Traumcoupés der Redakteure
Weil wir sie einfach lieben

Hier geht es einmal nicht um Punkte, Werte und Kosten; hier geht es um Faszination, Sympathie und Emotion. Fünf auto motor und sport-Tester über ihr persönliches Faible für exotische Sportcoupés.

Chevrolet Camaro ZL1, Hyundai Veloster Turbo, Jaguar F-Type Coupé S, Toyota GT86
Foto: Achim Hartmann

"Diese Kurven, dieser Hintern. Einfach zum Niederknien"

Es kommt nicht oft vor, dass ich mich vor einem Auto in den Staub werfe. Für den Jaguar F-Type S mache ich es. Was hat der aber auch für einen Hintern. Der pure Sex. Ist so etwas eigentlich erlaubt? Und dann röhrt sein Sechszylinder noch so herrlich obszön. Ich gebe es zu: Diese körperliche Präsenz spricht in mir die niederen Instinkte an.

Der britische Sportwagen kitzelt das Rückenmark so, wie es seine Vorfahren gekonnt haben müssen – wenn man zeitgenössischen Berichten glauben darf. Er ist ein sympathischer Gegenpol zum Versuch, die digitalisierte Ingenieursperfektion auf vier Räder zu stellen: Der Jaguar F-Type will weder auf der Geraden noch in der Kurve der Schnellste sein. Aber er fühlt sich überall sauschnell an. Und der Grenzbereich liegt so herrlich niedrig.

Der Jaguar fährt eben nicht bis hinauf in aberwitzige Regionen wie auf Schienen; schon bei eingeschaltetem ESP drängt sein Heck vorwitzig in Kurven, wenn man es mit Drehmoment in die Asphaltniederungen drückt. Lockert man die elektronischen Zügel, dann geht die Show erst richtig los. Der erste Drift ist dabei wie die erste Abfahrt in der Wintersaison: Skifahrer lieben den Moment, wenn aus dem Parallelschwung der große Fluss wird.

Driftfreundlich dosierbarer Macho

Wenn der Sportwagen sein Heck herausstellt, dann lässt es sich da auch schön halten, denn die Leistung des V6 ist driftfreundlich dosierbar. Und wie die Hinterreifen Lustschreie ausstoßen, wenn sich die Kehren bei ungestümen Gasstößen gnadenlos ins Profil brennen. Wunderbar.

Zurückhaltend? Eher nicht. Der Jaguar F-Type ist ein Macho, und er steht dazu: die eindeutigen Phalluszüge der Karosserie, die enge Intimität der Fahrgastzelle, der schnoddrig röhrende Auspuffsound. Das alles macht den Jaguar zu einem Sportwagen, der bis hinein in jede Pore die reine Lust am Fahren feiert – und zwar mit schmutzig-lautem Rock’n’Roll. Was für ein gewaltiger Soundtrack gegen Herbstdepressionen.

Eine gut durchwärmte Runde im Jaguar bringt mich in den Zustand absoluter Gegenwärtigkeit, lässt mich fast wie früher im Hier und Jetzt lenken – im Glauben, die längst vergangenen analogen Zeiten wären zumindest teilweise wieder in die Großserientechnik zurückgekehrt.
Danke, Jaguar. Danke, dass ihr euch traut, heute so etwas zu bauen. Da halte ich es für angemessen, mich zu verbeugen – bis ganz tief hinunter. Bis in den Staub.

"Der GT86 preist Kurven als Ereignis"

Na ja, die Automatikversion müsste es jetzt nicht gerade sein, doch Toyota hatte kein anderes Auto fürs Foto parat. Der Toyota GT86 mit seiner unbekümmerten Gestrigkeit muss es dafür unbedingt sein. Während Sportwagenhersteller derzeit mächtig auf Öko machen, kommt ihnen der 1,29 Meter flache 2+2 von Toyota aus der anderen Richtung entgegen. Mit dem beruhigenden Wissen um die Hybrid-, Plug-in- und bald auch Brennstoffzellen-Stärke darf der GT86 noch einmal zurück ins 20. Jahrhundert, als Kneipen noch nach Rauch rochen, Schallplatten gemütlich knisterten und sich Motorhauben lang streckten.

Frisch einstudiertes Toyota-Tester-Vokabular wie "rekuperieren" oder "leistungsverzweigt" kommt beim Toyota GT86 nicht zur Anwendung. Die 200 PS seines Zweiliter-Vierzylinders werden gänzlich unverzweigt da hingeleitet, wo sie gebraucht werden: an die Hinterachse. Ja, der Frontantrieb hat in den letzten Jahren enorm aufgeholt, und ja, der Turbomotor untenrum mehr Dampf. Einen Boxer bis 7.000/min zu drehen ganz ohne Schalldämpfer-Turbine im Abgastrakt, dafür geben Porsche-Käufer jedoch gern das Doppelte bis Dreifache dessen aus, was der Toyota kostet. Achtung, jetzt kommt das Wort, das in keiner GT86-Geschichte fehlt: "bezahlbar" – und es ist nicht der Grund, weshalb wir ihn lieben. Autos die in siebeneinhalb Sekunden auf 100 spurten gibt es für 30.000 Euro schließlich viele.

Wir lieben ihn, weil er längst vergangene Fahrgefühle weckt, Kurven als Ereignis preist, selbst bei aktiviertem ESP mit dem Heck zuckt und das Popometer als einziges Assistenzsystem toleriert. Und weil er sich für den Fahrer flach macht, ihn der Straße nahebringt und mit seiner direkten Lenkung das Gefühl vermittelt, alles im Griff zu haben. Bald steuern Autos autonom und degradieren den Fahrer zum Passagier. Dem Toyota GT86 werden solche Fahrzeuge noch begegnen. Bis es so weit ist, gehen wir mit ihm auf Abschiedstour.

"Der ZL1 ist ein Auto für alle, die auf Rock´n´Roll stehen"

Viel Überzeugungsarbeit musste der Chevrolet Camaro ZL1 bei mir nicht leisten. Schon beim ersten Anblick schlug mein Herz höher. Ich muss den Designern ein Lob aussprechen. Anspruch und Wirklichkeit passen beim Camaro, das Auto darf sich zu Recht der Liga der legendären Muscle-Cars zugehörig fühlen. Diese geduckte Coupé-Silhouette mit den breit ausgestellten Radhäusern und der großen Motorhaubenhutze schlägt perfekt den Bogen zwischen Tradition und Moderne. Ein Gemälde von einem Auto.

Ok, ich weiß, Aussehen ist nicht alles, es kommt viel mehr auf die inneren Werte an. Und an dieser Stelle hapert es bisweilen bei den Autos jenseits des großen Teichs. Die Federung so weich wie ein Kaugummi, der Big Block nur auf dem Papier ein ganz Großer, und von Effizienz haben die meisten Modelle ebenfalls nicht allzu viel gehört – auf den Chevrolet Camaro ZL1 trifft das nicht zu, zumindest was das Fahrwerk und die Motorleistung anbelangt.

Wer das Gaspedal durchtritt, merkt schnell, wie der Wagen das Vorurteil brachial pulverisiert. Da ist nix vom gemütlichen Blubbern des Achtzylinders zu hören, der gemächlich den 1,9 Tonnen schweren Wagen schwankend vorwärtsbewegt. Der V8 mit 6,2 Litern Hubraum faucht heiser und schüttelt sich wie ein auf Auslauf drängender Hengst. Und lockert man die Zügel, galoppieren auf einen Schlag gleich mal 588 Pferde los. Reue oder Angst? Fehlanzeige. Ohne Sperenzchen bahnt sich der straff gefederte Camaro seinen Weg.

Topversion gibt es für europäischen Markt nicht

Der Komfort bleibt dabei ein wenig auf der Strecke. Doch ich mag diesen rauen, lebendigen und ursprünglichen Charakter des ZL1. Das zeichnet das Auto aus, genauso wie der Preis. In den USA kostet der Sportwagen lediglich 55.500 Dollar. Nur schade, dass es diese bärenstarke Version bei uns nicht gibt. Zumindest nicht offiziell, doch man kann sie importieren oder importieren lassen. Bei GeigerCars in München gibt es das Auto zulassungsfertig bereits ab 72.000 Euro. Das ist immer noch ein Wort, denn viele andere Sportwagen aus europäischer Fabrikation mit ähnlicher Leistung sind doppelt bis dreimal so teuer.

Aber auch edler. Zugegeben. Das Camaro-Interieur wirkt trist, zum Teil etwas lieblos. Doch wer will schon klassische Musik, wenn er auf Rock’n’Roll steht? Ambiente, wenn es um Adrenalin geht? Die ZL1-Version ist wie eine feurige Geliebte, der man gern einiges verzeiht.

"Ein harter Typ für kleines Geld – und so entspannt"

Wenn bei uns in der Tiefgarage zwischen all den gedeckten Limousinen und ach so perfekten Sportwagen mit ihren kultivierten Turbomotoren und Achtgangautomaten ein Nissan 370Z parkt, dann frohlockt mein Herz. Selbst wenn er in diesem tristen Grau erscheint. Wieso? Na weil da noch ein Auto steht, das fordert. Ein harter Typ mit Charisma.

Nach einem Tag im Büro heißt es dann eben nicht: Parkbremse lösen, Automatik auf D und los. Nein, nein. Die Kupplung ist hart, die Schaltung zickig, da ist schon eine ruckfreie Anfahrt hohe Kunst. Wäre ja auch peinlich vor den Kollegen. Dazu ein unwillig drehender V6-Sauger, der langweilig klingt, dafür aber vernehmlich vibriert, eine schwergängige Lenkung und enge, belederte Sportsitze. Fast wähnt man sich in einem GT-3-Renner, der nun raus auf die Strecke muss. In unserem Fall ist es nur die Schloßstraße, dann der Montagsdemostau, der für zitternde Waden sorgt, dann die überfüllte Weinsteige, bis schließlich die Schwäbische Alb mit ihren schönen Kurven lockt.

Nissan 370Z für 33.150 Euro

Zeit, ein bisschen zu rocken. Längst hat man sich mit dem rauen Sauger arrangiert, greift lieber die 363 Nm ab als die hohen Touren, genießt die präzise Lenkung und ein Heck, das unter Last ohne List und Tücke gen Kurvenausgang drückt. Klasse. Zwischendurch noch ein Blick über das orangene Leder und das tatsächlich verfeinerte Interieur. Dann zurück, ab nach Hause.

Die Bremsen packen mächtig zu. Immer. Dann drehen und rauf auf die Bahn. In weniger als sechs Sekunden auf 100 und weiter. Ohne allzu viel Gehoppel. 250 km/h wären möglich. Wer bitte bietet mehr – für 33.150 Euro?

An den nächsten Abenden ward er übrigens nicht mehr gesehen. Die Kollegen waren schneller. So einen Nissan 370Z trifft man eben nicht alle Tage. Schade.

"Der Veloster berührt mich, weil er ein Auto aus einer anderen Zeit ist"

Bereits "Tatort"-Kommissar Stoever wusste, dass wir alle nur Dauercamper sind in der Prärie unserer Träume. Und unserer Erinnerungen. Womöglich berührt mich der Hyundai Veloster deswegen so sehr. Weil er ein Auto ist, wie ich es mir in Studententagen gewünscht hätte – ein kleines, schnelles, pfiffig designtes Coupé. Eines, das nicht jeder hat.

Der Hyundai Veloster ist so was wie der legitime Nachfolger von Scirocco I, Alfasud Sprint, Fiat 850 oder später Honda CRX. Die großen europäischen Hersteller lassen uns ja mit solchen Autos ein wenig im Stich, Hyundai besetzt die Nische mit dem Veloster, der erst auf den zweiten Blick das Herz wärmt.

Oder beim Blick auf die Preisliste. Die beginnt für den Veloster Turbo mit 186 PS bei knapp unter 25.000 Euro, konfiguriert mit Metallic-Lack und Navi samt Rückfahrkamera kommt mein Wunsch-Veloster auf genau 26.840 Euro. Doch was noch schöner ist: Der Turbo-Veloster fährt sich genau so, wie eines jener Coupés aus den Siebzigern, mit polterndem Vierzylinder, lenkradzerrenden Antriebseinflüssen und humorlosen Federraten. Herrlich, wenn man Mitte 20 ist. Weil Sie jetzt so schön brav bis hierher gelesen haben, folgen noch zwei erstaunliche Fakten zum Veloster: Die Farbe dieses Autos heißt Vitamin C Mineraleffekt. Und die dritte Tür ist beim Rechtslenker links, nicht rechts wie sonst. So könnte man bei Hyundai, wenn man denn wollte, auch zwei- und viertürige Veloster bauen. Komisch, dass da noch keiner drauf gekommen ist.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten