Verstappen schimpft auf Presse
„Ständig wird Bullshit geschrieben“

GP Abu Dhabi 2022

Die verweigerte Stallregie von Max Verstappen in Sao Paulo wurde auch in Abu Dhabi noch heiß diskutiert. Der Pilot beklagte sich öffentlich über die Kritik in der Presse und über Attacken gegen sich und seine Familie in den sozialen Medien. "Das muss aufhören!"

Max Verstappen - GP Abu Dhabi 2022
Foto: xpb

In Sao Paulo befand sich Max Verstappen nach dem Rennen noch in der Defensive. Der Weltmeister musste erklären, warum er seinen sechsten Platz in der letzten Runde nicht freiwillig an Teamkollege Sergio Perez abgetreten hatte, um dem Mexikaner im Kampf um den Vize-Titel zu helfen. Damals entschuldigte sich Verstappen noch mit der vagen Aussage, dass es gute Gründe für sein Verhalten gebe.

Hätte der Pilot gewusst, was er mit der verweigerten Teamorder für eine Lawine in den Medien auslöst, hätte er den Platztausch wohl doch lieber vollzogen. Auch in Abu Dhabi wurde Verstappen direkt wieder auf die Affäre angesprochen. Keiner konnte nachvollziehen, warum er dem eigenen Teamkollegen einen vergleichbar kleinen Gefallen verweigerte.

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Den Titel hat der Red-Bull-Pilot schließlich längst in der Tasche. Es ging nur um Platz sechs: "Die Position hat keine Rolle gespielt. Es war egal, ob es ein Podium, der sechste oder der zehnte Platz war", betonte Verstappen. "Es ging um eine Sache, die früher in der Saison passiert ist. Ich werde nicht ins Detail gehen, was und wann genau passiert ist. Das bleibt eine Sache zwischen mir und meinem Team."

Red Bull - Formel 1 - GP Brasilien 2022
xpb
In Brasilien zeigte sich Verstappen nicht als guter Teamplayer. Er habe gute Gründe gehabt, betonte Verstappen.

Fehler bei der Kommunikation

Der 14-fache Saisonsieger berichtete, dass er die Verantwortlichen schon in Mexiko in Kenntnis gesetzt habe, dass er im Fall der Fälle so handeln werden. "Das Team hat mir gegenüber Verständnis gezeigt und mir zugestimmt. In Brasilien habe ich gedacht, dass wir ein ganz normales Rennen fahren. Leider haben wir hier schlecht kommuniziert. Mir wurde am Samstag und Sonntag nichts davon gesagt, dass ein Platztausch angeordnet werden könnte. Ich habe erst in der letzten Runde einen Funkspruch bekommen. Sie hätten wissen müssen, wie ich reagiere. Das habe ich ihnen ja eine Woche vorher schon erklärt."

Offenbar hatte die Teamführung nicht erwartet, dass Verstappen seine Linie wirklich so knallhart durchziehen wird. Doch der Pilot ließ am Funk nicht mit sich diskutieren. Erst nach dem Rennen wurde die Sache angeblich geklärt: "Da haben wir alles auf den Tisch gebracht und ein gutes Gespräch geführt", so Verstappen. "Im Nachhinein muss man sagen, dass dieses Gespräch zu spät kam. Wir haben aus dieser Sache gelernt, dass wir offener und besser kommunizieren müssen."

Auch die Kommunikation nach außen passte nicht. Verstappen erweckte auf der Strecke den Eindruck, ein egoistischer Rennfahrer zu sein, der seinem Teamkollegen gar nichts gönnt. Weil er seine Gründe für die Stallregie-Verweigerung nicht offenlegte, war es schwer das Verhalten zu entschuldigen. In Abu Dhabi betonte Verstappen noch einmal, dass er kein generelles Problem mit Perez habe. Und dass er ein guter Teamplayer sei: "Ich habe das Team immer unterstützt, wo ich konnte. Das Team steht für mich an erster Stelle. Wir sind schließlich ein Sport, bei dem es auf alle ankommt."

Christian Horner - Sky - F1 - 2022
Motorsport Images
Red Bull veröffentlichte ein Statement, in dem man Fehler einräumt und Verstappen verteidigt.

Red Bull veröffentlicht Statement

Auch bei Red Bull hat man offenbar gemerkt, dass die ganze Affäre aus dem Ruder gelaufen ist. Vor dem Rennwochenende in Abu Dhabi verschickte der Rennstall ein Statement, in dem eigene Fehler eingestanden wurden. "Max wurde erst in der letzten Runde von dem Platztausch informiert, ohne dass er alle Informationen hatte. Wir haben vorher nicht darüber diskutiert. Das hat ihn in eine schwierige Situation gebracht, in der nur wenig Zeit für eine Entscheidung blieb. Das war nicht unsere Absicht. Das Team akzeptiert seine Begründung, die aber innerhalb des Teams bleibt."

Verstappen nutzte die Gelegenheit in Abu Dhabi nicht nur zur Verteidigung, sondern auch zur Attacke. In der FIA-Pressekonferenz holte er zur großen Medienschelte aus: "Nach dem Rennen wurde ich in den Medien sehr schlecht dargestellt. Das war fast schon lächerlich. Ich fand es enttäuschend, dass so viel schlechte Dinge geschrieben wurden, obwohl keiner die Fakten kannte. Wenn man die wahre Geschichte nicht kennt, sollte man besser gar keine Geschichte schreiben."

Die Brasilien-Affäre war offenbar nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Verstappen äußerte auch generelle Kritik am Verhalten der Presse: "Mir reicht es einfach, was für ein Bullshit ständig geschrieben wird. Alles Negative wird sofort hervorgehoben. Das ist einfach nur krank. Am Ende des Tages habe ich nichts falsch gemacht. Die Leute haben es nur falsch verstanden. Leider hat das die Probleme, die es mit den sozialen Medien gibt, noch angefacht."

Max Verstappen - GP Abu Dhabi 2022
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Verstappen nutzte seinen Besuch in der FIA-Pressekonferenz, um sich gegen Kritik in der Presse und gegen den Hass auf Social Media zu verteidigen.

Hasswelle auf Social Media

Sowohl der Pilot als auch sein Rennstall beklagten sich in deutlichen Worten über die Hasswelle auf Instagram, Facebook, Twitter und Co., die nach dem Rennen in Sao Paulo über sie hereingebrochen ist: "Die Sachen, die ich gelesen habe, waren ziemlich abscheulich. Darüber hinaus wurde auch meine Familie attackiert – meine Mutter, meine Schwester, meine Freundin und mein Vater. Das geht einfach zu weit. Das muss aufhören. Wenn jemand ein Problem mit mir hat, ist das in Ordnung, aber geht nicht auf meine Familie. Das ist inakzeptabel."

Verstappens versuchte die öffentlichen Reaktionen auszublenden, war dabei aber nicht erfolgreich: "Wenn einem die eigene Schwester eine Nachricht schreibt und sich beschwert, dass es zu viel wird und mich um Hilfe bitte, dann sagt das schon alles aus. Natürlich trifft mich das auch persönlich. Niemand darf meine Familie attackieren!"

Dass der Champion doch ein guter Teamplayer ist, kann er nun in Abu Dhabi beweisen. Verstappen versicherte, dass er Perez dieses Mal die Hilfe im Kampf gegen Leclerc um WM-Rang zwei nicht verweigern werde: "Ich freue mich schon, mir diesen Zweikampf anzuschauen. Unser Team hat noch nie die beiden ersten Plätze in der Fahrer-WM belegt. Es wäre also toll, wenn wir das erreichen könnten. Wenn es die Möglichkeit gibt, dass ich helfen kann, dann werde ich das gerne tun."