Mini im Fahrbericht
So gut ist der neue Mini

Okay, er ist kein sortenreiner Brite und auch nicht mehr so richtig mini. Dennoch hat sich der neue Mini eine ordentliche Portion jugendlichen Charme bewahrt. Bevor er brav und träge durch Kurven wankt, friert die Hölle zu. Vorhang auf für den modernsten Mini aller Zeiten.

Mini, Frontansicht
Foto: Mini

Halten Sie mal kurz den Atem an und lauschen. Sofern nebenan nicht gerade ein Liebespaar in die Bütt geht oder eine S-Bahn durchs Zimmer donnert, müssten Sie es eigentlich hören – das erlösende "Aahhh" der Mini-Gemeinde. Freude darüber, dass es endlich wieder einen Neuen gibt. Also einen richtigen Neuen, kein weiteres Derivat, sondern das Original: vier Plätze, zwei Türen, Heckklappe, ein Rad in jeder Ecke, steile Dachpfosten. Doch ist er wieder einer von ihnen, einer, dem kein Marketing soufflieren muss, einer, der für sich spricht?

Mini wächst in seinen Maßen

Nun, ein wenig rundlicher ist der neue Mini schon, speziell vornerum, wegen Aerodynamik und Fußgängerschutz. Zehn Zentimeter länger, rund vier breiter, dabei breitspuriger mit längerem Radstand und zweistufigem Dämpfersystem. Komfortabler soll der Mini sein, agiler, sicherer und kräftiger dank neuer Motoren.

Hätte, schmätte. Weg mit den Konjunktiven, her mit dem Indikativ. Auf zur Testfahrt über Kurvenpisten, Holperstrecken und durch den Stadtverkehr. Da blinkt der Mini Cooper S schon mit seinen neuen LED-Scheinwerfern (Aufpreis), scharrt mit den Vorderrädern (Serie). Wobei – verfeinerte Elektronik hilft, die 192 PS und bis zu 300 Newtonmeter des 23.800 Euro teuren Topmodells dahin zu befördern, wo sie hingehören: in Vortrieb. Und für den sieht es ohnehin vielversprechend aus, denn statt des bisherigen 1,6-Liters steckt nun ein Zweiliter hinterm Grill – Mitglied der neuen BMW-Motorenfamilie mit einem halben Liter Einzelhubraum.

Womit sich die Frage nach der Zylinderzahl des neuen 1,5-Liters (136 PS, ab 19.700 Euro) im Mini Cooper erledigt hat. Der ist übrigens ein kumpelhafter Typ mit gleichmäßiger Kraftentfaltung, ordentlicher Laufkultur sowie charismatischem, nur unter Last präsentem Dreizylinder-Klang. Dem später erscheinenden Einstiegsbenziner im One müssen 1,2 Liter verteilt auf drei Zylinder genügen, ganz strikt wollen sie den Baukasten doch nicht durchziehen. Wohl aber bis zu den Dieselmotoren, beide mit 1,5-Liter-Dreizylindern.

Mini Cooper S mit optionaler Sechsgang-Sportautomatik

Genug zylindert, jetzt wird der Twin- Scroll-Turbolader des Zweiliter-Benziners angeblasen, schalten darf die optionale Sechsgang-Sportautomatik des Mini Cooper S. Wandlerautomat klingt jetzt nicht soo modern, doch das Aisin-Teil arbeitet dank trickreicher Drehzahlanpassung fixer als bisher. Der passende Gang steht schnell parat, wie wir beim zügigen Sprint und der folgenden Ortschaft mit Bummeltempo erleben. In Kooperation mit der Navigation kennt die Automatik sogar das Streckenprofil, passt die Gangwahl vorausschauend daran an.

So cruisen wir entspannt im Mini Cooper S dahin, registrieren einen zarten Hauch Mainstream im Cockpit. Nix mehr mit Kippschaltern für die Fensterheber im Mittelbau, die stecken nun in den Türverkleidungen. Auch das Fahrlicht wird jetzt konventionell mit einem Drehschalter am Armaturenbrett aktiviert.

Trotzdem: Humorlose Qualitäts-Controller müssten beim Anblick des Mini-Cockpits eigentlich Herzrhythmusstörungen bekommen angesichts der etwas verschachtelten Instrumente und der pubertären LED-Lichtshow, die der Mini bei diversen Gelegenheiten abzieht.

Spielkindern jedoch hüpft das Herz vor Freude über diesen Anarchismus. Schon beim Motorstart durften sie einen roten Kippschalter schnippen und die ausfahrende Plexiglasscheibe des Head-up-Displays beobachten. Der Riesentacho im Mini ist Geschichte, nur der Navi-Bildschirm blieb am angestammten Platz in der Mitte.

Bedienung läuft wesentlich flüssiger

Doch die Bedienung läuft wesentlich flüssiger. Sie entspricht der von BMW, bietet iDrive plus Touchpad. Sie koppelt Mobilgeräte (Apple und Android) problemlos, bietet wie gehabt Apps für alle Gelegenheiten. Facebooken, twittern, glympsen? Logo – da regt uns doch schon die Frage auf. Aber ganz normal Musik hören darf man natürlich auch. Unter anderem über Webradio.

Selbstständig notrufen kann der Mini ebenfalls. Darüber wollen wir jetzt nicht weiter nachdenken, zumal der videobasierte Abstandsregeltempomat samt Personen- und Auffahrwarnung mit Anbremsfunktion für unter 1.000 Euro vor Feindkontakt bewahren soll. Freunde dürfen an Bord, hocken hinten auf besser geformten Polstern bei nach wie vor limitierter Beinfreiheit im Mini.

Ganz hinten finden sich mehr Platz für Gepäck sowie ein höhenverstellbarer Ladeboden, aber darum geht es beim Mini doch gar nicht. Vorn geht’s ab – im fahrerorientierten Cockpit, auf bequemeren Sitzen mit ausziehbarer Oberschenkelauflage und ordentlich Seitenhalt.

Mini sieht hochwertiger aus und fühlt sich auch so an

Hier knarzt nix, wir rumpeln über ein paar Schlaglöcher und Querfugen, denken: Hupps, erwachsen bist du geworden. Unter anderem durch die Adaptivdämpfer, gekoppelt mit aufwendiger Fahrwerks-Hardware. Vorn mit Alu-Schwenklager, hinten wie bisher mit Multilenker-Aufhängung. Das hat sonst keiner im Segment, welches ja eigentlich nur aus dem Audi A1 besteht. Der bleibt zwar das penible, ingeniöse Verarbeitungsvorbild, doch beim Mini haben sie auch etwas gefeilt. Besonders preisbewusste Kunststoffe flogen auf den Müll, der neue Mini sieht hochwertiger aus und fühlt sich auch so an.

Ach ja, die Dämpfer. Sie arbeiten auf Wunsch tatsächlich komfortabel oder sportlich straff, passen sich jedoch anders als echte Adaptivsysteme nicht kontinuierlich der Situation an. Schlimm? Nö. Der Neue absorbiert kleine Unebenheiten sorgsamer, als es Mini-Fans erwarten, steckt lange Wellen ohne Mucken weg.

Die elektromechanische Lenkung des Mini ist ebenfalls erwachsen geworden. Sie zackt nicht mehr ganz so wild aus der Mittellage, reagiert immer noch spontan genug für schnelle Manöver, nur eben gelassener. Zumal die serienmäßige Servotronic Ruhe bei höheren Tempi bringt. Ökoprogramm? Na klar, inklusive angepasster Motorsteuerung und Spartipps.

Knurriger Sound für den Mini Cooper S

Nun ja. Wir tollen lieber noch ein wenig herum, lassen den Turbo anreißen und lauschen seinem knurrigen Sound im Sportmodus. So richtig böse dürften erst die später erscheinenden Power-Geschwister anreißen, doch bereits der Mini Cooper S überzeugt.

Kurve anbremsen, einlenken, durchziehen. Lähmend untersteuernd wankt der 1,6-Tonner durch die Kurve. Kleiner Scherz. Bevor das passiert, schenken sie auf dem Oktoberfest Kölsch aus. Richtig ist: Neutral und präzise ohne störendes Untersteuern oder heikle Lastwechselreaktionen passiert der 1.250-Kilogramm-Mini Kurven jeder Art. Dabei steht ihm fein abgestimmte Regelelektronik zur Seite, die bei Bedarf dezent, aber zielführend eingreift. Neben einer elektronischen Diffenzialsperren-Simulation wirkt Performance Control dem Untersteuern entgegen – ziemlich erfolgreich.

Mal sehen, ob der neue Mini insgesamt Erfolg hat. Das Liebespaar dürfte so oder so ins vielstimmige "Aahhh"einstimmen.

Ein halbes Jahrhundert Mini – ein Vergleich

Von den Swinging Sixties bis zum multimedialen Heute – seit 50 Jahren ist der Mini bei der Musik, inzwischen in der vierten Generation. Wir vergleichen und starten bei Nummer eins. Gebaut seit 1959, unserer ist von 1981. Vierzylinder-Vergaser, 1.200 Kubik, 42 PS, 700 Kilogramm. Maximaler Fahrspaß durch Minimalismus. Auch im Innenraum: flach stehendes Lenkrad (wo sollten sonst die Fahrerbeine hin?), Gas, Bremse, Kupplung, Schalthebel, reicht. Fahrerassistenz?

Tacho, Popometer, Verstand. Knapp 700 Kilo sausen auf Gummifedern mit Schmackes über den Asphalt. Flitziges Einlenken dank geringem Gewicht und sauberer Verteilung. Nummer zwo. Oder ist es Nummer eins? Mit dem New Mini beginnt kurz nach der Jahrtausendwende die BMW-Ägide. Yippie, zehn Jahre alt und kein bisschen erwachsen. Ein Bengel mit legerer Verarbeitung, aber direkter Lenkung und einem frech lossägenden Kompressormotor.

Geknarze hat gegen den Motorenlärm keine Chance. Der Mini lenkt ein, bevor du nur drüber nachdenkst. Fehlt uns was? Vielleicht etwas bessere Dämmung. Die hat ab 2006 Nummer drei, dazu bequemere Sitze, eine etwas höherwertige Anmutung, Startknopf, Sporttaste und Riesentacho. Aber flitzen kann er!

Neuer Mini mit erwachsenerem Fahrgefühl

Sein Turbobenziner schiebt stämmig und randaliert nur bei Bedarf etwas mit Auspuffploppen, legt sich furchtlos mit Stärkeren an. Fahrverhalten und Regelelektronik erfordern keine Profi-Reflexe, um blitzartig um die Kurven zu wetzen. Bedienung? Erwartungsgemäß, die Fahrdynamik anspringend und ambitioniert. Eine gelungene Brücke zur Neuzeit, auch wenn manche Zukunftstechniken fehlen.

Etwa LED-Licht, Abstandstempomat, Adaptivdämpfer, elektronische Vernetzung. Oder bequemere Vordersitze. All das hat der Neue. Plus ein erwachseneres Fahrgefühl. Doch manchmal sind es gerade die kleinen Unzulänglichkeiten, in die man sich verliebt. Wobei – so ein iDrive statt der fitzeligen Bedienwarze hat schon was. Und das Head-up-Display, das aus Pazifisten kleine Jet-Fighter macht. Keine Sorge, das mit dem neuen Mini, das wird schon. Er ist halt anders. So wie seine Vorgänger.

Fazit

Ein bisschen können einem die Mini-Leute ja leidtun. Der Neue musste leichter, größer, stärker, komfortabler und umweltfreundlicher sein – doch bitte ohne auch nur ein Fitzelchen seines drahtigen Naturells preiszugeben. Das geht natürlich nicht, aber sie haben es gut hinbekommen, den bekannten Mini-Charme in die nächste Generation zu retten – und ihn trotzdem insgesamt erwachsener werden zu lassen.