Geschichte des Red-Bull-Juniorteams
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Mit Sebastian Vettel und Max Verstappen hat das Red-Bull-Juniorteam schon zwei Weltmeister hervorgebracht. Talentspäher Helmut Marko erklärt, wie das Programm entstanden ist und nach welchen Auswahlkriterien junge Piloten gefördert werden.

Sebastian Vettel - Formel BMW 2004
Foto: Motorsport Images

Der Aufstieg in die Formel 1 ist steinig und teuer. Das war auch schon zu Beginn dieses Jahrtausends so, als Red Bull sein Junior-Team ins Leben rief. Bereits zuvor hatte der Energy-Drink-Hersteller begonnen, einzelne Piloten zu unterstützen. Der Ende Oktober verstorbene Firmenpatriarch Dietrich Mateschitz und seine thailändischen Miteigentümer traten als Mäzene von ausgewählten Talenten auf.

Damals wurden nach dem Gießkannenprinzip junge Fahrer aus aller Herren Länder unterstützt. Bei den Auswahlkriterien standen die Vermarktungsmöglichkeiten zunächst oftmals noch vor Talent und Potenzial. Erst mit der offiziellen Gründung des Junior-Teams wurde die zersplitterte Jugendförderung zentralisiert und professionalisiert.

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Mit dem Aufbau der eigenen Formel-1-Rennställe Red Bull Racing (2005) und Toro Rosso (2006) bekam die Talentschmiede dann eine neue Ausrichtung. "Da hat sich die Zielsetzung unseres Programms geändert. Wir haben nur noch Leute genommen, die das Potenzial besitzen, einen Grand Prix zu gewinnen", erklärt Helmut Marko, der im Red-Bull-Imperium für die Auswahl der Junioren zuständig ist.

Beim Le-Mans-Sieger von 1971 stehen die Youngster Schlange. Doch nicht jeder bekommt die begehrte Förderung. Das wichtigste Kriterium sei der Speed, so Marko. "Und dann kommt es auch auf die Einstellung an. Da stellt sich manchmal die Frage, ob der Vater ehrgeiziger ist als der Bub. Ich habe schon erlebt, dass man dem Jungen eine Frage stellt und die Eltern antworten. Auch in jungen Jahren muss man Selbstbewusstsein und eine gewisse Rücksichtslosigkeit haben. Das Gesamtpaket muss stimmen. Und wie überall gilt: ohne Fleiß, kein Preis. Das wird mit der heutigen Datenflut noch wichtiger."

Red Bull Junior-Team 2002 - Helmut Marko & Sebastian Vettel
Motorsport Images
2002 nahm Helmut Marko vor allem Österreicher in sein Junior-Team auf - und einen Heppenheimer namens Sebastian Vettel (unten rechts). Damals besaß Red Bull noch keine F1-Rennställe.

Weltmeister und Grand-Prix-Sieger

Das Scouting der Talente beginnt schon im Kart-Bereich. Bei Red Bull warten die Verantwortlichen aber in der Regel lieber etwas länger, bis ein aussichtsreiches Talent ins Boot geholt wird: "Im Kart-Bereich engagieren wir uns wenig, oder nur ganz selten", verrät Marko. "Da kam es früher teilweise extrem auf das verwendete Material an. Das ist inzwischen aber etwas professioneller und besser vergleichbar geworden."

Problematisch sei auch das geringe Alter, erklärt der Steirer: "Die Burschen sind im Kart noch verdammt jung. Dann kommt die erste Freundin und man weiß vorher immer nicht, ob der entsprechende Wille auch vorhanden ist, damit es mit der Karriere weitergeht. Deshalb steigen wir meistens erst im Formelsport mit der Förderung ein."

Die Bilanz spricht eine eindeutige Sprache. Mit Sebastian Vettel brachte 2010 zum ersten Mal ein F1-Nachwuchsprogramm einen Weltmeister hervor. Mit Max Verstappen befindet sich nun schon der zweite Champion im Stall. Auch Grand-Prix-Sieger wie Daniel Ricciardo, Carlos Sainz und Pierre Gasly fanden dank der Unterstützung von Red Bull ihren Weg in die Königsklasse.

Die immer wieder angebrachte Kritik, dass man sich im Falle des Misserfolgs schnell von Piloten trennt, will Marko nicht gelten lassen: "Fast alle Fahrer bleiben nach ihrer Zeit bei uns im Rennsport tätig und verdienen mehr Geld als in normalen Berufen. Sie können von dem Sport leben, den sie lieben. Und über uns wird geschimpft, weil nicht alle in der Formel 1 fahren."

Enzo Tarnvanichkul & Helmut Marko - 2022
Red Bull
Enzo Tarnvanichkul ist das jüngste Mitglied im aktuellen Red-Bull-Kader. Der Thailänder ist gerade einmal 13 Jahre alt.

Von Vettel bis Tarnvanichkul

Sebastian Vettel war wie erwähnt der erste Fahrer, der die Investitionen mit einem Titel zurückzahlte. Der Heppenheimer ist Marko schon früh ins Auge gefallen: "In der Formel BMW hat er 2004 in 20 Rennen 18 Siege gefeiert. Aber danach war er unzufrieden, weil er die fehlenden zwei Rennen auch noch gerne gewonnen hätte. Sein Vater hat sich im Hintergrund bemüht, die Karriere am Laufen zu halten. Der hat alles unterschrieben, was ein bisschen Geld gebracht hat."

Also entschied man sich bei Red Bull, dem ehrgeizigen Teenager unter die Arme zu greifen. "Er hat schon in einem jungen Alter mit einer unglaublichen Akribie gearbeitet. Ich kann mich erinnern, dass er nach Graz zu Gesprächen kam und zwei Blumensträuße im Auto hatte. Er wollte noch zu BMW fahren und den Sekretärinnen Blumen mitbringen. Sebastian hat sehr auf solche Details geachtet. Er wusste in seiner Karriere immer, wer in dem Spiel eine Rolle spielen könnte."

Mittlerweile haben alle großen Formel-1-Teams eine professionelle Junior-Förderung nach dem Red-Bull-Vorbild aufgebaut. Die Konkurrenz erleichtert Talentspäher Marko nicht gerade die Arbeit. Seit Max Verstappen ließ die Trefferquote etwas zu Wünschen übrig. Wer den nächsten Weltmeister finden will, muss heute mehr ins Risiko gehen und früher zuschlagen.

Das hat man auch bei Red Bull erkannt. Im Alter von gerade einmal 13 Jahren stieß zuletzt Nong Enzo Tarnvanichkul als jüngstes Mitglied zum Nachwuchskader. In diesem Fall durfte Marko nicht zu lange zögern. Den frisch gebackenen FIA-OK-Junior-Kart-Weltmeister hatte sicher auch die Konkurrenz auf dem Zettel. Als gebürtiger Thailänder kann der Youngster nun auf die volle Unterstützung der Red-Bull-Eigentümer aus seinem Heimatland bauen. Selbst Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha gratulierte dem Teenager zur Beförderung.