Rennanalyse GP Japan 2023
Verstappen verfehlt eigenes Ziel

GP Japan 2023

Max Verstappen hat in Suzuka kurzen Prozess gemacht. In der Rennanalyse erklären wir, warum keiner der Konkurrenten Red Bull fordern konnte, ob die Stallregie-Entscheidungen bei McLaren und Mercedes richtig waren und wieso Perez so lange in der Garage parkte.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Japan 2023
Foto: Red Bull

Wie fand Red Bull zurück auf die Siegerstraße?

Dass Red Bull nach der Singapur-Pleite zurückschlagen würde, hatte die Konkurrenz befürchtet. Dass die Dauersieger in Japan aber gleich wieder so dominierten, sorgte für mächtig Frust bei den Garagennachbarn. Die Niederlage hatte wie ein Stich ins Wespennest gewirkt. "Max war schon am Mittwoch richtig heiß. Er hat mir gesagt, dass er in Suzuka mit 20 Sekunden Vorsprung gewinnen will", verriet Teamchef Christian Horner.

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Am Ende verfehlte der Pilot sein selbst gestecktes Ziel um sieben Zehntel, was laut Horner an fehlenden blauen Flaggen in den Schlussrunden lag. Doch auch so war die Message bei den Verfolgern angekommen. Schon das Qualifying glich einer Machtdemonstration. Verstappen brannte eine Zauberrunde in den Asphalt, die ihn knapp sechs Zehntel vom Rest der Formel-1-Welt abhob.

24 Stunden später ließ der Niederländer nur auf den ersten Metern kurz Zweifel am 13. Saisonsieg aufkommen. Lando Norris zog deutlich besser von der Linie weg und wagte auf der Außenbahn eine Attacke. Die wurde aber knallhart abgewehrt. "Ich hatte ein bisschen zu viel Wheelspin", erklärte Verstappen. "Zum Glück habe ich in den ersten Kurven innen genug Grip gefunden, um Lando hinter mir zu halten."

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Japan 2023
Red Bull

Red Bull feierte nach dem Rennen den sechsten Konstrukteurspokal.

Anschließend musste der Weltmeister mit der Strategie nur noch auf die Boxenstopps der Gegner reagieren und den Sieg nach Hause fahren. Das fiel nicht schwer. Das flüssige Suzuka-Layout mit seinen vielen schnellen Kurven und dem ebenen Asphalt passte perfekt ins Beuteschema des RB19. Der Fahrer bildete mit seinem Sportgerät eine unschlagbare Einheit. "Auto, Fahrer, Team – alles hat hier harmonisch zusammengearbeitet", so Horner.

Im Ziel wurde nicht nur der Sieg, sondern auch noch die vorzeitige Verteidigung des Konstrukteurspokals gefeiert. In der Stunde des Erfolgs fand der Teamchef aber auch mahnende Worte: "Wir reiten gerade eine Welle. Und das soll noch so lange wie möglich weitergehen. Da können wir es uns nicht leisten, uns auf den Lorbeeren auszuruhen."

Kam die Stallregie bei McLaren zu spät?

Auch McLaren kam mit dem flüssigen Traditionskurs bestens zurecht. Die Papaya-Rakete flog nur einen Tick langsamer durch die S-Kurven als der Red Bull. Lediglich in der Haarnadel und der Schikane ging wieder Zeit verloren. "Das zeigt, dass wir unsere Schwäche in den langsamen Kurven mit dem Singapur-Upgrade noch nicht abgestellt haben", grummelte Teamchef Andrea Stella.

In Suzuka reichte es trotzdem, um die beiden Plätze direkt hinter Verstappen einzunehmen. Das Doppel-Podium geriet nur kurz in Gefahr, als sich die beiden Piloten in ein internes Duell zu verstricken drohten. Lando Norris war am Start am Teamkollegen vorbeigegangen. Ein früher Boxenstopp von Oscar Piastri in der VSC-Phase kehrte die Reihenfolge wieder um. Doch danach lief Norris schnell wieder auf das Schwesterauto auf.

Piastri vs. Norris - Formel 1 - GP Japan 2023
Wilhelm

Lando Norris wurde erst nach etwas Bedenkzeit an Piastri vorbeigelotst.

"Jede Runde, die man später Reifen wechselt, bringt einen Vorteil von einem Zehntel in der Rundenzeit", rechnete Stella vor. Norris kam vier Umläufe nach dem Garagennachbarn. Dass er dann mit frischen Reifen im Schnitt gleich sieben Zehntel schneller fuhr, lag auch an Defiziten bei Piastris Reifenmanagement.

"Wir haben dann zunächst geschaut, ob Lando ohne Stallregie vorbeikommt. Als er das nicht schaffte, haben wir Oscar den Befehl gegeben, ihn vorbeizulassen", verriet Stella. Bei dieser Taktik stellte sich die Frage, warum man überhaupt ein Duell riskierte. Und ob das Zögern Norris nicht unnötig Zeit kostete? Stella winkte ab: "So war es der fairere Weg. Wir haben ja nur eine Runde gewartet. Und von hinten drohte ja keine Gefahr."

War der Platztausch bei Mercedes richtig?

Ab der fünften Runde unterhielten Lewis Hamilton und George Russell das Suzuka-Publikum mit einem Privatduell. Russell presste sich in der Schikane mit Gewalt vorbei. Hamilton konterte auf der Zielgeraden. Neun Runden später nutzte Russell einen Hamilton-Fehler in der zweiten Degner-Kurve zur erneuten Attacke, doch Hamilton drückte den jungen Kollegen in der Spoon-Kehre in die Auslaufzone.

Russell fragte: "Gegen wen fahren wir hier eigentlich? Gegen die anderen oder uns selbst?" Bei Mercedes schrillten die Alarmglocken, weil so langsam die Emotionen hochkochten. Die eleganteste Art, zwei Streithähne zu trennen, sind unterschiedliche Strategien. Da Russell nichts zu verlieren hatte, wurde er auf eine alternative Einstopp-Taktik gesetzt. Bei einem Safety-Car wäre er der Held gewesen.

Russell vs. Hamilton - Formel 1 - GP Japan 2023
xpb

Die Mercedes kamen sich zu Beginn und am Ende des Rennens in die Quere.

Bis neun Runden vor Schluss schien der Poker aufzugehen. Russell hielt sich lange auf Rang drei. Dann flogen Oscar Piastri und Charles Leclerc vorbei. Und wie es aus Mercedes-Sicht zu befürchten war, traf auch Hamilton wieder auf seinen Stallrivalen. Diesmal mit Carlos Sainz im Genick. Und der Spanier hatte Reifen, die vier Runden jünger waren als die von Hamilton, und 14 Runden als die von Russell.

Zuerst wollte man, dass Russell dem Schwesterauto so lange wie möglich DRS spendet. Doch der Speed-Unterschied war zu groß. Sainz drohte beide Mercedes zu schnappen. Russell wurde also aufgefordert, Platz zu machen. Zuerst mit ruhiger Stimme, dann ziemlich nachdrücklich. Der Auftrag kam zwar vom Kommandostand, doch tatsächlich hatte Teamchef Toto Wolff aus der Heimat ein Machtwort gesprochen. Es war wichtiger, Hamilton vor Sainz zu schützen, als durch ein offenes Rennen beide Positionen an Ferrari zu schenken.

Patzte Ferrari mit der Strategie?

Eine Woche nach dem Singapur-Sieg präsentierte sich Ferrari nur noch als dritte Kraft. Genau wie bei Mercedes ging die Zeit vor allem in den schnellen Kurven verloren. Im Qualifying schaffte man es immerhin, die beiden Silberpfeile hinter sich zu halten. Das gelang auch im Rennen bis zur zweiten Boxenstopp-Phase, die in Runde 34 von Leclerc und Hamilton eingeleitet wurde. Weil sich der Undercut wegen des hohen Verschleiß-Faktors als sehr wirksam erwies, rutschte Sainz virtuell hinter Hamilton zurück. Ferrari hatte einen Tick zu lange gezögert.

George Russell - Formel 1 - GP Japan 2023
Wilhelm

Carlos Sainz verpasste den richtigen Moment zum letzten Boxenstopp. Das warf ihn hinter Hamilton zurück.

Ein Argument gegen frühere Ferrari-Stopps lag in der Reifenwahl. Die Italiener hatten sich für das Rennen zwei Sätze Mediums und einen Satz harter Reifen reserviert. Bei Mercedes war es umgekehrt. Hamilton konnte sich mit dem zusätzlichen harten Reifen eher einen langen letzten Stint leisten. Ferrari musste mit dem Medium vorsichtiger sein. Zudem geht der Mercedes tendenziell schonender mit den Gummis um.

Als klar war, dass Sainz die Position verlieren würde, blieben nicht mehr viele Optionen. "Er hat dann selbst vorgeschlagen, den Stopp etwas herauszuzögern, um sich für die Schlussattacke einen möglichst großen Reifenvorteil zu sichern", lobte Teamchef Frederic Vasseur. Hamilton holte Sainz zwar nicht mehr ein, doch im Duell gegen Russell half der frischere Gummi.

Warum kam Perez nochmal zurück?

Während Verstappen alles in Grund und Boden fuhr, erlebte Sergio Perez ein Wochenende zum Vergessen. Von Startplatz fünf legte sich der Mexikaner im Startgetümmel mit Hamilton an. Den kurzen Check gegen den Mercedes bezahlte der Red-Bull-Pilot mit einem Frontflügel-Schaden. Um sich in der frühen Safety-Car-Phase schnell Ersatz zu holen, überholte Perez den Aston Martin von Fernando Alonso schon kurz vor der Boxeneinfahrt. Dafür kassierte er auch noch eine Fünf-Sekunden-Strafe.

Sergio Perez - Formel 1 - GP Japan 2023
xpb

Das Feld drehte 25 Rennrunden, während Perez in der Garage parkte.

Mit ordentlich Wut im Bauch ritt Perez nach dem Restart dann eine überstürzte Attacke gegen Kevin Magnussen. Dabei wurde der Haas vom Red Bull in der Haarnadel umgedreht. Neben dem Frontflügel ging dieses Mal wohl noch etwas mehr kaputt. Der Fahrer berichtete, dass sich das Auto komisch anfühlte. Also ordneten die Ingenieure die vorzeitige Aufgabe an.

Doch kurz nachdem der Red Bull in der Garage geparkt wurde, flatterte Post von den FIA-Kommissaren ins Haus. Für die Magnussen-Kollision kassierte Perez noch eine weitere Fünf-Sekunden-Strafe. Sie drohte sich in eine Startplatzstrafe für den Katar-Grand-Prix umzuwandeln, wenn sie nicht vorher abgedient wird. Also glühten die Drähte zwischen Red Bull und der Rennleitung. Die Schiedsrichter hatten keine Einwände, dass Perez das Rennen noch einmal aufnimmt, um die fünf Sekunden regelkonform abzusitzen.

Insgesamt spulte das Feld 25 Rennrunden ohne Perez-Beteiligung ab, bevor das Auto mit der Startnummer 11 wieder losgeschickt wurde. "Wir haben noch den letzten Stopp von Max abgewartet. Nicht dass uns da noch ein Safety-Car dazwischenkommt", erklärte Horner die lange Pause. Insgesamt drehte Perez nach seinem Comeback noch drei Extrarunden. Dann war endgültig Feierabend.