Trainingsanalyse GP Japan 2023
Lässt Verstappen Red Bull glänzen?

GP Japan 2023

Red Bull ist wieder zurück. Aber nicht so deutlich wie sonst. Das Team kann sich bei Max Verstappen bedanken, dass man die Tabelle wieder anführt. Wir haben die Freitagsrunden in der Trainingsanalyse genauer unter die Lupe genommen.

Max Verstappen - GP Japan 2023
Foto: Red Bull

Auf den ersten Blick ist in Suzuka alles wie immer. Oder sagen wir wie vor Singapur. Max Verstappen führt die Rangliste mit 0,320 Sekunden Vorsprung an. Und er war auch im Longrun der schnellste. Doch beide Bestwerte sind mit Vorsicht zu genießen. Für die Tagesbestzeit investierte Verstappen zwei Sätze Soft-Reifen. Und er überschritt in seiner Aufwärmrunde die zulässige Rundenzeit um 50 Sekunden. Das half den Reifen die Runde zu überleben.

Unsere Highlights

Sergio Perez landete mitten im Verfolgerfeld, das wie sonst üblich aus Ferrari, McLaren, Mercedes, Aston Martin und möglicherweise einem Williams besteht. Auf eine Runde und in der Rennsimulation. Das nährt bei der Konkurrenz die Hoffnung, dass die ganz große Dominanz des Meisterteams beendet ist. Der Mexikaner experimentierte viel mit dem Setup und fühlte sich in seinem Red Bull weniger wohl als der Teamkapitän.

Unter den Verfolgern macht auf eine schnelle Runde Ferrari die beste Figur, über die Distanz die McLaren. Mercedes sucht noch nach seiner Form, wie so oft an einem Freitag. Lewis Hamilton klagt über ein nervöses Heck. Aston Martin sieht dafür besser sortiert aus. Fernando Alonso erzielte die sechstbeste Zeit.

Logan Sargeant - Williams - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 22. September 2023
Motorsport Images

Bei Asphalttemperaturen von knapp 40°C gingen die Reifen schneller als gedacht in die Knie.

Das große Thema am ersten Trainingstag waren die Reifen. Sie schmolzen dahin wie Schnee in der Sonne. Alle klagten über eine extrem hohe Reifenabnutzung mit allen Gummimischungen und begannen schon am Freitag damit, sich frische Reifen für das Rennen zu sparen.

Verstappen hat vor dem Samstag noch drei Satz Medium und eine Garnitur der harten Reifen in der Hinterhand. Ferrari reservierte sich zwei Satz Medium und einen Satz hart, während Mercedes und Aston Martin je zwei Garnituren harte Sohlen und einen Satz Medium in ihrem Arsenal haben.

Das Reifenproblem fiel im letzten Jahr nicht so auf, weil es am Freitag und Sonntag regnete und am einzigen trockenen Tag nicht so heiß war. Diesmal wurden die Groundeffect-Autos zum ersten Mal im Dauerlauf von der Kette gelassen. Weil es kaum Rahmenrennen gibt, kommt auch nur wenig Gummi auf die Ideallinie. Am Sonntag rechnen alle mit mindestens zwei Stopps.

Sechs Dinge, die Sie wissen müssen...

Zurück zur Normalität für Red Bull?

Nach der ersten Trainingssitzung musste man das annehmen. Max Verstappen verprügelte die Konkurrenz mit einem Vorsprung von sechs Zehntelsekunden. Doch der Holländer legte es auch darauf an. Er ging sofort auch weichen Reifen auf die Strecke und versuchte mit einer Bestzeit die bösen Geister zu vertreiben, die seit der Niederlage von Singapur über dem Team schwebten. Und er wollte auch für sich selbst wissen: Es geht noch.

Am Nachmittag schrumpfte der Vorsprung auf 0,320 Sekunden. Die schnellste Runde gelang erst im zweiten Anlauf. Mit einer zweiten frischen Garnitur Soft. Auf dem ersten Satz von Pirellis weichster Mischung kam der Holländer mit 1.31,377 Minuten auf eine Zeit, die nur für den sechsten Platz gereicht hätte.

Der zweite Versuch wäre ihm am Samstag gestrichen worden. Die Rennleitung erinnerte 70 Minuten nach Ende des zweiten Trainings alle Teams noch einmal daran, dass in der Qualifikation keine Runden akzeptiert werden, die eine Maximalzeit von 1.54 Minuten zwischen den Safety-Car-Linien überschreiten. Verstappen lag vor seiner Bestzeit um 50 Sekunden darüber, natürlich in dem Bestreben die Reifen vor ihrem Einsatz nicht zu überfordern.

Sergio Perez - Red Bull - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 22. September 2023
Red Bull

Sergio Perez konnte das Verstappen-Tempo nicht mitgehen.

Auch der Longrun von Verstappen hat nur bedingte Aussagekraft. Er spulte ihn mit Pirellis Entwicklungsreifen ab. Der soll 2024 die C2-Mischung ersetzen, die in Suzuka dem Medium-Reifen entspricht. Wären die beiden Reifentypen vergleichbar, hätte der WM-Spitzenreiter Charles Leclerc im Ferrari im Longrun vier Zehntel pro Runde abgenommen.

Verstappen lobte sein Auto: "Es hat sich von der ersten Runde an gut angefühlt und war sowohl auf eine Runde als auch in den Longruns angenehm zu fahren." Doch weil Teamkollege Sergio Perez über eine Sekunde zurücklag, bleiben Zweifel.

Ist es am Ende Verstappen, der Red Bull in Suzuka glänzen lässt? Ist das Auto auf seiner Paradestrecke nicht so gut, wie man es erwarten durfte? Und wenn ja, warum? Perez experimentierte viel mit der Fahrzeugabstimmung, kam aber auf keinen grünen Zweig. Auch in Red Bulls Spezialdisziplin nicht. Im Medium-Dauerlauf war der Mexikaner langsamer als die Ferrari und kaum schneller als Lance Stroll im Aston Martin.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 22. September 2023
xpb

Die Ferrari-Ingenieure sehen im neuen Unterboden einen Fortschritt.

Was bringt Ferraris neuer Unterboden?

Ferrari brachte mit einem neuen Unterboden das größte Upgrade nach Suzuka. Es ist nach der Präsentationsversion, Miami, Barcelona und Spielberg die fünfte Spielart des sensibelsten Teils der Groundeffect-Autos.

Nach einem Vergleichstest im ersten Training wurden beide Ferrari mit dem neuen Boden ausgerüstet. Teamchef Frédéric Vasseur warnt vor übertriebenen Hoffnungen: "In diesem späten Stadium der Entwicklung machst du mit Upgrades nur noch kleine Fortschritte. Für große müsste man an die Architektur des Autos."

Trotzdem konnte Vasseur zufrieden sein. Der Entwicklungsschritt funktionierte auf Anhieb. Das war nicht immer der Fall, wenn man an Barcelona zurückdenkt. Die Plätze zwei und vier für Charles Leclerc und Carlos Sainz zeigen, dass Ferrari auch auf seinen Problemstrecken besser geworden ist.

Und in den Longruns hinkt der Singapur-Sieger Red Bull nicht mehr so deutlich wie früher hinterher. Charles Leclerc nahm Perez im Schnitt eine halbe Sekunde ab, Carlos Sainz war eine Zehntel schneller als die Nummer 2 von Red Bull. Das hat nicht nur technische Gründe. "Wenn das Auto angenehmer zu fahren ist, müssen die Fahrer nicht mehr so pushen und strapazieren dadurch die Reifen weniger", erklärt Vasseur.

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 22. September 2023
xpb

Es sieht so aus, als kämpft Lando Norris mit den Ferrari um die Silbermedaille.

Ist McLaren die Nummer 2?

Suzuka könnte für McLaren das zweite Silverstone werden. Wenigstens von der Papierform. Die vielen schnellen Kurven kommen dem Auto entgegen, und die beiden langsamen Passagen sollten mit dem Singapur-Upgrade ein geringeres Problem sein als in der Vergangenheit. In Suzuka fuhren beide McLaren mit der gleichen Spezifikation. Der Rückstand von 0,464 Sekunden auf Verstappen zeigt, dass McLaren noch Feintuning mit dem Setup betreiben muss.

Bei den Longruns konzentrierten sich Lando Norris und Oscar Piastri zunächst auf die Soft-Reifen, auf denen sie die Rangliste klar anführen. Am Ende hängten beide McLaren noch eine Rennsimulation mit den Medium-Reifen dran. Weil da schon weniger Sprit an Bord war, schmeicheln die Rundenzeiten den McLaren-Piloten.

Im Vergleich der schnellsten Runden ist der McLaren das einzige Auto, das Verstappen im ersten Sektor einigermaßen folgen kann. Norris verlor bis Kurve 9 drei Zehntel auf den Weltmeister, Leclerc sechs Zehntel und George Russell 0,7 Sekunden.

Erst im zweiten Teil der Suzuka-Achterbahn musste Verstappen dem hohen Anfangstempo Tribut zollen. Die Schwachstellen von McLaren sind die Kurven 11 und 17. Also die beiden langsamsten Stellen auf der Strecke. Das Defizit ist aber nicht mehr so schlimm wie früher. Norris landete in der Zwischenwertung von Sektor 3 auf dem zehnten Platz.

Hamilton & Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 22. September 2023
Motorsport Images

George Russell war einigermaßen bei der Musik. Lewis Hamilton erwischte einen gebrauchten Tag.

Was muss bei Mercedes besser werden?

Mercedes hat noch Arbeit vor sich. Speziell am Auto von Lewis Hamilton, der neun Positionen hinter George Russell rangierte. Der Rekordsieger beschwerte sich, die Vorderachse im Vergleich zum Heck zu stark zubeißt. Das raubt dem Fahrer in den schnellen Ecken das Vertrauen. Russell hatte keine speziellen Klagen. "Das Grip-Niveau ist überraschend niedrig", wunderte sich der Engländer.

Russell las aus dem ersten Trainingstag: "Was das relative Kräfteverhältnis angeht, scheint der Red Bull an der Spitze zu seinem normalen Tempo zurückgefunden zu haben. Wir sind im Moment wahrscheinlich einen halben Schritt hinter den Ferraris und dem McLaren von Lando Norris. Da liegt heute Abend noch ein wenig Arbeit vor uns, um diese Lücke zu schließen."

Lance Stroll - Aston Martin - Formel 1 - GP Japan - Suzuka - 22. September 2023
xpb

Die Astons überzeugten vor allem auf dem Longrun.

Aston Martin oder Williams?

Auf eine Runde geht das Duell knapp an Aston Martin. Über die Distanz ist der Vorteil der grünen Autos größer. Lance Stroll nahm Alexander Albon im Longrun auf Medium-Reifen sechs Zehntel pro Runde ab.

Williams ist im Vergleich zu Aston Martin mit weniger Abtrieb unterwegs. Fernando Alonso gewinnt auf Albon im ersten Sektor zwei Zehntel und büßt den Vorsprung zu gleichen Teilen in den Sektoren 2 und 3 wieder ein. Die Williams-Piloten waren im Schluss-Sektor mit zwei Geraden, der 130R-Kurve und der Schikane die Könige. Logan Sargeant und Alexander Albon fuhren mit 18,113 und 18,118 Sekunden sogar schneller als Verstappen.

Wie steht es um Haas?

Ein rauer Asphalt, Hitze, schnelle Kurven: Das ist für Pirelli eine tödliche Mixtur. Quer durch das Feld klagten die Fahrer über extrem hohen Reifenverschleiß. Ein Zweistopp-Rennen scheint auch für Red Bull gesetzt. Am anderen Ende des Feldes sind die Sorgen noch größer. Trotz Platz 10 in Singapur ist das Schreckgespenst Reifenverschleiß für Haas nicht verschwunden. "Wir verbringen hier mehr Zeit in den Kurven. Deshalb erwarte ein schwierigeres Wochenende als in Singapur", baut Nico Hülkenberg vor.

Suzuka verlangt den Reifen deutlich mehr ab als der Stadtkurs an der Marina Bay. Haas-Einsatzleiter Ayao Komatsu gibt zu: "Wir verstehen unser Problem ein bisschen besser, haben aber noch kein Patentrezept parat." Hülkenberg prophezeit ein hartes Rennen: "Die Reifen gehen schnell in die Knie. Vorne wie hinten." Teamchef Guenther Steiner urteilt: "Ideal wäre sich einen frischen Satz Medium und zwei Garnituren harte Reifen aufzuheben. Doch das wird für uns nicht gehen."

GP Japan 2023: Longrun-Zeiten (FP2)

Fahrer

⌀ Rundenzeit

Runden

Reifentyp

Stint

Piastri

1.37,808 min

8

soft

1

Norris

1.38,189 min

11

soft

1

Sargeant

1.38,193 min

6

soft

1

Magnussen

1.38,508 min

2

soft

2

Alonso

1.38,530 min

10

soft

1

Russell

1.38,589 min

8

soft

1

Hamilton

1.38,745 min

6

soft

1

Tsunoda

1.39,108 min

10

soft

1

Verstappen

1.37,581 min

9

medium (Prototyp)

1

Norris

1.36,947 min

2

medium

2

Piastri

1.37,829 min

5

medium

2

Leclerc

1.37,958 min

9

medium

1

Sainz

1.38,368 min

10

medium

1

Perez

1.38,459 min

12

medium

1

Stroll

1.38,676 min

6+3

medium

1+2

Gasly

1.39,104 min

8

medium

1

Albon

1.39,246 min

9

medium

1

Hülkenberg

1.39,248 min

11

medium

1

Ocon

1.39,436 min

9

medium

1

Magnussen

1.39,674 min

9

medium

1

Bottas

1.38,328 min

10

hart

1

Sargeant

1.39,136 min

8

hart

2