Alpine A523 für F1-Saison 2023
Mut zur kleineren Lücke

Alpine hat seinen F1-Renner für die Saison 2023 vorgestellt. Um die Lücke zu den Top-Teams zu schließen, zeigt der A523 im Vergleich zu seinem Vorgänger einige größere Umbauten. Und auch beim Fahrerpersonal hat sich etwas getan. Wir haben erste Infos und Bilder für Sie gesammelt.

Alpine A523 - F1-Auto 2023
Foto: Alpine

Bereits im Jahr 2021 hatte Alpine-Boss Laurent Rossi das Ziel ausgegeben, innerhalb der nächsten 100 Rennen regelmäßig um die vorderen Positionen zu kämpfen. Der Titelangriff ist damit fest für das Jahr 2024 eingeplant. Was die WM-Platzierung angeht, scheint sich das Projekt aktuell noch gut auf Kurs zu befinden. In der Vorsaison kletterte der Werksrennstall auf Rang vier der Konstrukteurswertung.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass man sich mit Einführung des neuen Technik-Reglements eher weiter von der Spitze entfernt hat. Der Rückstand auf Red Bull wurde nicht kleiner, sondern größer. Im Schnitt betrug der Abstand zum Marktführer rund eine Sekunde – je nach Strecke mal etwas mehr, mal etwas weniger. Damit konnten die Verantwortlichen des Teams natürlich nicht zufrieden sein.

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Der Glanz des Ocon-Siegs in Ungarn im Jahr 2021 ist längst verblasst. In den letzten zwölf Monaten konnte sich Alpine keinen neuen Pokal mehr in die Vitrine stellen. Der Speed des Autos reichte zwar meistens aus, um das Mittelfeld anzuführen. In Richtung Podium ging aber nicht viel. Dass man sich lange mit McLaren um die Mittelfeld-Krone streiten musste, lag auch an den zahlreichen Defekten. Vor allem der Motor und die Wasserpumpe ließen die notwendige Standfestigkeit vermissen.

Alpine A523 - F1-Auto 2023
Alpine
Bei einigen Rennen wird der Alpine A523 wieder in der rosafarbenen Spezial-Lackierung antreten.

Weniger Defekte, mehr Abtrieb

"Wenn ich mir die Punktetabelle anschaue, dann war der Rückstand auf die Spitze schon beträchtlich", beklagte Renault-CEO Luca de Meo bei der feierlichen Präsentation des neuen A523 in London. "Ich würde mir wünschen, dass wir die Lücke etwas verkleinern. Wenn wir dazu noch ein paar Podiumsplätze feiern könnten, würde uns das die Sonntagnachmittage natürlich auch versüßen." Teamchef Otmar Szafnauer fügte an: "Wir wollen den Rückstand auf Platz drei reduzieren und den Vorsprung auf Platz fünf vergrößern. Dazu müssen wir schneller entwickeln als anderen."

Die Ingenieure versprachen, dass der Neuwagen alles besser kann. Zusammen mit den Experten in der Motorenfabrik in Viry-Chatillon habe man an den Antriebs-Schwächen gearbeitet und hofft, auch bei der Pace zuzulegen. Im zweiten Jahr der Ground-Effect-Ära erwarten alle Experten einen spürbaren Schritt nach vorne – und das trotz der neuen Unterboden-Regeln, die in der Theorie knapp eine halbe Sekunde kosten dürften. Die Techniker kündigten schon jetzt ein aggressives Entwicklungsprogramm über die Saison an – vor allem im Bereich des Unterbodens.

Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, haben die Alpine-Entwickler über die Winterpause größere Umbauten vorgenommen. Das Upgrade-Feuerwerk fängt direkt am vorderen Ende des Autos an. Nach Vorbild des letztjährigen Red Bulls zieht sich die Nasenspitze jetzt deutlich weiter nach unten bis auf das erste Frontflügelelement. Das sogenannte Hauptblatt liegt im zentralen Teil etwas höher als an den Außenkanten. Früher bog sich das Element in der Mitte nach unten durch.

Direkt dahinter gehen die Veränderungen am Vorderbau auch schon weiter. Auf der Oberseite weist die Frontpartie keine rundliche Wölbung mehr auf. Stattdessen präsentiert sich die Nase vom Flügel bis zum Cockpit außen deutlich kantiger und an der Oberfläche komplett flach. Es scheint, als wolle man auf diese Weise mehr Abtrieb auf der Vorderachse produzieren. Die Frontpartie dehnt sich zudem stärker nach unten aus, was man gut an der Position der Querlenker erkennen kann.

Alpine A523 - F1-Auto 2023
Alpine
Die neue Motorhaube mit den dicken Backen fällt besonders ins Auge. Viele Flächen sind aus Gewichtsgründen unlackiert.

Ofenrohr aus Sichtcarbon

Wie bei den meisten Teams wurde auch an der Verkleidung der Kühler Hand angelegt. Die Seitenkästen weisen außen nun eine ähnliche Einkerbung auf wie der alte Red Bull. Vorne sind sie aber nicht mehr ganz so stark unterschnitten. Die Rinne im inneren Teil, die auch viele andere neue Autos des Jahrgangs 2023 zeigen, hatte der Alpine schon im Vorjahr. Sie ist beim A523 allerdings noch etwas stärker ausgeprägt und fällt im hinteren Teil früher und steiler ab.

Für den oberen Teil der Motorhaube mussten ebenfalls neue Carbon-Formen hergestellt werden. Der ausgestellte Luftauslass im hinteren Bereich wölbt sich jetzt noch ein Stück weiter nach außen. Dieser Teil ist nicht mehr lackiert und erinnert durch den gewichtssparenden Sichtcarbon-Look an ein Ofenrohr. Die Ingenieure sparten nicht nur an Farbe, sondern entfernten auch die Finne auf dem Rücken der Haube. Stattdessen wurden kleine Kiemen in die Kohlefaserhaut geschnitten, um heiße Luft nach außen zu führen.

Die Positionierung der Kühlschlitze hat sich rund um das Auto verändert. Was die Aerodynamik-Upgrades angeht, fallen dazu noch die neuen Spiegelhalterungen sowie zusätzliche Finnen auf den Seitenkästen und am hinteren Teil des Halo-Schutzbügels ins Auge. Der Heckflügel steht wie beim Vorgänger weiter auf einer Stelze. Ein verändertes Flügel-Profil und ein neuer Beam-Wing sollen für effizienteren Abtrieb im Heck sorgen. Dabei hilft auch der verbesserte Unterboden, bei dem die Veränderungen aber noch im Verborgenen blieben.

Alpine A523 - F1-Auto 2023
Alpine
Hier der direkte Vergleich: Oben der Alpine A522 aus dem Vorjahr, unten der neue A523.

Umstellung auf Pushrod hinten

Interessant ist auch der Blick auf die Aufhängungen. Vorne haben die Fahrwerkstechniker die Geometrie der Querlenker geändert – vor allem aus aerodynamischen Gründen. Die Dämpfer werden aber weiterhin über Schubstreben (Pushrods) aktiviert. Hinten hatte Alpine im Vorjahr wie die meisten Teams noch auf ein Pullrod-System gesetzt. Das hat sich mit dem A523 geändert. Auch hier arbeiten jetzt wie vorne Schubstreben, die höher am Getriebe ansetzen, um mehr Platz für den Diffusor zu schaffen.

Außerdem soll die neue Aufhängung ein gutes Stück leichter sein und den Ingenieuren mehr Möglichkeiten beim Setup bieten. Apropos Gewicht: Laut Technik-Direktor Matt Harman liegt das neue Auto klar unter dem Limit von 798 Kilogramm. Die Fahrer können sogar etwas mit Ballast spielen, um die Balance zu optimieren. Zur Diät trug sicher auch das neue Farbschema bei, das an mehr Stellen als früher auf die Lackierung des Carbons verzichtet.

Insgesamt kann man beim A523 von einem mutigen Entwurf sprechen. Die Chance, erste Daten zum neuen Auto zu sammeln, bekamen die Ingenieure schon im Rahmen eines Filmtags am vergangenen Dienstag (14.2.) in Silverstone. Bei der Jungfernfahrt saß zunächst Esteban Ocon am Steuer. Nach dem Abgang von Fernando Alonso zu Aston Martin ist der 26-Jährige nun der Teamleader.

Pierre Gasly & Esteban Ocon - F1 - Alpine - 2023
Alpine
Esteban Ocon und Pierre Gasly haben eine gemeinsame Vergangenheit. Kommen die beiden Franzosen gut miteinander aus?

Explosives Fahrerduo

Man darf gespannt sein, wie gut er mit seinem neuen Teamkollegen Pierre Gasly zusammenarbeiten wird. Die beiden Franzosen kennen sich bereits aus alten Kartzeiten und haben auf dem Weg in die Königsklasse den einen oder anderen Streit ausgefochten. Gasly will seinerseits beweisen, dass er im kleinen Red-Bull-Team jahrelang unter Wert geschlagen wurde. Ocon, der bereits ins vierte Jahr bei der Equipe geht, will sich natürlich nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen lassen.

Ob das Auto tatsächlich näher dran ist an der Spitze, wird man erst bei den Testfahrten in Bahrain sehen. Am 23. Februar geht der A523 erstmals gemeinsam mit der Konkurrenz auf die Bahn. Wenn Alpine zu Beginn etwas hinter den Erwartungen zurückbleibt, muss das nicht heißen, dass die Fans das Jahr frühzeitig abschreiben. Alpine hat 2022 gezeigt, dass man auch im Laufe einer Saison mit vielen kleinen Upgrades große Fortschritte erzielen kann.