Renault Austral
Auf Achse im Wendewunder mit 32 Assistenten

Die von CEO Luca di Meo ausgerufene Renaulution des französischen Konzerns startet mit kleinen Schritten. Einer davon ist der Kadjar-Nachfolger namens Austral. Er kommt mit vier hybridisierten Antriebsvarianten, komfortablem Fahrwerk und optionaler Allradlenkung.

RENAULT AUSTRAL E-TECH HYBRID (HHN)
Foto: Renault

Revolutionen gehen nicht selten mit Namensänderungen einher, so auch in diesem Fall: Aus Kadjar wird Austral, aus dem zweisilbigen Kunstwort das lateinische Wort für "südlich". Es soll emotionaler und authentischer klingen, zudem ist der Name international verständlich und gut aussprechbar. Freunde der gepflegten Alliteration dürfte zudem erfreuen, dass sich der Kadjar-Nachfolger den Anfangsbuchstaben mit dem Schwestermodell Arkana teilen darf. Trotz sehr ähnlicher Ausmaße basiert der Austral auf der größeren CMD-CD-Plattform, die er sich mit dem Nissan Qashqai teilt.

Unsere Highlights

Genug der Vorrede, rein ins Auto. Fürs erste Anschnuppern steht die Topversion E-Tech Full Hybrid 200 (ab 40.400 Euro) zur Verfügung, die anderen Motorvarianten mit Mildhybrid werden nachgereicht, heißt es. Dabei ist die Topversion allein schon interessant genug. Hier arbeitet ein 131 PS starker 1,2-Liter-Dreizylinder mit zwei E-Motoren zusammen, die es gemeinsam auf 50 kW (68 PS) bringen. So kommen 147 kW oder 200 PS Systemleistung zusammen. Wobei ja Renault in Sachen Kraftübertragung eigene Wege geht: Auch hier kommt das sogenannte Multi-Mode-Getriebe zum Einsatz. Zu seiner Funktion und seinen Feinheiten ließen sich vermutlich komplette Bachelor-Arbeiten in Maschinenbau verfassen, daher hier nur so viel: Es bietet insgesamt 15 Übersetzungsstufen, die sich aus zwei Gängen für die E-Antriebe sowie vier Gängen für den Verbrennungsmotor ergeben. Das Getriebe kommt dabei ohne Kupplung aus, weil das Anfahren immer elektrisch erfolgt. Und es benötigt für die Schaltvorgänge keine Synchronisation, weil der Startergenerator (der kleinere der beiden E-Motoren) dank 400-Volt-Technik blitzschnell für die passenden Drehzahlen von Schwungrad und Gangrädern sorgt. Das Ganze ist als Stirnradgetriebe kompakt mit der Antriebs-E-Maschine und dem Startergenerator zusammengepackt. Der elektrische Energievorrat wird in einem 1,7 kWh großen Lithium-Ionen-Akku bereitgehalten.

Dreizylinder hält sich akustisch zurück

Doch wie fährt sich der neue Antrieb? Weitgehend unauffällig, so der Eindruck auf den ersten Kilometern. Der Dreizylinder hält sich akustisch zurück, das Ein- und Ausspuren des Verbrenners vollzieht sich sehr geschmeidig, ebenso das Wechseln der Übersetzungsstufen – ähnlich den anderen Renault-Antrieben mit Multi-Mode-Getriebe. Dazu hängt der Antrieb gut am Gas, wird beim Wechseln in den Sportmodus etwas nachdrücklicher und lauter, doch übertriebene Sportlichkeit sind seine Sache nicht. Manuell beeinflussen lässt sich das Antriebsgeschehen nicht, der Getriebe-Wählhebel bietet die bekannten Fahrstufen D und B (automatisch maximale Rekuperation), zudem kann die Rekuperation mit den beiden Wippen hinter dem Lenkrad in vier Stufen feinjustiert werden.

Zu den Eigenheiten des Renault-Antriebsstrangs gehört, dass er sowohl seriellen als auch parallelen Hybridbetrieb ermöglicht. Fünf Fahrmodi bieten sich so an, vom rein elektrischen Fahren über die verschiedene Kombination von E- und Verbrennungsmaschine bis hin zum reinen Rekuperationsbetrieb. Das schönste daran: Die Insassen bekommen davon so gut wie gar nichts mit. Auch das bei manch anderen Hybridsystemen so auffällige Aufheulen des Benziners bei hoher Last ist hier nur in sehr abgeschwächter Form zu verzeichnen. Nur wenn das Geschehen mal hektischer wird, das Fahrpedal sehr nachdrücklich betätigt wird, verhaspelt sich der Antrieb kurz, bevor er seine Stirnrad-Übersetzungen samt den drei Motoren richtig sortiert hat und es nahtlos weiter geht. Passt also. Gleichwohl die versprochenen 200 PS nicht gerade von der überschäumenden Sorte sind.

Allradlenkung an Bord

Ebenso neu im Austral ist die weiter entwickelte Allradlenkung. Die Hinterräder können nun mit bis zu fünf Grad gegenläufig lenken, was dem Austral zu einem fast konkurrenzlos kleinen Wendekreis von 10,1 Metern verhilft. Bei einem gerade mal gute 4,5 Meter langen Auto vielleicht nicht die allererste Priorität, doch das 4Control Advanced (1.500 Euro Aufpreis, nur für die gehobenen Ausstattungen) kann mehr: Ab 50 km/h können die Hinterräder je nach Fahrzustand und -Modus mit maximal einem Grad mit den Vorderrädern mitlenken, was der Agilität und der Fahrstabilität zuträglich ist. So wirkt der Austral auch bei hurtiger Fahrt recht kurvenwillig, lenkt sauber ein, untersteuert kaum und bleibt sehr stabil. Dabei wurde das sichere Fahrverhalten gar nicht durch allzu straffe Abstimmung der Federungselemente erkauft – im Gegenteil. Der Austral federt geschmeidig an, verdaut auch gröbere Anregungen gekonnt und lässt der Wunsch nach adaptiven Fahrwerkselementen so erst gar nicht aufkommen.

RENAULT AUSTRAL E-TECH HYBRID (HHN)
Renault
Der Wendekreis beträgt beim Renault Austral nur 10,1 Meter.

Schickes Cockpit

Wohlfühlen ist ebenso im ausgesprochen wertig möblierten Interieur angesagt, Allenthalben ist das Bemühen um hohe Verarbeitungs- und Werkstoffqualität erkennbar, da macht der Austral auf den ersten Blick einen sehr ordentlichen Eindruck. Das Raumangebot scheint üppig, die Rücksitzbank kann zweiteilig geklappt und um 16 Zentimeter verschoben werden, als Familien-SUV taugt der neue Renault also ebenfalls. Die Bedienung entspricht im Wesentlichen jener im Elektro-Mégane. 0,07 Quadratmeter Bildschirm erstrecken sich vor den vorderen Insassen, doch gibt es auch einige Shortcut-Tasten, mit denen häufig genutzte Funktionen rasch angefordert werden können.

Für etwas Irritation sorgt dabei der massive, den Schubhebeln von Flugzeugen nachempfundenen Griff auf der Mittelkonsole. Er dient mitnichten dem Betätigen von Getriebefunktionen, sondern nur zum Auf- und Zuschieben des Staufachs sowie als Handgelenkstütze beim Betouchen des großen Bildschirms. Dafür ist der Getriebehebel an der Lenksäule zwischen Wischerhebel und Lautstärkeregelung versteckt.

Was es sonst noch zum Austral zu sagen gibt? Er kommt mit 32 unterschiedlichen Fahrassistenzsystemen, von denen nicht wenige serienmäßig an Bord sind, vorn und hinten leuchten LED-Einheiten und die Preisliste beginnt bei 29.900 Euro (Mild Hybrid 140). So kann es durchaus was werden mit der Revolution bei Renault.

Umfrage
Austral statt Kadjar: Was halten sie vom neuen Namen des Renault-Kompakt-SUV?
11219 Mal abgestimmt
Sehr gelungen. Verkörpert Fernweh und passt damit gut zu einem SUV.Nicht gelungen. Wie spricht man das genau aus - mit oder ohne "s"?

Fazit

Mit geschmeidigem Antrieb, komfortablem und agilem Fahrwerk sowie zurückhaltender Preisgestaltung und gutem Raumangebot gefällt der neue Renault bei der ersten Probefahrt. Da freuen wir uns bereits auf die ersten Vergleichstests mit der kompakten SUV-Konkurrenz.

Technische Daten
Renault Austral Mild Hybrid 140 Equilibre
Grundpreis32.450 €
Außenmaße4510 x 1825 x 1618 mm
Kofferraumvolumen500 bis 1525 l
Hubraum / Motor1332 cm³ / 4-Zylinder
Leistung103 kW / 140 PS bei 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit174 km/h
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten