General Motors baut eigenen Motor
Lässt die Formel 1 Andretti endlich zu?

Ein US-Riese drängt in die Formel 1. General Motors hat bestätigt, für 2028 einen eigenen Motor bauen zu wollen. Dann würde aus dem Andretti-Rennstall ein amerikanisches Werksteam. Noch muss das Formel-1-Management aber erstmal die Eintrittskarte aushändigen.

Andretti Cadillac - Sean Bull Design
Foto: Sean Bull Design

Der Fall Andretti Cadillac ist ein hochkomplizierter. Ein motorsportliches Drama in mehreren Akten, wenn man so will. Der Motorsportweltverband FIA hat den Plänen von Andretti bereits zugestimmt und das US-Team als Formel 1-tauglich eingestuft. Das allein reicht allerdings nicht, um ab 2025 in die Königsklasse des Motorsports einzutreten. Dafür braucht Michael Andretti noch den Segen des Formel-1-Managements. Und das hat in dem fortlaufenden Prozess bislang jedenfalls eine ablehnende Haltung angenommen.

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Schlecht für Andretti, denn es zählt jede Minute, um den geplanten Einstieg in der übernächsten Saison auch tatsächlich bewerkstelligen zu können. Mit seinem neuesten Schachzug allerdings hat er ein paar schlagkräftige Argumente für sich gesammelt – auf lange Sicht. Was hinter den Kulissen bereits bekannt war, machte sein Partner General Motors am Dienstag (14.11.) öffentlich: Der US-Riese baut eigenständig eine Power Unit für die Formel 1. Dafür hat sich GM offiziell als Hersteller bei der FIA für die Formel-1-Saison 2028 registrieren lassen. Spätestens dann soll aus Andretti Cadillac ein waschechtes Werksteam werden.

Michael Andretti - Formel 1
IndyCar

Michael Andretti drängt mit Macht und inzwischen auch mit Geschick in die Formel 1.

Überbrückung bis zum F1-Werksteam

Ein früherer Einstieg mit einem eigenen Motor wäre allein schon aus Zeitgründen nicht machbar gewesen. Die Entwicklung der Power Unit der Formel 1 ist ein hochkomplexes Unterfangen, das Geld, Ressourcen und eben Zeit verschlingt. Die Phase von 2025 bis 2027 muss Andretti als Kunde überbrücken. Und daran muss der Amerikaner noch basteln, um alle Parteien von sich zu überzeugen. Ein Vorvertrag mit Renault ist diesbezüglich schon seit Monaten abgelaufen.

Der französische Hersteller hat aktuell auch kein Interesse an Neuverhandlungen, weil man sich nicht in den Machtkampf zwischen FIA und F1-Management hineinziehen lassen will. Jetzt wird es noch komplizierter: Die eine Seite im Fahrerlager meint, dass Andretti per Reglement ohnehin ein Motor zusteht. Es soll den Hersteller, der die wenigsten Kunden im Feld hat, dazu verpflichten, Motoren zu liefern. Das wäre aktuell Renault-Alpine. Die andere Seite behauptet, das Concorde Agreement würde diese Pflicht bei einem Neueinsteiger nicht abdecken.

Spätestens mit der offiziellen Einschreibung von General Motors als Motorenbauer ist klar, dass es die Amerikaner ernst meinen. Dass der Name der Edelmarke Cadillac nicht nur Andretti schmücken soll, sondern dass eines Tages auch viel General Motors im Produkt selbst stecken wird. Der Hersteller will nicht nur den Motor ab 2028 ins gemeinsame Projekt einbringen. Andretti Cadillac wirbt auch im Zusammenschluss Ingenieure für den Chassis-Bau an.

"Wir sind begeistert, dass Andretti Cadillacs Formel-1-Einstieg von einer GM Power Unit befeuert wird", lässt sich GM-Präsident Mark Reuss in einer Mitteilung zitieren. "Mit unserer tiefgreifenden Expertise auf der Ingenieurs- und Rennsportseite sind wir zuversichtlich, dass wir eine erfolgreiche Power Unit bauen wird. Wir werden Andretti Cadillac als echtes Werksteam positionieren."

Start - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Sprint
Wilhelm

Andretti Cadillac will als elftes Team in die Formel 1.

Formel 1 als Techniklabor

General Motors hat bereits mit der Entwicklung und dem Test erster Prototypen begonnen. Der US-Konzern erhofft sich wie die anderen Hersteller auch einen Technologietransfer aus der Formel 1 in die Serie – und umgekehrt. In den Bereichen Elektrifizierung, Hybrid, nachhaltige Kraftstoffe, hocheffiziente Verbrennungsmotoren, Steuergeräte und Software. Die Formel 1 stellt 2026 bekanntlich ihr Motorenformat um. Sie gewichtet dann Turbomotor und Elektro-Motor mit jeweils 50 Prozent an der Gesamtleistung. Der 1,6 Liter Verbrenner läuft mit klimaneutralem Benzin.

Die Formel 1 und die Teams äußerten mehrheitlich Vorbehalte gegen den Einstieg von Andretti. Zuerst warf man den Amerikanern vor, General Motors wäre nur wegen seines großen Namens überhaupt ein Teil des Projekts. Der Hersteller selbst würde sein Logo auf eine andere Power Unit kleben, selbst aber nichts zur Technik beisteuern. Mit der Einschreibung als Motorenhersteller nimmt GM den Kritikern den Wind aus den Segeln.

Dann wäre da die Angst der Teams, dass mit Andretti Cadillac ein elfter Mitesser am Tisch sitzt, der selbst zu wenig zum Formel-1-Wachstum beisteuert. Dieses Argument dürfte durch den verstärkten Einsatz von General Motors ebenfalls entkräftet werden. Ja, die bestehenden Rennställe müssen einen Teil des Preisgelds abtreten. Dafür erhalten sie im Gegenzug aber auch jeweils ein Zehntel aus dem Topf der sogenannten "Anti-Dilution Fee". Diese beträgt laut aktuellem Rahmenvertrag der Formel 1 200 Millionen US-Dollar und wird zu gleichen Teilen an die zehn Teams verteilt.

Die Angst der etablierten F1-Teams

Andretti-Cadillac als Werksteam verspricht die Aussicht, dass die Formel 1 weiter an Aufmerksamkeit in den USA gewinnt. Dass sich Werbe- und Marketingeinnahmen steigern lassen. Das zahlt letztendlich auf den Gewinn der anderen ein. Schlussendlich wäre der US-Rennstall ein weiterer Konkurrent auf der Rennstrecke – und auch abseits im Kampf um Sponsoren sowie Ingenieure.

Die Formel-1-Teams müssen unter der Budgetdeckelung mit ihren Ressourcen haushalten. Da lassen sich Gehälter nicht einfach erhöhen. Das wiederum kann dazu führen, dass Ingenieure bei besseren Angeboten abwanderungswillig sind. Gerade ein Team wie Andretti Cadillac, das sich im Aufbau befinden – sowohl auf der Chassis- als auch Motorenseite –, kann da zu einer großen Gefahr für die Etablierten werden.

Fazit

Die Formel 1 und die Teams haben sich mit Argumenten gegen Andretti bewaffnet, die das US-Team Schritt für Schritt entkräftet. Erstens: Cadillac stehe nur drauf, stecke aber nicht im Auto drin. Mag zunächst stimmen, doch General Motors will ab 2028 einen eigenen Motor beisteuern. Das nennt sich Werkseinsatz. Bis dahin muss man die Zeit verständlicherweise überbrücken.

Zweitens: Andretti esse mehr vom (Geld-) Kuchen als man selbst auf den Tisch packt. Mit General Motors im Rücken, und zwar voll dabei, dürfte das Interesse auf dem amerikanischen Markt wachsen. Heißt: mehr Geld sprudeln. Für alle. Drittens: Andretti macht zu viel aus den USA heraus, das kann nicht gutgehen. Das US-Team hat auch einen Ableger in England.

Die Formel 1 ist inzwischen so abgehoben, dass jeder Neueinsteiger erstmal Steine fressen wird. Auch Andretti. Aber wenn sie einem Hersteller wie General Motors die Tür zuwirft, wird kein anderer mehr kommen. Ja, dann bilden die zehn Teams einen exklusiven Club. Jede Lizenz wird automatisch teuer. Aber ist damit dem Sport auf lange Frist gedient, wenn mal wieder eine Krise um die Ecke biegt?