Rennanalyse GP Niederlande 2022
Mercedes-Sieg ohne Safety Car?

GP Niederlande 2022

Hätte Mercedes ohne die Safety-Car-Phasen gewinnen können? Wieso blieb Yuki Tsunoda eigentlich stehen? Und wieso patzte Ferrari schon wieder? Die Antworten rund um die Fragen zum GP Niederlande in unserer Rennanalyse.

Lewis Hamilton - George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Niederlande - 4. September 2022
Foto: xpb

Hätte Mercedes ohne die Safety-Car-Phasen gewinnen können?

Mercedes ging beim GP Niederlande von Anfang an einen eigenen Weg. Im Gegensatz zur direkten Konkurrenz um sie herum, starteten Lewis Hamilton und George Russell auf Medium-Reifen. Das Ziel war klar: Man strebte eine Einstopp-Strategie an.

Während Max Verstappen bereits in Runde 18 zum Wechsel von Soft auf Medium an die Box kam, übernahm Lewis Hamilton vor George Russell dankend die Führung. Der erste Service stand bei Hamilton erst im 29. Umlauf an. Da wechselte der siebenfache Weltmeister auf die harte Pirelli-Mischung. Russell tat es ihm kurz darauf gleich.

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Was folgte, war eine Schocktherapie für die Konkurrenz. Denn der harte Reifen galt eher als unbrauchbar für das Rennen. Die Mercedes-Piloten brannten jedoch eine schnelle Runde nach der anderen in den Asphalt.

Wäre alles nach Plan ohne die Safety-Car-Phasen gelaufen, hätte man diesen Reifen bis zum Schluss gefahren und sich so gegen Verstappen einen Stop gespart. "Wir wären nach unserer Rechnung nach Verstappens zweitem Stopp mit acht Sekunden in Führung gelegen. Das hätten wir verteidigen müssen. Max hätte sechs Runden vor Schluss auf uns aufgeschlossen", rechnete Mercedes-Teamchef Toto Wolff vor. Sein Kollege Christian Horner hatte andere Zahlen im Kopf. Red Bull berechnete den Zusammenschluss schon für 15 Runden vor der Zielflagge.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Niederlande - 4. September 2022
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Für Mercedes war der Sieg in Reichweite - wären nicht die Safety Car-Phasen dazwischen gekommen.

War es ein Fehler, Hamilton nicht an die Box zu holen?

Lewis Hamilton schäumte in Zandvoort vor Wut. Der 37-Jährige fühlte sich vom Mercedes-Kommandostand übergangen. Er sprach "vom größten Fehler seit Jahren." Die entscheidende Szene: Er wurde während der Safety-Car-Phase, die von Valtteri Bottas ausgelöst wurde, nicht an die Box zum Wechsel auf weiche Reifen geholt. Stattdessen ließ man ihn auf den acht Runden alten Medium-Reifen draußen, was ihm allerdings auch die Führung einbrachte.

Mit George Russell folgte Mercedes hingegen der Taktik von Max Verstappen, und Ferrari machte es mit dem viertplatzierten Charles Leclerc genauso. Es war klar, dass sich Hamilton schwer tun würde die Führung zu verteidigen. Aber da war ja auch noch Russell, der Verstappen mit Attacken seinerseits beschäftigen sollte.

Doch Hamilton wurde schnell zum Kanonenfutter. Gleich beim Re-Start schob sich Verstappen an ihm vorbei. Russell und Leclerc zogen später nach. Mit den Medium-Reifen hatte er keine Chance. Zudem zog er den Re-Start viel zu früh an und erlaubte es Verstappen so, aus dem Windschatten herauszuziehen. Plus: Hamilton erwischte nicht den richtigen Motor-Modus und klaute sich so Leistung.

Hamilton gab sich später reumütig. "Ich hatte echt Hoffnung, dass wir als Team einen Doppelsieg einfahren würden. Aber so wie es sich nach dem letzten Safety-Car und dem Platzverlust abgespielt hat, war ich mit meinen Gefühlen kurz vor dem Zusammenbruch. Ich weiß nicht einmal mehr, was ich über Funk gesagt habe und bin wohl für einen Moment ausgerastet."

George Russell - Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Niederlande - 4. September 2022
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Lewis Hamilton musste sich hinter George Russell anstellen.

Warum blieb Yuki Tsunoda stehen?

Die Szenen um Yuki Tsunoda waren äußerst kurios. Der Alpha Tauri-Pilot hatte zunächst das Gefühl, das etwas mit seinem Auto im hinteren Bereich nicht stimme. "Ich spürte nach dem Boxenstopp, dass es ein Problem mit dem Auto gab. Das Team konnte zu diesem Zeitpunkt nichts sehen und rief mich zum Reifenwechsel herein", sagte er. Da hatte Tsunoda bereits kurz angehalten und die Gurte gelockert. So fuhr er wieder an die Box zurück. Dort zogen die Mechaniker die Gurte wieder an und wechselten die Reifen. Für die lockeren Gurte gab es hinterher eine Verwarnung.

"Als ich jedoch wieder auf die Strecke ging, spürte ich immer noch, dass etwas nicht stimmte", sagte Tsunoda. "Das Team bestätigte dies über Funk und wir mussten das Auto abstellen." Aus der Untersuchung der Sportkommissare ging hervor, dass das Differenzial streikte. Tsunoda parkte das Auto so ungünstig, dass daraufhin das virtuelle Safety Car ausgerufen wurde. "Wenn es um den WM-Titel ginge, hätten wir eine Untersuchung verlangt", ärgerte sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Die fand statt. Ohne den Verdacht der Schützenhilfe erhärten zu können.

Yuki Tsunoda - Alpha Tauri - Formel 1 - GP Niederlande - 4. September 2022
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Yuki Tsunoda parkte den Alpha Tauri am Streckenrand mit Differenzialschaden.

Was lief bei Ferrari wieder schief?

Man mag es eigentlich kaum glauben. Ferrari stellte zu Beginn der Saison noch das überzeugendste Auto. Zuletzt machte sich das Top-Team aber mehr und mehr einen Namen als Komödiant. Bei der Häufung der Strategie-Fehler bleibt fast nur noch Kopfschütteln. Die Kirsche auf der Torte war das Missgeschick mit Carlos Sainz beim ersten Stopp. Der Spanier kam zum Service, doch der linke Hinterreifen lag nicht bereit. Der Stopp zog sich in die Länge und Sainz verlor rund neun Sekunden.

Er kam als Elfter wieder auf die Strecke und kämpfte sich bis auf den sechsten Platz vor. "Wir haben die Entscheidung zu spät getroffen", sagte Teamchef Mattia Binotto. "Da blieb keine Zeit mehr, um zu reagieren. Sicherlich sollte das nicht passieren, aber ich bin mir sicher, dass wir in dieser Hinsicht in Zukunft stärker sein können. Ich mache mir darüber weniger Sorgen als über das Tempo des Autos.

Es war nicht das einzige Problem in Sainz' Rennen. Beim Stopp in der Safety-Car-Phase krachte er beim Losfahren vom Boxenplatz beinahe mit dem von hinten heranfahrenden Fernando Alonso im Alpine zusammen. "Die späte Entscheidung zum ersten Boxenstopp hat uns natürlich viel Rennzeit gekostet, und danach bekam ich eine Strafe für ein Unsafe Release, obwohl ich in dieser Situation nichts anderes hätte tun können, da ich versuchte, einen McLaren-Mechaniker vor mir nicht zu treffen", verteidigte sich Sainz.

Die darauf folgende Fünf-Sekunden-Strafe kostete ihn den fünften Platz. Am Ende musste er sich nur mit Rang acht begnügen.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Niederlande - 4. September 2022
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In der Boxengasse wurde es zwischen Sainz und Alonso knapp.

Was war bei Mick Schumacher los?

Für Mick Schumacher begann der GP Niederlande von Startplatz acht viel versprechend. Zumal der Haas-Pilot derzeit um seinen Verbleib in der Formel 1 kämpft. In der Anfangsphase verlor er zwei Positionen auf der Strecke. Später folgte beim Boxenstopp ein technisches Problem.

"Wir hatten nicht die besten Boxenstopps – ich glaube, wir hatten ein Problem mit dem vorderen Wagenheber, der nicht herunterkam", sagte Schumacher. "Ich denke, das hat uns an diesem Wochenende aus dem Kampf um Punkte gebracht."

Spaß hatte Schumacher trotzdem. Er lieferte sich ein Duell mit seinem Kumpel Sebastian Vettel. Der kam am Ende vor ihm auf Platz 13 ins Ziel, musste aber eine Fünf-Sekunden-Strafe wegen Missachtung blauer Flaggen hinnehmen und landete so hinter Schumacher auf Rang 14.

In der Galerie zeigen wir noch einmal die Highlights des Rennens in Zandvoort.