborgenen und lenkt die Blicke auf das Wesentliche. Schmückendes und damit ablenkendes Beiwerk gibt es am Carrera GTS nicht.

Es findet sich auch keine Hilfestellung wie ein abnehmbares Lenkrad. Dabei stellt sich schon für schlanke Menschen die Frage: Wie fädelt man am besten die Beine am Info Lenkrad vorbei in den Fußraum? Es gelingt nur durch sonderbares Verbiegen der Extremitäten. Der Innenraum ist so klein, dass man vom Fahrersitz aus locker mit der rechten Hand das Beifahrer-Schiebefenster aus Makrolon-Kunststoff bedienen kann, ohne sich über Gebühr zu strecken.

Wer Glück hat, entspricht in seinen Abmessungen in etwa dem ersten Eigentümer; die Sitzschalen sind nämlich fest verschraubt. Der Kunde des im Volksmund 904 GTS genannten Rennwagens kam 1964 zur Sitzprobe ins Werk, äußerte seine Wünsche, die Schale wurde montiert – und da befindet sie sich auch 2015 noch bei einem Kilometerstand von (nur!) 12.343.

Wir wollen starten und greifen ins Leere. Gewohnterweise vermuten wir den Zündschlüssel porschetypisch links, doch im Carrera GTS befindet er sich rechts. Das Armaturenbrett beherbergt zudem Schalter für Zusatzheizung und Wischer sowie für Licht, Warnblinker und Nebelleuchte. Eine Wegfahrsperre wurde nachgerüstet. Anzeigen informieren über Öltemperatur und Öldruck. Laut Drehzahlmesser dürfen wir heute bis 6.500/min drehen; im Renneinsatz waren es über 8.000/min.

Carrera GTS mit Hang zum Dramatischen

Wie ein starker Raucher hustet sich der Zweiliter in den Tag, gluckst, sprotzelt, holpert dann in einem sägenden Leerlauf vor sich hin. Schalldämmung hielt man 1964 offensichtlich selbst für eine Straßenversion weitgehend entbehrlich: Der Boxer scheint auf dem Beifahrersitz montiert zu sein, so laut krakeelt er vor sich hin.

Der erste Gang liegt extrem weit hinten links, knapp neben dem Fahrersitz, und will erst einmal gefunden werden; der Schalthebel stochert suchend im Nichts, bis er kaum spürbar einrastet. Eine Gasse im heutigen Sinne gibt es nicht. Jetzt kommt der Moment, bei dem man sich als Autotester so richtig zum Deppen machen kann – beim ersten Anfahren eines Rennwagens wie des Carrera GTS. Also bloß nicht abwürgen. Aber auch nicht wie ein Anfänger mit übermäßig Gas und Schleifkupplung starten. Gefühlvoll den Druckpunkt ertasten, Drehzahl halten, leicht anfüttern und los.

Entgegen der Befürchtung klappt das Anfahren problemlos: Die Kupplung packt stramm zu, aber es reicht leicht erhöhtes Standgas, um den Carrera GTS in Bewegung zu setzen. Man muss den Sechszylinder bei Laune halten. Unter 2.000/min ruckelt er bei zu viel Gemisch unwillig; die Vergaser sind für hohe Drehzahlen optimiert.

Erst ab 4.000/min beißt der Zweiliter zu und plärrt dann die herzzerreißende Kakophonie aus Heulen, Sägen und Mahlgeräuschen, die sich für jeden Boxer-Fan zum durchdringenden Wohlklang zusammensetzt. Und dieses kaum gezähmte Rumpeln, das so gar nicht zur Theorie des ausgeglichenen Sechszylinderboxers im Carrera GTS passt.

Geschmeidig läuft dagegen der 3,4-Liter im Cayman. Auch er tönt rau und herzhaft, aber addiert die Einzelklänge nicht zu einem Inferno. Der Cayman GTS kommt serienmäßig mit Sportauspuff – er betont die leicht übersteuerten Obertöne bei hohen Drehzahlen und fügt ihnen mehr Bass bei.

Einsteigen, starten, Gang einlegen, anfahren, alles flutscht fast wie von selbst. Dennoch ist da diese GTS-Familienbande zu spüren. Sofort fühlt man sich als Bestandteil des Systems, sitzt perfekt zentriert in den Sportschalen. Und was das Fahren betrifft: bestellen – liefern. Befehl – Rückmeldung. Direkt und ohne Verzug. Als ob noch ein Seilzug die Drosselklappe prompt betätigte und kein Potenziometer bei einem Rechner um die Freigabe bitten müsste. Es gehört heute einiges dazu, ein digitalisiertes Auto analog wirken zu lassen. Das haben die Entwickler perfekt hinbekommen – übrigens auch die Handlichkeit.

Dass der Cayman GTS über 1,3 Tonnen wiegt, weiß er geschickt zu kaschieren. Zur Wendigkeit trägt das Sportfahrwerk natürlich einiges bei: Rund 20 Millimeter liegt der Schwerpunkt tiefer, und die härteren Federn lassen kaum Aufbaubewegungen zu. Der GTS reagiert auf Schenkeldruck und ist Porsches Landstraßenkönig.

Gemeinsamkeiten trotz Altersunterschied

Hier ähneln sich die beiden Porsche wieder: Auch der Carrera GTS dürfte zu seiner Zeit alles in Grund und Boden gefahren haben. Wenn er denn überhaupt auf einen Gegner traf. Doch meist war es eher der einsame Ritt vor der Massenmotorisierung, als die Landstraßen noch nahezu leer waren. Und unlimitiert.

Es hat sich seitdem viel getan. Auch bei Porsche, siehe Modellprogramm. Was früher die Regel war, ist heute eine Ausnahme: ein Auto wie der Cayman GTS , das sich nur dem Fahrspaß verpflichtet fühlt. Man kann nur hoffen, dass sich Porsche auch künftig noch zum Sportwagen bekennen wird.

Carrera GTS als Rennwagen

Porsche konzipierte den Rennwagen mit der internen Typnummer 904 für die GT-Klasse der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Unter anderem gewann ein vom Werk eingesetzter Carrera GTS die Targa Florio von 1964. Auch in der Europa-Bergmeisterschaft startete der Mittelmotor-Rennwagen übrigens: in optisch deutlich abgewandelter Form als 904 Bergspyder.

Technische Daten
Porsche Cayman GTS GTSPorsche 904 Carrera GTS
Grundpreis77.214 €
Außenmaße4404 x 1801 x 1284 mm
Kofferraumvolumen150 l
Hubraum / Motor3436 cm³ / 6-Zylinder
Leistung250 kW / 340 PS bei 7400 U/min
Höchstgeschwindigkeit283 km/h263 km/h
Verbrauch8,2 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten