Vorschau GP Australien 2014
Erwarten Sie Chaos!

Selten wurde dem Saisonauftakt in der Formel 1 mit so viel Spannung entgegen gefiebert wie in diesem Jahr. Nach dem Technik-Chaos bei den Testfahrten rechnen viele Experten beim GP Australien mit einer Ausfallorgie. Unsere Vorschau bringt Sie auf den aktuellen Stand.

Red Bull - GP Australien
Foto: xpb

Normalerweise versprechen wir Ihnen in unserer Vorschau gerne Details darüber, was uns am kommenden Rennwochenende erwartet. Dieses Mal wollen wir aber gar nicht schlau um den heißen Brei herumreden: Wir wissen auch nicht genau was passiert wird und sind genauso gespannt wie Sie! Klar ist nur: Nach diesem Testwinter muss man mit allem rechnen.
 
Die große Frage lautet, ob die 14 Tage Pause seit dem letzten Testtag von Bahrain sinnvoll genutzt werden konnten. Oder läuft es in Melbourne genauso weiter wie beim Defekt-Festival in der Wüste? Kaum ein Team kam ungeschoren über die insgesamt 12 Testtage. Selbst Dauerläufer wie Mercedes oder Williams warnen vor der unberechenbaren Technik. Im Rennen droht eine Ausfallorgie.

Unsere Highlights

Das Problem sind nicht die Defekte, sondern die komplizieren Reparaturen. Die Mechaniker kennen ihre neuen Autos noch nicht so gut. Ein kleiner Batteriewechsel kann sich bereits über mehrere Stunden hinziehen. Wer im ersten Freien Training mit einer Antriebs-Panne liegenbleibt, läuft Gefahr, gleich den ganzen Tag zu verlieren. Defekte im dritten Training können entsprechend das Qualifying kosten.
 
Vor allem Red Bull steht unter genauer Beobachtung. Das Weltmeisterteam gehörte bei den Tests - wie alle Renault-Teams - zu den Sorgenkindern. Zuverlässigkeit ist dabei nur eines von vielen Themen. Zur Leistungsfähigkeit der Autos können noch gar keine Aussagen getroffen werden. Man darf gespannt sein, wie viel Motor-Power die Hersteller den Teams überhaupt zugestehen, um sicher über die Runden zu kommen.

Die Strecke: Albert Park Circuit Melbourne

Die zusätzliche Spannung durch die neue Technik hätte es eigentlich gar nicht gebraucht. Die eckige Strecke im malerischen Albert Park ist auch so schon Garant für dramatische Rennen. Obwohl es sich nicht um einen Straßenkurs im eigentlichen Sinne handelt, werden Fehler hier hart bestraft. Die Kiesbetten sind tief, die Mauern gefährlich nahe. Der späte Rennstart um 17 Uhr Ortszeit (07:00 Uhr MEZ) sorgt zudem für schwierige Sichtverhältnisse durch die tiefstehende Sonne und das Schattenspiel der Bäume.
 
Die DRS-Zonen befinden sich gleich zu Beginn der Runde auf der Start-Ziel-Geraden und dem Vollgasstück zwischen den Kurven drei und vier. Hier gibt es auch die besten Überholmöglichkeiten. Besonders problematisch wirkt sich der hohe Spritverbrauch auf der Stop-and-Go-Strecke aus. In diesem Jahr ist die Benzinmenge bekanntlich auf 135 Liter begrenzt. So zeigt sich schon im ersten Rennen wer in Sachen Effizienz die Nase vorn hat.

Fast Facts

Streckenlänge: 5,303 km
Rundenanzahl: 58
Renndistanz: 307,574 km
Anzahl Kurven: 16 (6 links/10 rechts)
Entfernung Start bis Kurve 1: 265 Meter
Länge Boxengasse: 289 m
Zeit bei Tempolimit in der Boxengasse: 17,3 Sekunden
Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 50 %

Das Setup

Wegen der vielen engen Kurven und Beschleunigungsphasen aus langsamen Ecken sind in Melbourne vor allem eine gute Traktion und eine ordentliche Bremsstabilität gefragt - was auf dem glatten Asphalt auf den teilweise öffentlichen Straßen gar nicht so einfach ist. Gefahren wird deshalb mit einer relativ weichen Federung. Das Setup muss aber mit dem stark steigenden Grip über das Wochenende immer an die Streckenverhältnisse angepasst werden.
 
Trotz einiger längerer Geraden werden die Flügel auf die steilste Stufe - fast Monaco-Niveau - gestellt. Abtrieb kann man in den vielen Kurven von Melbourne gar nicht genug haben - vor allem auf der Vorderachse. In den engen Kehren neigen die Autos zum Untersteuern. Es ist deshalb wichtig, dass die Front auch dorthin fährt, wo der Fahrer hinlenkt.
 
Interessant ist auch, wie die Piloten mit den neuen elektrischen Bremsen zurechtkommen. Ob auch der Reifenverschleiß wie im Vorjahr ein Thema wird, lässt sich noch nicht sagen. 2013 hatte Pirelli noch die Supersofts im Gepäck. Dieses Jahr gehen die Italiener mit soft und medium eine Stufe härter. Wegen der unbekannten Variablen ist es besonders wichtig, das Trainingsprogramm am Freitag möglichst problemlos durchzubekommen.

Technik-Updates

Für das erste Rennen haben viele Teams neue Teile angekündigt. Wir erwarten, dass sich die Autos im Vergleich zu den Testfahrten stark verändern. Bei Mercedes soll eine neue Nase debütieren. McLaren will - neben einer neuen Lackierung - vor allem neue Flügel bringen. Auch bei Williams wurde ein neuer Heckflügel angekündigt. Wichtiger als neue Aero-Teile sind aber die Updates unter der Haube. In Sachen Zuverlässigkeit hatten die Ingenieure noch einige Hausarbeiten zu erledigen.

Favoriten für den GP Australien

Auf dem Papier gibt es mit Williams und Mercedes 2 klare Favoriten. Beide Autos hinterließen bei den Testfahrten sowohl in Sachen Quali-Speed als auch bei den Longruns den besten Eindruck. Auch die Zuverlässigkeit stimmte einigermaßen. Doch zu sicher kann sich niemand sein. Sollte Williams wirklich so stark wie erwartet sein, dann würden wir unser Geld auf Valtteri Bottas setzen. Felipe Massa stand mit dem Kurs im Albert Park in der Vergangenheit etwas auf Kriegsfuß.

Wer die dritte Kraft wird, ist noch unklar. Über Ferrari schwebt noch ein großes Fragezeichen. Haben die Italiener bei den Testfahrten nur geblufft oder ging nicht mehr? Wenn die Scuderia nicht in Schwung kommt, sollten vor allem McLaren und Force India um Punkte kämpfen. Jenson Button gilt mit 3 Siegen als Melbourne-Experte. Nico Hülkenberg hat im Albert Park dagegen noch nie mehr als eine Rennrunde geschafft.
 
Von den Renault-Teams erwarten wir nichts Gutes. Red Bull erklärt, man sein 2 Monate im Rückstand mit dem Antrieb. "WM-Punkte wären schon ein Erfolg", stapelte Daniel Ricciardo tief. Toro Rosso sieht sich einen Monat im Verzug. Lotus-Teamchef Gerard Lopez erwartet ebenfalls ein hartes Wochenende. Wir wären überrascht, wenn es mehr als die Hälfte der Renault-Autos ins Ziel schaffen. Wenn es wie erwartet zu einer Ausfallorgie kommt, könnte das die Chance für Marussia und Caterham sein. Von den beiden Hinterbänklern hinterließ Marussia den besseren Testeindruck.

Expertenmeinung: Remy Taffin (Renault-Chefingenieur)

"Melbourne war immer schon eine harte Strecke für Formel 1-Autos, aber in diesem Jahr ist die Herausforderung mit dem Renndebüt der neuen Antriebseinheiten noch größer. Die größte Aufgabe liegt in den engen Kurven und den kurzen aber heftigen Beschleunigungen. Die Mehrheit der Kurven ist langsam oder mittelschnell. Die Bremskräfte sind deshalb sehr hoch. Das stellt das neue Brake-by-Wire-System direkt zum Start auf die Probe. Positiv daran ist allerdings, dass die Bremsleistung genügend Energie für das Aufladen der MGU-K bereitstellt. "
 
"In Sachen Motor liegt der Fokus wegen der Vielzahl an langsamen Kurven auf dem Ansprechverhalten in den unteren Drehzahlbereichen. Am Kurveneingang muss die Motorbremse helfen, das Auto effizient zu verlangsamen und etwas Druck von den Bremsen selbst zu nehmen. Am Kurvenausgang ist vor allem der Turbo und die MGU-H-Einheit gefragt, um Verzögerungen im Ansprechverhalten zu vermeiden. Es ist einer der wichtigsten Punkte, dem Piloten Leistung dann zu Verfügung zu stellen, wenn er sie abrufen will und somit für eine ordentliche Fahrbarkeit zu sorgen."

So lief das Rennen im Vorjahr - GP Australien 2013

2013 erlebten die Fans im Albert Park beim Saisonauftakt eine Überraschung. Die Reifen spielten beim Sieg von Kimi Räikkönen die Hauptrolle. Der Finne fuhr dank einer Zweistopp-Strategie von Startplatz 6 als Erster durchs Ziel. Hinter Fernando Alonso kam Sebastian Vettel nur auf Rang 3 ins Ziel. Der spätere Weltmeister konnte seine dominant herausgefahrene Pole Position wegen des hohen Reifenverschleißes an seinem Red Bull nicht in den Sieg ummünzen.

Lange hatte es nach einer großen Sensation durch Adrian Sutil ausgesehen. Der Force India-Pilot war hinter den Top Ten als erster Pilot mit harten Reifen gestartet und sammelte zwischenzeitlich einige Führungsrunden. Doch zwölf Runden vor Schluss musste der Deutsche auch zum Pflichtstopp auf die Supersofts wechseln, mit denen er noch auf Rang 7 zurückfiel. Großes Pech schon vor dem Rennen hatte Nico Hülkenberg. Sein Sauber konnte wegen eines Lecks im Tank gar nicht erst starten.

In unserer Bildergalerie blicken wir noch einmal auf das spannende Melbourne-Rennen vom Vorjahr.