Technik-Analyse Ferrari SF-24
Ingenieure hören auf Fahrer

Ferraris Technikabteilung ließ sich bei der Konstruktion des neuen SF-24 von zwei Dingen leiten. Den Kommentaren der Fahrer und den Erkenntnissen aus Informationen über den Red Bull RB19.

Ferrari SF-24 - Shakedown Fiorano - Formel 1 - 2024
Foto: Ferrari

Im ersten Jahr der Groundeffect-Ära war der Ferrari mit seinen wuchtigen Seitenkästen, seiner schlanken Motorabdeckung und seiner spitzen Nase eines von vier unterschiedlichen Konzepten. Letztes Jahr nur noch eines von zwei. Doch bereits mit dem ersten Upgrade des SF-23 näherte sich auch der Ferrari immer mehr dem Red Bull an. Nur die Geometrie von Chassis und Getriebe standen den Ferrari-Ingenieuren bei dem im Weg, was sie jetzt mit dem SF-24 auf die Räder gestellt haben.

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Technikdirektor Enrico Cardile und seine Mannschaft ließen sich bei der Konstruktion des neuen Autos von zwei Dingen leiten. Vom Konzept des Red Bull RB19 und von den Kommentaren seiner Fahrer. "Wir haben unseren Fahrern in ihrem Feedback zum Auto genau zugehört und dann versucht, dafür technische Lösungen zu finden."

Einer der Kritikpunkte der Piloten war das unberechenbare Fahrverhalten des Autos. An guten Tagen, wenn das Streckenlayout, die Asphaltbeschaffenheit, die Windrichtung und die Temperaturen passten, konnte der Ferrari so schnell sein wie ein Red Bull. Doch immer dann, wenn sich die Bedingungen änderten, sahen Charles Leclerc und Carlos Sainz nur noch das Auspuffrohr des Meisterautos. Das war meistens am Sonntag der Fall.

Ferrari SF-24 - Shakedown Fiorano - Formel 1 - 2024
Ferrari

Ferrari baute ein neues Monocoque und ein neues Getriebe, um mehr Freiraum für die Aerodynamik zu schaffen.

Fahrwerk gleich und doch anders

Für Cardile stand damit das Konstruktionsziel fest: "Wir wollten unseren Fahrer eine stabile Plattform hinstellen, auf die sie sich verlassen können. Vertrauen ist auch Rundenzeit. Und wir wollten mit dem SF-24 eine robuste Basis für die Weiterentwicklung schaffen."

Ferrari ist es egal, dass viele Fans ein bisschen enttäuscht waren, als der Vorhang fiel. Der Ferrari SF-24 folgt einem konservativen und pragmatischen Ansatz. Viele Designelemente und Formen des Autos erinnern an den Red Bull. Auch eine unsichtbare. Das Chassis ist länger, das Getriebe kürzer, beide Elemente sind unten zugespitzt, um den Aerodynamikern mehr Freiheiten beim Einzug der Seitenkästen und der Gestaltung des Diffusors zu geben.

Die Aufhängungsphilosophie blieb gleich. Vorne Pushrod, hinten Pullrod. Cardile präzisiert: "Wir haben andere Fahrwerksgeometrien untersucht. Aber der Schwerpunkt unserer Entwicklungsarbeit lag darin, die Strömung auf und unter dem Boden besser zu kontrollieren. Das konnten wir auch mit unserem bekannten Aufhängungslayout."

Ganz identisch sind die Aufhängungen im Vergleich zum Vorgänger nicht. Während die Vorderachse dem SF-23 folgt, hat sich hinten ein entscheidender Punkt geändert, der allerdings nicht sichtbar ist. Drehstabfedern ersetzen Tellerfedern, und sie sind im neuen Getriebegehäuse anders angeordnet als in der Vergangenheit.

Ferrari SF-24 - Shakedown Fiorano - Formel 1 - 2024
Ferrari

Die neue Hinterradaufhängung soll mehr Stabilität bringen.

Quantensprung für Ferrari

Das große Aha-Erlebnis blieb aus. Spektakulär sind nur ein paar Details wie der Ansatz vom Halo zum Chassis oder die Form des Bodens im vorderen Bereich, wo der höhere Ansatz der Seitenkästen und das Tieferlegen der unteren Crashstruktur den Aerodynamikern deutlich mehr Platz gab als zuvor.

Cardile streicht dennoch heraus, dass der SF-24 für das Konstruktionsbüro in Maranello ein Quantensprung war. "Wir haben mit unserer Design-Tradition der letzten beiden Jahre gebrochen und damit praktisch jeden Bereich des Autos neu gestaltet. Es ist keine Red-Bull-Kopie. Wir haben unseren eigenen Weg eingeschlagen. Der SF-24 wurde mit dem Ziel gebaut, dass er einfach zu fahren und berechenbarer ist. Das hat ein anderes Aerodynamikprofil verlangt. Mit dem alten kamen wir nicht mehr weiter."

Die ersten Eindrücke der Fahrer im Simulator bestätigen, dass die Ingenieure gute Arbeit geleistet haben. "Es sieht so aus als wären wir dort, wo wir hin wollten", erklärte Charles Leclerc. Das macht Cardile Mut: "Im letzten Jahr hat sich gezeigt, dass unsere Simulationen nah an der Realität waren."

Ferrari SF-24 - Shakedown Fiorano - Formel 1 - 2024
Ferrari

Ferrari will auf den Geraden noch schneller werden. Dabei hilft auch eine neue Generation von effizienten Heckflügeln.

Neue Heckflügel-Familie für mehr Top-Speed

Probleme mit dem Bouncing erwartet Cardile nicht mehr. "Wir hatten es letztes Jahr schon ganz gut im Griff, weil wir ein Verfahren entwickelt haben, mit dem wir relativ zuverlässig voraussagen können, unter welchen Umständen das Bouncing eintritt und wie nah wir uns an diesen Bereich heranwagen können, ohne dass sich das Auto aufschaukelt."

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entstehungsgeschichte des SF-24 war die aerodynamische Effizienz. Die Ferrari zählten 2023 zwar zu den schnelleren Autos auf den Geraden, doch das war auch ein Verdienst des Motors, den viele nach wie vor als den stärksten im Feld halten. "Um unseren Motor besser zur Geltung kommen zu lassen, sind wir mit dem Heckflügel neue Wege gegangen, auch um den DRS-Effekt zu vergrößern."

Der bei der Präsentation gezeigte Flügel mit großem Flap und den hinter dem oberen Querlenker der Hinterachse gestaffelten Beam-Wing-Elementen ist die Version für mittleren Abtrieb. "Die Flügelvarianten für die anderen Streckentypen kommen im Lauf der Saison." Das erste Upgrade für den SF-24 konnte man schon beim Shakedown in Fiorano sehen. Ferrari testete zwei verschiedene Motorhauben im direkten Vergleich.

Dass Ferrari erst im dritten Jahr der Groundeffect-Regeln auf das Konzept des Weltmeisterautos einschwenkt, ist per Definition ein Nachteil, allerdings erinnert Cardile: "Wir haben schon Mitte der Saison 2023 mit der Kehrtwende begonnen." Und weil er darauf besteht, dass dieser Ferrari seine eigene Handschrift trägt, hofft man in Maranello darauf, dass man auf die bessere Lösung als Red Bull gekommen ist.

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