VW Golf GTI Clubsport (2021)
Damit ist wirklich jeder schnell

VW bringt den neuen Golf GTI wieder als Clubsport. Statt Overboost-Power gibt’s diesmal einen Nordschleifen-Fahrmodus. Ob der auch auf der schwäbischen Alb funktioniert, klärt der Fahrbericht.

VW Golf GTI Clubsport (2021), Exterieur
Foto: Hans-Dieter Seufert

Mehr GTI geht nicht: 300 PS. Vorderachsquersperre. Und ein Fahrprogramm speziell für die Nordschleife. Doch macht das den neuen VW Golf GTI Clubsport zum schnellsten GTI aller Zeiten? Nein. Denn 2016 gab es bereits einen noch stärkeren GTI-Golf, den auf 400 Exemplare limitierten Clubsport S. Der leistete 310 PS, war innen ziemlich leergeräumt und 265 km/h schnell.

So extrem ist der Clubsportler der achten Golf-Generation jedoch nicht. Stattdessen tritt er die Nachfolge des Golf (VII) GTI TCR an. Denn da VW gerade alle Motorsport-Ambitionen aufgibt, wird es keine neue TCR-Version geben.

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Mehr Spoiler und Power für den GTI

Das wussten Sie schon? Na klar, Sie sind ja auch ein bestens informierter auto motor und sport-Leser. Deshalb sind Ihnen bestimmt auch gleich die Unterschiede zwischen Clubsport und dem aktuellen Normalo-GTI aufgefallen: Statt der markanten Tagfahrlicht-Punkte streckt sich ein durchgehendes LED-Leuchtband über die gesamte Front. Eigentlich schade, denn dadurch ähnelt der GTI Clubsport im Rückspiegel eher dem VW ID-3. Der offenere Stoßfänger mit zwei Wings und neu gestaltetem Frontsplitter soll für mehr Abtrieb an der Vorderachse sorgen. Am Heck trägt das aktuelle Topmodell einen zweiteiligen Dachkantenspoiler der den Auftrieb an der Hinterachse reduzieren soll. Dazu ovale statt runder Endrohre und breitere Seitenschweller – fertig ist das Clubsport-Outfit.

Fast, denn statt mit Sportschuhen reist der Testwagen auf Winterschlappen zum ersten Fahrtermin an. Suboptimal meinen Sie jetzt? Da sagen Sie was. Denn eigentlich steht der scharfe GTI auf beton sportlich abgemischten Pneus, optional sogar auf Michelin Pilot Sport Cup 2. Hinter den ebenfalls aufpreispflichtigen 19-Zöllern lauern vorn 460 mm große, gelochte Bremsscheiben. Zudem hat die GTI-Truppe die Bodenfreiheit nochmals um 15 mm reduziert.

VW Golf GTI Clubsport (2021), Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Wer beim Clubsport ein bretthartes Tracktool erwartet, der wird zumindest im Sportmodus nicht enttäuscht. Dann verhärtet das 1.019 Euro DCC-Fahrwerk, jedoch ohne allzu knochig rüberzukommen.

Wer jetzt ein bretthartes Tracktool erwartet, der wird zumindest im Sportmodus nicht enttäuscht. Dann verhärtet das 1.019 Euro DCC-Fahrwerk, jedoch ohne allzu knochig rüberzukommen. Doch hart ist nicht auf jeder Piste die beste Wahl. Vor allem, wenn man mit dem Golf GTI Clubsport, wie Volkswagen Werksfahrer Benjamin Leuchter in unter acht Minuten über die Nordschleife bügeln will. Klar, kann man sich wie gewohnt Motoransprache, Schaltgeschwindigkeit und Dämpfungsgrad selbst zusammen-individualisieren. Schneller geht’s aber im speziell abgestimmten Nürburgring-Modus. Der erweist sich nicht nur in der Eifel, sondern auch auf der Schwäbischen Alb als idealer Kompromiss. Denn südlich-östlich von Stuttgart sind die Straßen ebenfalls verwunden und der Belag meist wellig. Doch statt Leitplanken und Fangzäune bilden hier oft Baumstämme und schroffer Fels die Auslaufzonen.

Mit dem Clubsport fährt jeder schnell

Da braucht’s viel Vertrauen ins Auto. Das baut man jedoch schon nach wenigen Kilometern auf. Denn wie jeder GTI ist auch der Clubsport einer von der kompromissbereiten Sorte. Die im Sportmodus direkt übersetzte Progressivlenkung benötigt nur zwei Umdrehungen vom linken zum rechten Anschlag. Sie lenkt aus der Mittellage äußerst zackig ein, bleibt aber linear und feedbackt auch was an der McPherson-Vorderachse passiert. So zirkelt der Golf in schnellen Kurven betont neutral von Scheitelpunkt zu Scheitelpunkt. In engen Kehren mündet die Kurvenhats, trotz vergrößerten Sturzes, dagegen schnell in sicherem Untersteuern.

VW Golf GTI Clubsport (2021), Exterieur
Hans-Dieter Seufert
Anderes als bei herkömmlichen rein mechanischen Sperren verfügt der neue Über-Golf über ein elektromechanisches Diff in die Vorderachsquersperre (VAQ).

Die Schuld daran tragen offensichtlich die Winterreifen, die bei niedrigen zweistelligen Plusgraden jaulend um Haftung ringen. Doch mit etwas weniger Kurveneingangsspeed dreht der GTI sogar seine Vierlenker-Hinterachse leicht ein. Gezielte unmerklich Bremseingriffe an den kurveninneren Rädern reduzieren versuchen Untersteuertendenzen einzudämmen. Dazu stemmt sich der sogenannte Fahrdynamikmanager mit den Dämpfern des DCC-Fahrwerks erfolgreich gegen aufkommende Wankbewegungen des 1,5-Tonners.

Antriebseinflüsse sind in der Lenkung höchstens beim Herausbeschleunigen aus den engen Ecken spürbar. Wie das geht bei 400 Nm Drehmoment, fragen Sie sich? Mit aufwendiger Technik: Anderes als bei herkömmlichen rein mechanischen Sperren integrieren die VW-Ingenieure ein elektromechanisches Diff in die Vorderachsquersperre (VAQ). Das regelt den Sperrgrad über eine Lamellenkupplung zwischen dem Differenzialkorb und der rechten Seitenwelle und bezieht dabei ESP-Regelung sowie Traktionskontrolle ein.

In unter sechs Sekunden auf Hundert

Das Ergebnis des Technikfeuerwerks: überragende Traktion. Gerade aus sprintet der Fronttriebler so unter Idealbedingungen in 5,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h und rennt bei Tempo 250 km/h förmlich in den Begrenzer. Klingt brachial, fühlt sich aber fast schon unspektakulär an. Denn selbst beim Launch-Control-Start sind die Gangwechsel kaum spürbar. Lediglich die digitale Drehzahlnadel kommuniziert dem Fahrer die Schaltvorgänge. Das Siebengang-DSG schaltet so verflucht schnell, dass selbst schalten via Schaltpaddle zwar möglich, allerdings überflüssig ist. Zumal das Doppelkupplungsgetriebe manuelle Eingriffe zwar erlaubt, die Elektronik den Fahrer beim Kickdown und am Drehzahlbegrenzer jedoch überstimmt. Da fühlt sich der Sportfahrer fast schon bevormundet. Eine Alternative gibt’s leider nicht, denn als Handschalter wird es den Clubsport nicht geben.

VW Golf GTI Clubsport (2021), Motor
Hans-Dieter Seufert
Durch eine geänderte Motorsteuerung, mehr Ladedruck sowie höhere Einspritzdrücke leistet der 2,0-Liter-Turbomotor glatte 300 PS und 400 Nm Drehmoment.

Alternativlos ist auch der Motor: Der EA 888 evo4 des Clubsport basiert auf dem 245-PS-GTI-Triebwerk und erfüllt natürlich die Euro 6-Norm. Durch eine geänderte Motorsteuerung, mehr Ladedruck sowie höhere Einspritzdrücke leistet der 2,0-Liter-Turbomotor glatte 300 PS. Das Drehmoment steigt um 30 auf 400 Nm und liegt stabil von unter 2.000/Min bis über 5.000/Min an. Im Klartext: Er geht wie vom wilden Watz gebissen, dreht willig oben raus und klingt dabei auch noch fantastisch. In Sportstellung knattert und ploppts herrlich aus der Abgasanlage. Und zwar derart erschütternd, dass das Armaturenbrett im Takt knarzend mitschwingt.

Unsportliche Bedienung

Ja, hier drinnen ist nicht alles so schön, wie es im erst Moment erscheint. Trotzdem setzt VW zum Beispiel mit einem rot pulsierenden Start-Knopf sportliche Akzente. Ja, den kennen Sie schon vom normalen GTI und tatsächlich differenziert sich das Topmodell lediglich durch die mit Alcantara bezogenen sowie im Rautenmuster abgesteppte Sportsitze. Schade eigentlich, wo es doch ein leichtes sein sollte, ein paar Embleme zu verteilen. Oder einen virtuellen Clubsport-Avatar mit ein paar Programmzeilen ins digitale Cockpit und das serienmäßige Discover-Media-Infotainment zu programmieren. Kurios ist, dass die digitale Miniaturausgabe des Clubsport-GTI erst auf dem Bildschirm auftaucht, als das vorrübergehend den Dienst quittiert.

VW Golf GTI Clubsport (2021), Interieur
Hans-Dieter Seufert
Suboptimal sind die kapazitiven Touch-Tasten am Lenkrad, denn beim schnellen Einlenken berührt der Handballen leicht das Touchfeld für die Lenkradheizung.

Suboptimal, genauso wie die kapazitiven Touch-Tasten am Lenkrad. Das liegt hier jedoch nicht nur an deren mangelnden Feedback, sondern an der ungünstigen Platzierung. Denn beim schnellen Einlenken berührt der Handballen leicht das Touchfeld für die Lenkradheizung. So heizt der GTI dem Fahrer auch ungewollt ein.

Viel besser wären da zusätzliche Lenkradtasten für die Wahl der Fahrmodi, ESP-Abschaltung oder Steuerung des Klappensounds. Doch das Fahrzeug-Setup muss über eine schmucklose Touchtaste in der Mittelkonsole angesteuert werden. Das ESP lässt sich nur umständlich über mehrere Bedienschritte im Infotainment in Sport-Stellung befördern beziehungsweise ganz abschalten. Und der Auspuff-Sound hängt fest an den Fahrmodi oder muss individuell konfiguriert werden. Wer übrigens gern am Konfigurator spielt, kann sich den Clubsport bereits zusammenstellen. Ab 40.225 Euro geht’s los.

Fazit

Mit dem neuen Clubsport spitzt VW die GTI-Idee wieder einmal grandios zu: Er kurvt präziser, beschleunigt brachialer, rennsportet im Nürburgring-Modus und klingt auch noch gut. Dabei bleibt er Volkswagen-typisch voll alltagstauglich. Was stört sind die Bedienung und der vergleichsweise happige Preis.

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AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten