Red Bull RB20 (2024) vs. Mercedes W14 (2023)
Hat Newey den Silberpfeil kopiert?

Der neue Red Bull RB20 zeigt viele interessante Elemente, die wir schon vom Vorjahres-Mercedes kennen. Wir vergleichen die beiden Autos und zeigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Als die ersten verschwommenen Bilder vom Red-Bull-Filmtag in Silverstone auftauchten, konnte man kaum glauben, was sich da andeutete. Letzte Saison hatte die Entwicklungsmannschaft um Adrian Newey noch Seitenkästen gebaut, bei denen sich die Unterlippe der Kühlöffnung weit nach vorne schiebt. Viele Konkurrenten kopierten die Idee bei ihren 2024er-Modellen. Doch schon ein Jahr später verabschiedete sich Red Bull von diesem Design und ging einen ganz anderen Weg.

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Bei der Vorstellung des RB20 wurden zwar nicht alle Geheimnisse gelüftet, man konnte aber immerhin schon erkennen, dass sich der obere Rand der Seitenkästen außen an der Cockpitwand weit nach vorne zieht. Im Prinzip ist es die gleiche Idee, die auch Mercedes in den ersten beiden Jahren der Ground-Effect-Ära probierte. Hier hing das flache Element zunächst frei in der Luft. Erst mit dem Monaco-Upgrade 2023 wurde es komplett in den restlichen Seitenkasten integriert.

Mercedes W13 - Bahrain-Test  -  2022
ams

Vertikale Kühleinlässe kennen wir schon vom Mercedes W13.

S-Schacht oder Kühleinlass?

Auf den ersten Red-Bull-Bildern ist außerdem zu erkennen, dass sich unter dem Seitenkasten-Vorbau ein vertikaler Schlitz befindet. Dieser ähnelt etwas der S-Schacht-Hutze von Ferrari. Die Scuderia hatte schon 2023 die Luft an der Seite des Cockpits eingeleitet, um sie dann weiter oben wieder auszublasen. Dieses Feature trägt auch der neue SF-24. Einen Auslass kann man bei Red Bull allerdings nicht erkennen.

Weil der Schlitz deutlich größer ist als bei Ferrari, glauben einige Experten auch, dass über diese Öffnungen auch Luft zu den Kühlern geleitet werden könnte. Ein vertikaler Lufteinlass ist ungewöhnlich, wäre aber auch keine Neuerfindung. Den hatte Mercedes schon beim Zero-Pods-Konzept des alten W13. Im Vorjahr schwenkte man dann auf eher rundliche Öffnungen um. Für die Saison 2024 wurde nun erneut umgebaut. Mittlerweile sind die Kühleinlässe wie ein P geformt.

Während der vordere Bereich des Seitenkastens dem Mercedes W14 ähnelt, sind weiter hinten deutliche Unterschiede auszumachen. Der RB20 ist auf der Außenseite deutlich bauchiger. Zum Unterboden entsteht ein tieferer Einschnitt, durch den die Luft nach hinten geführt wird. Auch an der Oberseite wählte das Newey-Team eine andere Form. Die Rampe des Red-Bull-Seitenkastens fällt steiler ab und trifft damit früher auf den Unterboden.

Mercedes W14 vs. Red Bull RB20
Red Bull / AMS

Das Vergleichsbild zeigt gut, dass sich der Seitenkasten vorne und die Wulst an der Motorhaube oben ähnlich sind. Der hintere und der untere Teil des Seitenkastens weisen aber auch starke Unterschiede auf.

Ausgestellte Motorhaube

An der Oberseite der Motorhaube gibt es dann wieder eine starke Ähnlichkeit zwischen dem alten Silberpfeil und dem neuen Red Bull. In verlängerter Linie des Halo-Bügels ragt die Verkleidung wulstartig nach außen. Dadurch entsteht innen eine tiefe Rinne. Bei der Red-Bull-Kopie fällt die Motorhaube zum Heck hin aber stärker ab als beim Original. Interessant ist, dass die Schultern beim neuen Mercedes jetzt wieder deutlich weniger stark nach außen ragen als noch beim Vorgängermodell.

Der dritte Bereich, in dem sich die Autos der beiden Erzrivalen ähneln, ist die Nase. Red Bull setzte hier in den ersten beiden Jahren der Ground-Effect-Ära auf eine kurze Nasenspitze, die auf dem zweiten Element des Frontflügels andockte. Bei Mercedes ragte die Frontpartie in den letzten beiden Saisons jeweils bis ganz nach vorne auf das Hauptblatt.

In der Saison 2024 schwenken beide Teams auf den Weg des jeweils anderen um. Jetzt hat Red Bull die längere Nase, Mercedes lässt das Hauptblatt frei in der Luft schweben. Das gleiche Konzept wie der aktuelle Silberpfeil verfolgen auch noch sieben weitere Autos. Das einzige Modell des Jahrgangs 2024, das mit der langen Nase noch auf der Red-Bull-Linie liegt, ist der Alpine A524.

Mercedes W14 - Nase - 2023
xpb

Die Mercedes-Nase ragte 2023 noch bis ganz auf das Hauptblatt. Der neue W15 hat eine verkürzte Frontpartie, die am zweiten Element endet. Red Bull ging mit dem Modellwechsel genau den umgekehrten Weg.

Keine bewusste Kopie

Man bekommt fast das Gefühl, dass Red Bull mit seiner Konstruktion die Gegner trollen will. Kaum hat die Konkurrenz das Vorjahresmodell kopiert, geht Adrian Newey in eine andere Richtung. Dass man nun in mehreren Details dem W14 von Mercedes ähnelt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Als wollte man bewusst zeigen, dass man dort Erfolg hat, wo die Konkurrenz gescheitert ist.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: "Da steckt sicher keine besondere Taktik dahinter. Wir würden es nicht so bauen, wenn es nicht besser wäre. Dabei geht es nur um die Performance. Alles basiert auf unseren Simulationswerkzeugen. Erst die Stoppuhr wird uns zeigen, ob es die richtige Entscheidung war." Bei Mercedes wird man das Experiment sicher mit besonderem Interesse beobachten.