Toro-Rosso-Chef Peter Bayer lobt Tsunoda
„Jedes Mal Fluchen kostet eine Zehntel“

GP Japan 2024

Yuki Tsunoda fährt aktuell in der besten Form seiner Karriere. Toro-Rosso-Geschäftsführer Peter Bayer erklärt im Gespräch mit auto motor und sport, was den Japaner aktuell so stark macht und warum sein Team das hintere Mittelfeld nach vier Rennen anführt.

Yuki Tsunoda & Peter Bayer - GP Japan 2024
Foto: Red Bull

Das Suzuka-Rennen hat nicht gut angefangen. Lag der verkorkste erste Start von Tsunoda nur am Reifenfaktor?

Bayer: Der Reifen hatte sicher einen großen Anteil. Wir sind beim Restart dann ja auch mit dem Soft losgefahren und genauso weggeballert wie die anderen beim ersten Start. Die Fahrer haben keinen Fehler gemacht. Wir müssen uns mal anschauen, ob es sonst noch Probleme gab.

War der zweite Start also eine Reaktion auf den ersten?

Unsere Highlights

Bayer: Wir wussten, dass die Gruppe vorne mit Medium losfahren wird. Das war mathematisch die schnellste Strategie. Wir hatten gehofft, dass die Autos hinter uns weniger relevant sind, und dass wir vorne mitfahren können, wenn wir nur die erste Kurve überstehen. Aber der große Vorteil der weichen Reifen hat dann gegen die ursprüngliche Strategie gesprochen und wir haben Yuki auf die Softs gesetzt.

Peter Bayer - GP Australien 2024
Red Bull

Bei Toro Rosso geht es wieder aufwärts. Geschäftsführer Peter Bayer sieht sein Team auf einem guten Kurs.

Tsunoda hat ein starkes Rennen mit tollen Manövern abgeliefert und er hat wie in Melbourne gepunktet. Verdient er ein Sonderlob?

Bayer: Das war absolut fehlerfrei, definitiv ein Meisterstück, was er da abgeliefert hat. Er hat überholt, was auf dieser Strecke nicht einfach ist. Gleichzeitig hat er seine Reifen nicht überfordert. Man hat vor allem in den letzten zehn Runden gesehen, wie konstant er war. Da ging es höchstens mal ein Zehntel rauf und runter. Das zeigt, dass er alles unter Kontrolle hatte. Natürlich muss man auch unsere Mechaniker-Crew hervorheben. Die haben mit dem schnellen Boxenstopp den Mega-Impuls gegeben. Dass man beim Boxenstopp andere überholt, so etwas gab es eigentlich nur früher, als das Auftanken noch erlaubt war.

Tsunoda hat sich direkt über Funk bei der Crew bedankt. Man hört ihn kaum noch schimpfen. Ist da eine positive Entwicklung zu erkennen?

Bayer: Absolut. Wir haben zu dem Thema viel Zeit mit ihm verbracht. Ich bin eigentlich Fan von emotionalen Fahrern und emotionalen Athleten, aber wir haben ihm erklärt, dass jedes Mal Fluchen eine Zehntelsekunde kostet. Und das in diesem engen Sport. Er ist zum Glück so ehrgeizig, dass er gemerkt hat, wie wichtig das Thema ist. Yuki hat sich über den Winter auch physisch unglaublich verbessert. Daraus zieht er viel Kraft. Er hat einen neuen Physiotherapeuten im Team, der sehr viel Erfahrung hat und ihm sehr guttut. Der macht mit ihm auch viele neue Dinge. Ich möchte nicht zu viel aus dem Nähkästchen plaudern, aber sie spielen jetzt zum Beispiel Pingpong. Er schafft es, Yuki so einzustellen, dass er selbst bei dem verrückten Trubel vor dem Start fokussiert und ruhig bleibt.

Im Qualifying konnte man sich klar als vorderes Mittelfeld-Team etablieren. Im Rennen gab es den einzigen Punkt hinter den Topteams. Wie zufrieden sind Sie generell mit der Pace des Autos?

Bayer: Positiv ist, dass wir mit definitiv mit Stroll mithalten können. Die Astons hatten ja ein großes Upgrade dabei. Deshalb konnten wir schon zufrieden sein. Auf dem Papier hätte uns die Strecke eigentlich nicht so liegen sollen. Wir wussten vorher, dass es nicht ganz einfach wird. Aber die Pace war da. Wir konnten uns erfolgreich gegen die Verfolger wehren. Stroll kam selbst mit DRS nicht vorbei. Wir haben ein bisschen an unserem Defizit, den Highspeed-Kurven, gearbeitet. Insgesamt war es ein weiterer Schritt nach vorne.

Yuki Tsunoda & Peter Bayer - GP Japan 2024
Red Bull

Yuki Tsunoda holt aktuell für Toro Rosso die Kohlen aus dem Feuer.

Hat da auch der neue Unterboden geholfen?

Bayer: Der ist eher ein Thema für die langsamen Strecken, die jetzt demnächst auf uns warten. In Suzuka gab es nur ein paar langsamere Ecken. Da haben wir gemerkt, dass wir noch etwas an der Abstimmung arbeiten müssen.

Noch ein kurzes Wort zum Startunfall von Daniel Ricciardo. Kann man da einem Fahrer die Schuld geben?

Bayer: Für mich war das ganz klar ein normaler Rennunfall, wie er im engen Feld in der ersten Runde immer passieren kann. Die Soft-Reifen hatten so einen Gripvorteil, dass Albon vielleicht etwas übermütig war. Da hat er versucht, sich in einer schnellen Kurve außen zu positionieren. Da gab es keinen Platz und eigentlich nichts zu gewinnen.

Wer ist im Mittelfeld aktuell der erste Gegner? Wo kommt die größte Gefahr her?

Bayer: Wir sind da alle momentan extrem eng zusammen. Sei es Sauber oder Haas – da schenken wir uns nicht viel. Auch Williams ist direkt dran, wenn die einen guten Tag haben. Alpine tut sich vielleicht aktuell am schwersten. Wir haben jetzt zwei Mal vom Team her das Rennmanagement und die Strategie perfekt hinbekommen. Das braucht man, um am Ende den Punkt zu machen. Wenn uns mal ein Fehler unterläuft, dann wird sich das wieder ausgleichen. Für uns ist es wichtig, zur Stelle zu sein, wenn die fünf vorderen Teams mal was übrig lassen. Wenn die alle ins Ziel kommen, wird es schwer mit Punkten – außer wir schaffen es mal, den Stroll zu knacken. Aber wenn der sich besser im Qualifying positioniert, wird das auch schwierig.

Daniel Ricciardo - Formel 1 - GP Japan 2024
Motorsport Images

Daniel Ricciardo ist dieses Jahr noch unglücklich unterwegs.

Mit Shanghai wartet nun eine ganz andere Strecke. Dazu ist es auch noch das erste Sprintwochenende. Kann das eine Chance bieten?

Bayer: Erst einmal freuen wir uns, dass es jetzt losgeht mit den Sprintrennen. Ich glaube, die sind für den Sport eine Bereicherung. Die Fans freuen sich über das zusätzliche Entertainment. Wir glauben, dass die Strecke uns etwas besser liegt als Suzuka. Dazu sollte auch der neue Unterboden auf dieser Art Strecken helfen. Dass wir schon in Suzuka so gut waren, kam etwas überraschend. Deshalb feiern wir diesen Punkt wie einen kleinen Sieg.

Die meisten Teams planen ein großes Paket zum Europa-Auftakt. Ist das bei Ihnen auch der Fall oder kommen die neuen Teile eher scheibchenweise?

Bayer: Unser Ansatz ist es eher, konstant zu entwickeln und die positive Kurve auf der Aero-Seite fortzuführen. Da sind es eher mehrere kleinere Upgrades.

Können Sie mit dem neuen Auto schneller Fortschritte machen als in der vergangenen Saison, als die Entwicklung erst am Ende des Jahres Fahrt aufgenommen hat?

Bayer: Das ist absolut der Fall. Die Kurve steigt jetzt linear an. Man kämpft sich von Wochenende zu Wochenende. Was viel bringt ist, dass wir das Auto besser verstehen. Wir haben ja auch viele neue Leute im Ingenieursteam und die Struktur etwas umgestellt. Dadurch können wir mit dem Auto besser umgehen. Es hilft uns auch, dass wir uns verstärkt der Simulator-Thematik widmen. Da möchte ich vor allem die Arbeit von Ayumu Iwasa im Simulator erwähnen. Deshalb war es sehr wichtig für uns, dass er in Suzuka auch mal das echte Auto spürt. Damit kann er uns dann bei den nächsten Events ein besseres Feedback geben, wenn wir ihm die Daten des Autos schicken. Momentan läuft vieles richtig für uns. Aber man darf sich nicht ausruhen. Es ist einfach so eng.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

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