Rennanalyse GP Miami 2024
Norris-Sieg auch ohne Safety-Car?

GP Miami 2024

Das Safety-Car hat Lando Norris den ersten Formel-1-Sieg geschenkt. Die Neutralisation brachte die Fans in Miami aber leider auch um ein spannendes Finish. In der Analyse gehen wir der Frage nach, was bei einem normalen Rennverlauf passiert wäre.

Lando Norris - GP Miami 2024
Foto: xpb

Wo wäre Norris ohne Safety-Car gelandet?

Auf den ersten Blick sah die Lage eindeutig aus. Lando Norris lag vor den Boxenstopps auf Rang sechs. Nachdem ihm das Safety-Car einen zeitsparenden Reifenwechsel ermöglicht hatte, kam er als Führender wieder auf die Strecke. Die Neutralisierung zum perfekten Zeitpunkt schenkte dem McLaren-Piloten fünf Positionen und den ersten Formel-1-Sieg.

Doch der Erfolg in Miami hatte nicht nur mit Glück zu tun. Lando Norris fuhr dank des großen Technik-Upgrades vor seinem Stopp mit alten Medium-Reifen schneller als die restlichen Spitzenfahrer, die sich bereits frische Gummis abgeholt hatten. "Als ich Landos Rundenzeiten hörte, wusste ich: Das wird ein schwieriger Tag", gab Verstappen später zu.

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Norris teilte dem Kommandostand mit, dass sich seine alten Reifen noch wie neu anfühlten. Da wurde der Plan geboren, ihn so lange wie möglich fahren zu lassen. Erstens machte er Zeit auf seine Verfolger gut, zweitens war er flexibel für mögliche Safety-Car-Einsätze und drittens hätte er nach dem Stopp in seinem zweiten Stint von einem großen Reifenvorteil profitiert.

Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Miami 2024
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Bis ins Ziel fuhr Lando Norris einen Vorsprung von 7,6 Sekunden auf Verstappen heraus.

Man konnte nach dem Restart sehen, wie viel besser die McLaren-Pace schon bei einem kleinen Reifenvorteil war. Bis ins Ziel fuhr Norris einen Vorsprung von 7,6 Sekunden raus. Die große Frage lautet, wo sich das Papaya-Auto nach dem Stopp eingereiht hätte und wie leicht es Norris gefallen wäre, am Ende mit den frischeren Reifen zu überholen.

Norris grübelte in der Pressekonferenz selbst über das hypothetische Szenario nach: "Ich hätte wohl an zwei Ferrari, sowie an Piastri und Perez vorbei gemusst." Max Verstappen wollte sich nicht an diesen Gedankenspielen beteiligen. Stattdessen sorgte der Weltmeister für einen Lacher: "Hätte, hätte, hätte… wenn meine Mutter Eier hätte, dann wäre sie mein Vater."

Warum darf sich Norris bei Bernd Mayländer bedanken?

Als Kevin Magnussen den Williams von Logan Sargeant in Kurve zwei per Hüftcheck in die Bande bugsierte, dauerte es einen Moment, bis die Rennleitung reagierte. Man wollte erst abwarten, ob sich der rückwärts eingeschlagene Lokalmatador vielleicht noch aus eigener Kraft befreien kann. Norris befand sich kurz vor der Boxeneinfahrt, als schließlich der Knopf zur Aussendung des Safety-Cars gedrückt wurde. "Er hätte abrupt abbiegen müssen. Das wäre unmöglich gewesen", erklärte Teamchef Andrea Stella.

Safety-Car - Formel 1 - GP Miami 2024
Motorsport Images

Das Safety-Car verpasste Lando Norris am Boxenausgang um eine Sekunde.

Normalerweise wird Bernd Mayländer vorgewarnt, wenn ein Einsatz droht. Doch in diesem Fall kam das Signal relativ plötzlich, was die Abfahrt um eine Gedenksekunde verzögerte. Als das Safety-Car auf die Strecke rollte, rauschte Norris gerade an dem Schwaben vorbei. Wäre er eingefangen worden, hätte sich das gesamte Feld hinter ihm versammelt. Ein Stopp hätte dann jede Menge Positionen gekostet.

Stattdessen bremste das Safety-Car den zweitplatzierten Max Verstappen ein. Norris durfte in der vorgegebenen Delta-Zeit deutlich schneller fahren und kam damit trotz Boxenstopp vor dem aufgestauten Feld auf die Strecke zurück. Er reihte sich ganz hinten in der Schlange ein und hatte plötzlich sogar eine ganze Runde Vorsprung. Natürlich durfte sich der Rest des Feldes dann wieder entrunden, als die Gefahrenstelle geräumt war, was die Safety-Car-Phase aber etwas verlängerte.

Warum kam Verstappen so früh an die Box?

Verstappen schien in der Frühphase des Rennens alles im Griff zu haben. Der erste Verfolger hieß zunächst Oscar Piastri, der mit einem guten Start und einem Überholmanöver gegen Charles Leclerc bis auf Rang zwei vorrückte. Verstappen konnte zwar nicht richtig wegziehen, aber eine direkte Undercut-Gefahr durch den Australier bestand auch nicht. Erst der frühe Boxenstopp von Charles Leclerc in der 19. Runde sorgte für Unruhe am Red-Bull-Kommandostand.

Max Verstappen - GP Miami 2024
Motorsport Images

Max Verstappen musste auf Leclerc reagieren. Der frühe Stopp machte ihn für ein Safety-Car verwundbar.

Der Ferrari fuhr mit frischen Reifen und ohne Verkehr eine Sekunde schneller als Verstappen. Als der Puffer noch rund drei Sekunden betrug, zog Red Bull die Reißleine und holte den Weltmeister in Runde 23 rein. Genau das hatte man bei Ferrari beabsichtigt, wie Teamchef Frederic Vasseur später erklärte: "Wir wollten mit dem frühen Boxenstopp von Charles andere zu einer Reaktion zwingen. Für uns war die lange Restdistanz kein Problem, weil wir wissen, wie gut unser Auto mit den Reifen umgeht."

Die Red-Bull-Verfolger sind mittlerweile so nah dran, dass sie mit der Strategie Druck ausüben können. Das war letztes Jahr noch nicht möglich. Plötzlich ist Red Bull verwundbar. Laut Teamchef Christian Horner kam in Miami auch noch ein zweites Problem dazu: "Max hat den Poller in der Schikane abgeräumt und sich dabei den Unterboden beschädigt. Das hat Pace gekostet." Als Verstappen in der Pressekonferenz darauf angesprochen wurde, reagierte er überrascht: "Das Auto hat sich danach nicht anders angefühlt als vorher."

Mit welchen Problemen hatte Mercedes zu kämpfen?

McLaren, Red Bull und Ferrari fuhren in Miami in einer eigenen Liga. Mercedes kämpfte trotz eines neuen Unterbodens wieder damit, die Reifen optimal zu nutzen. In der Qualifikation mehr als in den Rennen. Doch auch am Sonntag erwies sich der Mercedes W15 wieder als Wundertüte. Auf den Medium-Reifen gut, auf den harten Sohlen zu langsam.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Miami 2024
xpb

Lewis Hamilton kämpfte zu Beginn des Rennens mit einem Haas. Am Ende des Rennens fuhr er so schnell wie Sergio Perez im Red Bull.

Nach dem Safety-Car konnte Lewis Hamilton das Tempo von Sergio Perez halten, kam aber nicht vorbei. Er war trotz aktiviertem DRS um 1,2 km/h langsamer als der Mexikaner ohne DRS. Für Hamilton fühlte sich der sechste Platz wie ein Erfolg an. "Heute war der beste Renntag, den ich in diesem Jahr bislang hatte", jubelte der Ex-Champion.

Sein Glück war, dass er auf den harten Reifen gestartet war und dann auf die Medium-Mischung wechselte. Bei George Russell war es genau andersherum. Er verlor 8,6 Sekunden auf Yuki Tsunoda. "Lewis hat gezeigt, dass Speed in unserem Auto steckte. Wir müssen jetzt unser Reifen-Dilemma lösen." Teamchef Toto Wolff bilanzierte: "Auf die Plätze sechs und acht kann man nicht stolz sein, aber es war ein Schritt in die richtige Richtung."

Warum kassierte Sainz noch eine Strafe?

Drei Stunden nach dem Rennen verlor Carlos Sainz seinen vierten Platz noch an Sergio Perez. Der Spanier bekam eine Fünfsekunden-Strafe für eine Kollision mit Oscar Piastri in der 39. Runde. In der Haarnadel am Ende der langen Gerade hatte es gekracht. Der Ferrari-Pilot stellte sich beim Bremsduell quer vor den McLaren. Beim Einlenken blieb Piastri mit der linken Ecke des Frontflügels am rechten Hinterrad des Ferrari hängen. Das erforderte eine Runde später einen Reparaturstopp, der Piastri ans Ende des Feldes warf.

Carlos Sainz vs. Oscar Piastri - Formel 1 - GP Miami 2024
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Im Duell Piastri gegen Sainz hieß der Sieger am Ende Sergio Perez.

Die Sportkommissare sahen die Schuld eindeutig bei Sainz. Piastri habe ihm genug Platz gelassen, so der Befund. Weil man Sainz zugutehielt, dass er kurz die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, wurde aus einer Zehnsekunden-Strafe nur die Hälfte. Das Urteil der Sportkommissare reiht sich in eine Serie unverständlicher Entscheidungen ein. Selbst McLaren-Teamchef Andrea Stella sprach von einem "normalen Rennunfall in einem harten Zweikampf."

Sein Kollege Frédéric Vasseur fügte an. "Es gab fünf Runden vorher in Kurve 11 eine Szene, da war Carlos schon vorbei und Piastri hat ihn neben die Strecke gedrückt und seine Position gehalten. Es gab keine Strafe." Auch bei diesem Zwischenfall kam es zu einer Berührung. Trotzdem drückten die Sportkommissare hier beide Augen zu.

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