Range Rover Sport P510e im Offroad-Check
Luxusliner auf Abwegen

Der neue Range Rover Sport kommt mit einem Power-Hybrid und Riesenreichweite. Die haben wir diesmal etwas anders ausprobiert – im schweren Gelände.

Range Rover Sport P510e Plug-in-Hybrid Offroad-Fahrbericht
Foto: Land Rover

Wie Offroad funktioniert, muss man bei Land Rover niemandem erklären. Seit 1948 baut die Marke auf der Insel Geländewagen. Und seit 1970 definiert der Range Rover den Stand der Dinge in Sachen Luxus-Offroader, lange bevor andere Hersteller dieses Thema entdeckten.

Die neueste Variante dieser über 50 Jahre währenden Tradition stellt die Ende 2022 eingeführte dritte Generation des Range Rover Sport dar, der mit gleich sieben Motorisierungsvarianten antritt. Zwei davon sind rekordverdächtig: Der Range Rover Sport P440e und der P510e bekommen auf dem Weg zum vollelektrischen Modell (kommt 2024) eine gewaltige Traktionsbatterie mit auf den Weg, die (unter PHEV-Maßstäben) für ebenso gewaltige elektrische Reichweiten bürgen.

Unsere Highlights

Im Video: Offroad-Testfahrt mit dem Range Rover Sport P510e

31,8 kWh Kapazität bietet der Akku, den der PHEV im Unterboden verstaut bekam. Es ist noch nicht lange her, als reine Elektroautos mit kleineren Stromtanks vorfuhren. Dem Range Rover Sport P510e verhilft das zu einer rein elektrischen Reichweite von 110 Kilometer nach WLTP-Norm, was im realen Fahrbetrieb rund 90 echten Fahrkilometern entspricht. Nicht nur das ist sehr üppig für einen PHEV, zusätzlich gönnt Land Rover diesem Modell einen 7-kW-Bordlader für Wechselstrom an der Wallbox sowie einen Schnellladeanschluss für Gleichstrom mit bis zu 50 kW. Man könnte den neuen Range Rover Sport P510e entsprechend als Elektroauto mit geringer Reichweite sehen, wäre da nicht noch der geschmeidige Reihensechszylinder Biturbo Benziner, der selbst ohne Elektrounterstützung mit 400 PS für standesgemäßen Vortrieb sorgen könnte. 510 PS oder 375 kW Systemleistung sind es dann insgesamt, 105 kW davon steuert die E-Maschine bei.

Range Rover Sport P510e Plug-in-Hybrid Offroad-Fahrbericht
Land Rover
105 kW klingt erst einmal wenig, doch der Stromantrieb reicht auch für zünftige Drifts auf der unbefestigten Piste.

Dieser Elektromotor ist beim Range Rover Sport P510e innerhalb der Achtstufen-Automatik untergebracht und stammt von ZF. Das bringt gegenüber anderen Allrad-PHEV, die mit einer separat elektrisch angetriebenen Achse arbeiten, einen bedeutenden Vorteil: Weil die E-Maschine den Antrieb über denselben Getriebeausgang regelt wie der Verbrenner, können alle nachgeordneten Systeme, von der Geländeuntersetzung bis zu den diversen Assistenzsystemen, sowohl im rein elektrischen als auch im Verbrenner- und im Hybridmodus genutzt werden.

Elektromotor im Getriebe

Um genau das einmal in der Praxis unter Beweis zu stellen, hatte sich Land Rover eine besondere Location ausgesucht. Das Fahrgelände Les Comes im Norden von Barcelona hält auf rund 800 Hektar alle erdenklichen Offroad-Formationen bereit, die meisten davon spektakuläre Naturpfade mit Felsen, Geröll und abenteuerlichen Steigungen. Nichts, wohin man einen modernen City-SUV schicken würde (außer, der wird anschließend nicht mehr gebraucht).

Für den Range Rover Sport bedeutet die Testfahrt hingegen offenbar keine besondere Herausforderung. Die einzige Vorbereitung seitens des Herstellers sind griffig profilierte Geländereifen mit höherem Querschnitt als die serienmäßigen Asphalt-Gummis auf 22-Zoll-Rädern. Den Rest regelt die Technik. Die wird vor unserer Testfahrt programmiertechnisch im kuschelig gepolsterten Fahrersitz konditioniert. Wichtigstes Detail dabei ist die serienmäßige Luftfederung, die vor Abfahrt in den zweithöchsten Modus gefahren wird, maximal ausgefahren stehen üppige 274 Millimeter Bodenfreiheit parat. Hinzu gesellt sich die Einstellung des "Terrain Response"-Systems, das erst einmal im Automatikmodus wirken darf. Damit geht es über die ersten Rumpelpfade, natürlich rein elektrisch, das ist diesmal Sinn der Übung.

Jederzeit ausreichend Drehmoment

Die lautlose, nur vom Reifenknirschen auf dem losen Untergrund untermalte Schleichfahrt ist beeindruckend, zumal das ansatzlose Drehmoment der E-Maschine (maximal 275 Newtonmeter) in jeder Situation ausreicht, den immerhin 2,7 Tonnen schweren Luxus-Offroader durch grobe Verwerfungen und über extreme Anstiege zu steuern. Unterstützung kommt dabei unmerklich durch die im Hintergrund auf Hochtouren rechnende Elektronik. Die sorgt über Torque Vectoring und das bedarfsgerechte Aktivieren der Differenzialsperren in der Hinterachse und im Verteilergetriebe dafür, dass jedes Rad genau das passende Antriebsmoment zugeteilt bekommt.

Besonders eindrücklich untermauert wird die Präzision dieser Rechenarbeit durch den praktisch kaum auftretenden Radschlupf. Hindernisse, die mit anderen Geländewagen speziell an den enorm steilen Geröllpfaden geradezu zwangsläufig mit heftig scharrenden Rädern einher gehen, schrubbt der große Brite völlig relaxed und scheinbar ohne Mühe praktisch im "Standgas" nach oben. Allerdings in starken Verwindungen mit hörbaren kleinen Knarzgeräuschen aus verschiedenen Verkleidungsteilen. Dazu gesellen sich weitere Assistenzsysteme bis hin zu einer "Seitenneigungs-Kontrolle", über die bei extremer Schrägfahrt mit der Luftfederung gegenbalanciert wird. Erstmals an Bord ist außerdem ein Gelände-Tempomat, Land Rover nennt das System "adaptive Offroad-Geschwindigkeitsregelung". Über Tastendruck wählt man die gewünschte Geschwindigkeit und, das ist neu, den persönlich bevorzugten Komfort-Level für die Fahrt über Stock und Stein, den Rest regelt die Elektronik. Nur die Lenkarbeit verbleibt dann beim Fahrer, während sich der große Brocken wie an der Schnur gezogen durch das Gelände zoomt.

Range Rover Sport P510e Plug-in-Hybrid Offroad-Fahrbericht
Land Rover
Wenn es eng wird, lernt man die serienmäßige Hinterachslenkung zu schätzen.

Diese Lenkarbeit wird außerdem, auch das ist in der Praxis beeindruckend, von der serienmäßigen Hinterradlenkung unterstützt. Bis zu 7,3 Grad Lenkwinkeleinschlag unterstützen bei der Abbiegearbeit im Gelände. Klingt gar nicht nach viel, ist aber auf den zum Teil extrem verwinkelten Pfaden im Testgelände deutlich spürbar, wenn der knapp fünf Meter lange Bolide mit seinen drei Meter Radstand so behände um die Ecke zirkelt wie ein drei Nummern kleinerer Suzuki Jimny. 10,95 Meter Wendekreis bescheinigt das Datenblatt dem allradgelenkten Range Rover Sport, im Geländeeinsatz fühlt es sich nach noch weniger an.

Das Ergebnis nach der Testfahrt durch zum Teil extrem herausforderndes Gelände: Flora und Fauna durch null Abgas, vernachlässigbare Geräusche und erosionsfreie Fahrweise buchstäblich in Ruhe gelassen, keinen Tropfen Benzin verbraucht und viele Programmpunkte durchgeklickt. Von denen manche wirken, sie seien vorrangig deshalb installiert worden, weil man es eben kann bei Land Rover und nicht unbedingt, weil es der neue Range Rover Sport unbedingt bräuchte. Denn topfit im Gelände waren bereits seine Vorgänger, allerdings nicht so tiefenentspannt dank rein elektrischem Antrieb.

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Fazit

Den potenten Elektroantrieb mit gewaltigem 32 kWh-Energiereservoir kann der Range Rover Sport P510e nicht nur durch eine hohe elektrische Reichweite auf der Straße nutzen. Der Strombetrieb kann auch im Geländeeinsatz, ohnehin eine Paradedisziplin dieser Baureihe, uneingeschränkt überzeugen. Noch beeindruckender wird die Performance angesichts der ziemlich herausfordernden Basisdaten mit üppigen Abmessungen und 2,7 Tonnen Leergewicht. Ob man mit einem rund 140.000 Euro teuren Luxusliner tatsächlich die Straße verlassen möchte? Viele Range Rover Kunden haben jedenfalls die Ländereien und/oder passenden Hobbys hierfür.

Technische Daten
Range Rover Sport P510e Autobiography
Grundpreis138.500 €
Außenmaße4946 x 1820 mm
Kofferraumvolumen446 bis 1491 l
Hubraum / Motor2996 cm³ / 6-Zylinder
Leistung294 kW / 400 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit242 km/h
Verbrauch0,9 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten