Stallregie-Historie
Stallregie hat lange Tradition in der Formel 1

Es ist der Aufreger des GP Deutschland. Ferrari spielt Fernando Alonso auf Sieg. Felipe Massa musste zurückstecken. Stallregie ist so alt wie die Geschichte der Formel 1. Es gab offensichtliche und versteckte Eingriffe. Wir haben einige bekannte und unbekannte Fälle aufgelistet.

Schumacher und Barrichello - Indianapolis 2002
Foto: xpb

Die erste Stallregie gab es schon im Gründungsjahr der Formel 1. Sie wurde nicht ganz so plump abgewickelt wie die von Ferrari am Wochenende in Hockenheim, und sie blieb einem Millionenpublikum verborgen, weil es 1950 noch keine Liveübertragungen gab. Erst Fachzeitschriften haben später davon berichtet.

Die Marke, die 1950 den Weltmeister stellen würde, stand von vornherein fest. Die Alfa Romeo waren haushoch überlegen. Trotzdem wünschte sich der Mailänder Rennstall einen Weltmeister aus Italien. Nino Farina bekam deshalb für das Finale einen stärkeren Motor als sein Teamkollege Juan-Manuel Fangio. Die Vorsichtsmaßnahme erwies sich im Nachhinein als überflüssig. Fangio fiel nach 23 Runden mit einem Getriebeschaden aus. Farina wurde wie bestellt der erste Weltmeister der Geschichte.

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Peter Collins freiwillig Opfer von Stallregie

1956 machten die Ferrari-Piloten Peter Collins und Juan-Manuel Fangio ihre eigene Stallregie. Nur die beiden hatten beim letzten Rennen in Monza noch Titelchancen. Nachdem Fangio seinen Ferrari-Lancia mit einem Defekt hatte abstellen müssen, wäre die Sache für Collins eigentlich gelaufen gewesen.

Doch der Engländer war noch ein echter Gentleman. Er trat sein Auto aus eigenem Antrieb an Fangio ab. Fahrerwechsel waren damals noch erlaubt. So konnte der Maestro seinen vierten WM-Titel holen. Ferrari hatte damals keinen Einfluss auf die Entscheidung. Es gab auch nicht den Wunsch, dass Fangio Weltmeister werden musste. Der große Argentinier und Enzo Ferrari hatten ein eher etwas angespanntes Verhältnis, was Ende 1956 auch dazu führte, dass Fangio den Rennstall verließ.

Mario Andretti beansprucht 1978 Nummer-eins-Status

Erst 1978 machte das Wort Stallregie wieder die Runde. Ronnie Peterson hatte bei Lotus einen Nummer-zwei-Vertrag unterschrieben. Weil es Mario Andretti so wollte, und weil Lotus-Chef Colin Chapman von der Saison 1973 geheilt war. Damals ließ er seine Fahrer Emerson Fittipaldi und Ronnie Peterson gegeneinander antreten. WM-Konkurrent Jackie Stewart sagte danke. Fittipaldi und Peterson nahmen sich gegenseitig die Punkte weg.

Das sollte 1978 nicht mehr passieren. Zum Glück für Chapman musste Andretti seine Nummer-eins-Position im Rennen nur ein Mal in Anspruch nehmen. Beim GP Holland brach am Lotus des Amerikaners der Auspuff. Peterson stellte sich loyal hinter seinem Teamkollegen an und scherzte im Ziel: "Du warst so langsam, dass ich Bremsprobleme bekam, um dir nicht ins Auto zu fahren."

Ferrari will Champion 1979 in Monza küren

Ein Jahr später herrschte beim WM-entscheidenden GP Italien zwischen den Ferrari-Piloten Jody Scheckter und Gilles Villeneuve ein Nichtangriffspakt. Der Commendatore wollte, dass der Champion in Monza gekrönt würde. Und das konnte an diesem Tag nur Scheckter sein. Villeneuve leistete das ganze Rennen über brav Geleitschutz, obwohl er schneller als sein südafrikanischer Kollege hätte fahren können.

Carlos Reutemann unterschrieb für die Jahre 1980 und 1981 bei Williams einen ähnlichen Vertrag wie Ronnie Peterson 1978 bei Lotus. Der Argentinier wusste: Der Boss im Team heißt Alan Jones. 1981 in Rio kam es zum Eklat. Trotz eindeutiger Stallregie-Boxensignale JON-REU ließ sich Reutemann nicht zum Platztausch bewegen. Er behauptete hinterher, er habe in der Gischt die Boxentafel nicht lesen können. Damals war Stallregie noch erlaubt.

Reutemanns Ungehorsam sollte ihn teuer zu stehen kommen. Für Jones war der Argentinier fortan der Feind im Team. Obwohl Reutemann in der WM deutlich besser platziert war als Jones, konzentrierte sich bei Williams alles auf die Nummer eins im Stall. Reutemann wurde im WM-Kampf mit Nelson Piquet und Jacques Laffite vernachlässigt. Am Ende ging der Titel an Piquet.

Arnoux hält sich 1982 nicht an Stallregie

Alain Prost fühlte sich 1982 bei Renault ebenfalls als Nummer eins. René Arnoux wollte das nicht wahrhaben und stahl seinem Landsmann beim GP Frankreich den Sieg. Der gefrustete Prost stellte seinen Arbeitgeber daraufhin vor die Wahl: Entweder Arnoux oder ich. Arnoux musste am Jahresende das Team verlassen.

Nelson Piquet hätte 1986 und 1987 am liebsten eine Stallregie zu seinen Gunsten gegen Teamkollege Nigel Mansell gehabt. Williams aber verweigerte sie und verschenkte so 1986 den WM-Titel an Alain Prost und McLaren.

Williams 1992: Nigel Mansell soll gewinnen

1992 ließ sich Williams dann doch einmal dazu herab, per Stallregie in das Renngeschehen einzugreifen. Beim GP Frankreich, der wegen eines Regengusses in zwei Teilen abgehalten wurde, wollte Williams, dass Nigel Mansell gewinnt. Stallrivale Riccardo Patrese zeigte sich im ersten Teil des Grand Prix ungehorsam und führte vor Mansell. Vor dem Re-Start wies Technikchef Patrick Head den Italiener auf seine Pflichten hin: "Du weißt, was du zu tun hast. Nigel soll heute gewinnen." Beim gleichen Grand Prix ein Jahr später, stand Williams erneut im Verdacht. Damon Hill ließ seinem Teamkapitän Alain Prost ein bisschen zu offensichtlich den Vortritt.

1997 und 1999 wurde Stallregie anders verstanden. Die Nummer zwei wurde als Abschirmdienst für die Nummer eins abgesetzt. Ferrari exerzierte es erstmals beim GP Japan vor. Eddie Irvine war dazu abgestellt, Michael Schumachers WM-Rivalen Jacques Villeneuve aus dem Konzept zu bringen. Irvine wartete ab, bis Schumacher zwischen ihm und Villeneuve lag. Dann ließ er den Chefpiloten vorbei und klemmte den Williams-Piloten ab, und zwar solange, bis Schumachers Vorsprung groß genug war.

Schumacher als Abschirmdienst für Irvine

Zwei Jahre später leistete Schumacher bei seinem Comebackrennen nach dem Beinbruch in Malaysia ähnliche Dienste für Eddie Irvine. Die beiden tricksten im Zusammenspiel Irvines WM-Gegner Mika Häkkinen aus.

Rubens Barrichello wurde in den goldenen Ferrari-Jahren von Schumacher komplett zum Spielball der Scuderia. Der Brasilianer musste 2001 beim GP Österreich bereits den zweiten Platz zugunsten des Deutschen abtreten. Ein Jahr später kam es zur Schande vom A1-Ring. Ferrari-Rennleiter Jean Todt befahl Barrichello beim sechsten von 17 Grand Prix die Führung an seinen Stallgefährten abzugeben.

"Let Michael pass for the championship!"

Die Maßnahme erntete deshalb so viel Unverständnis, weil sich der Ferrari in den ersten sechs Rennen als das haushoch überlegene Auto erwiesen hatte. Vier der ersten fünf Rennen hatte Schumacher gewonnen. Todts Funkspruch wurde berühmt: "Let Michael pass for the championship!" Der öffentliche Druck veranlasste die FIA zu zwei Maßnahmen: Zum ersten wurde Ferrari zu einer Strafe von einer Million Dollar verdonnert. Zum zweiten schrieb der Verband ein Verbot von Stallregie in seinem Sportgesetz fest. Es handelt sich um Paragraf 39.1.

Das hinderte Ferrari allerdings nicht daran, auch in Zukunft bei Bedarf korrigierend in die Reihenfolge einzugreifen, nur etwas geschickter. Barrichello bekam in der Folge mindestens einen GP-Sieg als Zeichen der Wiedergutmachung geschenkt.

Mclaren vernachlässigt Fernando Alonso

2007 kam McLaren ins Gerede. Nachdem Fernando Alonso sein eigenes Team im Zuge des Spionagefalls bei der FIA verpfiffen hatte, liefen in den letzten vier Rennen die Uhren nur noch für Lewis Hamilton. Beim GP China war der Kommandostand so fixiert darauf sicherzustellen, dass Hamilton vor Alonso ins Ziel kommt, dass man den Engländer viel zu lange mit abgefahrenen Reifen auf der Piste ließ. Der flog dann prompt in der Boxeneinfahrt ins Kiesbett. Kimi Räikkönen sagte Danke und brachte sich mit einem Sieg zurück ins Titelrennen.

Umgekehrt musste Felipe Massa den Finnen beim Finale in Brasilien beschatten, um dessen Titel nicht mehr zu gefährden. Massa schenkte zum Wohle des Teams seinen Heimsieg her. Ein Jahr später zahlte Räikkönen zurück, als es darum ging, Massa zum Meister zu küren. Alle Schützenhilfe schlug fehl, weil Lewis Hamilton ein fünfter Platz zum Titelgewinn reichte.

Stallregie-Befehl wird codiert

Das Verbot der Stallregie bringt es mit sich, dass die Teams zum Tricksen, Täuschen und Lügen gezwungen sind. Direkte Befehle zum Platztausch sind untersagt. Deshalb werden bei einigen Teams Regieanweisungen vorab besprochen. Oder man sendet bei Bedarf verschlüsselte Meldungen an die Fahrer. Wer die Formel 1 in den letzten Jahren ein bisschen verfolgt hat, der kennt das berühmte Kommando, dass einer Teamorder gleichkommt: "Dein Teamkollege ist schneller als du", heißt übersetzt: "Lass ihn überholen."

Wer glaubt, solche Befehle seien ein Einzelfall, der irrt. Es kommt bei fast jedem fünften Rennen ein Mal vor, dass der Kommandostand auf diese Weise eine Ergebniskorrektur anordnet. Meistens aus taktischen Überlegungen. Wenn der Hintermann schneller ist, wird er in der Regel auch vorbeigewunken. Die verlorene Zeit könnte sich später ja bei einem Boxenstopp rächen. Oft passieren solche Eingriffe irgendwo im Mittelfeld. Weil es keinen interessiert, fällt es auch keinem auf.

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