Fahrer erwarten Reifen-Chaos
Weicher Gummi würzt das Rennen

GP Australien 2024

Pirelli stellt die Fahrer im Melbourne-Rennen vor eine interessante Aufgabe. Die Mischungen wurden absichtlich so weich gewählt, dass mindestens zwei Stopps auf dem Programm stehen. Wer zu viel Gas gibt, wird hart bestraft.

Lance Stroll - Aston Martin - Formel 1 - GP Australien - 23. März 2024
Foto: Motorsport Images

Um Pirelli ist es zuletzt ziemlich ruhig geworden. Ausnahmsweise beklagte sich längere Zeit niemand über die Reifen für die Königsklasse. Doch dass man komplett aus den Schlagzeilen rausgehalten wurde, war den Italienern offenbar auch nicht recht. Für den Australien-Grand-Prix schmiedeten die Verantwortlichen deshalb einen ungewöhnlichen Plan.

"Wir haben die Reifen bewusst eine Stufe zu weich gewählt, um die Teams vor eine Herausforderung zu stellen", erklärte Pirelli-Chefingenieur Simone Berra. Mit dem C3, dem C4 und dem C5 packte der Lieferant die drei softesten Mischungen in die Schiffscontainer mit dem Ziel Melbourne. Und der Plan verfehlte seine Wirkung nicht.

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Wie erwartet kämpften die Piloten auf dem Soft und dem Medium mit starkem Graining. Die relativ staubige Strecke im Albert Park und die kühlen Temperaturen verstärkten das Abrubbeln der Lauffläche noch. "Der C5 ist ein extrem weicher Reifen. Er liefert ordentlichen Grip und nimmt dadurch extreme Kräfte auf. In den schnellen Kurven 9 und 10, in denen Fliehkräfte von 5g erreicht werden, gibt der Gummi irgendwann einfach nach", erklärt McLaren-Teamchef Andrea Stella.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Australien - 23. März 2024
xpb

Die Mechaniker bekommen in Melbourne etwas mehr Arbeit als sonst.

Zwei-Stopp-Taktik am schnellsten

Mit vollen Tanks würde der Soft schon nach wenigen Kilometern komplett in die Knie gehen. Er spielt bei der Taktik-Planung für das Rennen somit keine Rolle. Der Medium wird im Dauerlauf höchsten 15 Runden halten. Das bedeutet, dass die Piloten zwei Mal zum Wechsel an die Box kommen müssen. "Vor allem auf der linken Seite sind die Reifen stark belastet. Die Teams können mit dem Setup beeinflussen, ob sie das Graining eher vorne oder hinten bekommen wollen. Hinten kostet es unserer Erfahrung nach mehr Rundenzeit", erklärt Berra.

Der bevorzugte Reifen für das Rennen ist der C3. Diese Mischung kennen die Piloten schon aus Bahrain und Jeddah. Allerdings waren die Bedingungen dort ganz anders. Der C3 kam auch im Vorjahr schon in Melbourne zum Einsatz. Und selbst die härteste Sorte, die den Piloten im Albert Park zur Verfügung steht, neigt bei zu starker Belastung zum Graining.

Alle Teams haben sich die beiden zur Verfügung stehenden Sätze der "harten" Reifen für das Rennen aufgehoben. Nur Aston Martin, McLaren und Sauber haben die weißmarkierten Gummis leicht angefahren. Beim Rest schlummerten die Hards das ganze Wochenende in den Heizdecken. Bei Pirelli erwartet man, dass die meisten Fahrer am Start den Gripvorteil der Mediums nutzen wollen und dann für die beiden abschließenden Stints auf die harte Mischung wechseln.

Kevin Magnussen - Haas - Formel 1 - Melbourne - GP Australien - 22. März 2024
Haas

Im Training wurden praktisch nur die Mischungen Soft und Medium eingesetzt. Die harten Gummis sparten sich die Piloten für das Rennen auf.

Harte Reifen noch unbekannt

Das Problem: Keiner weiß, wie sehr man die harten Reifen belasten kann, ohne dass es zum Graining kommt. "Die ersten beiden Runden sind die kritischsten. Wenn man da zu viel Gas gibt, dann erholen sich die Reifen nicht mehr", befürchtet Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur. Doch in der Hitze des Gefechts direkt am Start oder nach den Boxenstopps ist es für die Piloten schwer, ihr Tempo zu zügeln.

Die Frage lautet auch, ob das ein oder andere Team mit dem Setup speziell auf das Rennen hin gearbeitet hat. Mit etwas weniger Sturz lässt sich die Belastung der Reifen besser auf die ganze Lauffläche verteilen. Allerdings heizen sich die Reifen dann nicht so schnell auf, was im Qualifying wichtig ist. Wenn manche Teams mehr in die eine oder andere Richtung gearbeitet haben, kann es am Sonntag zu Verschiebungen kommen.

Normalerweise lindert sich die Graining-Problematik am Rennsonntag automatisch mit mehr Gummi auf der Ideallinie. Doch der Asphalt im Albert Park ist so speziell, dass die Auflage hier praktisch keine Rolle spielt. Pirelli-Sportchef Mario Isola hofft, dass die Reifen für mehr Action oder zumindest für Abwechslung bei der Strategie sorgen: "Die Teams müssen hier auch immer mit Safety-Cars oder Unterbrechungen rechnen. Damit haben wir alle Zutaten für einen interessanten und spektakulären Grand Prix."