20 Autos im harten Qualitäts-Check
Nachlässigkeiten und Orangenhaut

Wer ist bei der Qualitätsanmutung und Zuverlässigkeit vorne? auto motor und sport testete im großen Qualitäts-Check sechs deutsche gegen vier ausländische Hersteller. Mit dabei: jeweils ein Kleinwagen und ein Mittelklassemodell.

Mercedes C-Klasse, Frontansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Das Bild verwirrt. Da parkt ein nagelneuer Lexus CT 200h zufällig neben einem zehn Jahren alten Opel Corsa, und der betagte Kleinwagen zeigt kleinere Spaltmaße als der vermeintliche Perfektionskönig aus Japan. Dass der große Qualitätscheck von auto motor und sport Überraschungen bringen würde, war klar, aber nicht wie groß sie sein würden.

Doch der Reihe nach. Unter Qualität versteht der Kunde bei einem Auto gemeinhin sowohl die Zuverlässigkeit wie auch die Anmutung. Mängelfreiheit und eine saubere Verarbeitung gehören zu den wichtigsten Kundenanforderungen, egal ob es sich um einen Kleinwagen oder ein Luxusmodell handelt. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit wertete auto motor und sport daher seine Dauertests sowie Dekra-Mängelreports und Leserumfragen aus. Das ergibt ein eindeutiges Bild: Audi, BMW, Mercedes und Toyota setzen sich hier klar an die Spitze.

BMW X5 und Toyota Yaris mit hoher Fehlerquote

Sie rangieren auch bei der Einschätzung ihrer Fahrer (Ergebnisse aus Leserwahl "Die besten Autos") in dieser Kategorie gleichauf, jedoch zeigt nur Audi keine größere Schwäche in den Einzelkategorien und holt daher die meisten Punkte. Die Konkurrenten patzen dagegen unterschiedlich: Bei BMW fiel im auto motor und sport-Dauertest der große SUV X5 durch eine hohe Fehlerquote auf, bei Toyota war es wiederum der Kleinwagen Yaris. Er zieht die ansonsten fast makellose Dauertestbilanz des japanischen Herstellers kräftig nach unten. Die Mercedes-Kleinwagenmarke Smart hängt dagegen beim Dekra-Mängelindex mit einem unterdurchschnittlichen Ergebnis durch, was umso ärgerlicher ist, als die C-Klasse im gleichen Index top dasteht.

VW verfehlt in allen relevanten Untersuchungspunkten mehr oder minder knapp die Spitze und kann sich daher nicht wesentlich von Kia und Opel absetzen. Während diese beiden sowohl gute Dauertest- wie Dekra-Untersuchungs-Ergebnisse aufweisen, sehen ihre eigenen Fahrer die Zuverlässigkeit immer noch deutlich schlechter als bei VW. Hier muss jedoch beachtet werden, dass die Erfahrungen mit älteren Modellen bei der Leserumfrage eine größere Rolle spielen.

Schlechte Ergebnisse bei Ford, Fiat und Peugeot

Ford, Fiat und Peugeot rangieren – in dieser Reihenfolge – mit durchweg schlechten Ergebnissen am Ende der Langzeitwertung. Nur 14 Prozent der Fiat- und nur 22 Prozent der Peugeot-Fahrer attestieren ihrer Marke nach der auto motor und sport-Umfrage "Die besten Autos" eine hohe Zuverlässigkeit, bei Ford sind es immerhin 41 Prozent.

Ein Bild, das sich beim Test der Qualitätsanmutung überraschenderweise nicht sehr verändert. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Showroom- und Langzeitqualität zwei völlig verschiedene Hüte seien, korrespondieren diese Wertungen im Test eindeutig. Fiat und Peugeot bauen ihre Autos mit Abstand am nachlässigsten zusammen. Zum Teil unsaubere Spaltmaße, schlechte Formqualität des Blechs (speziell Fiat) und windschief zusammengebaute Innenräume einen die beiden Schlusslichter. Während sich Peugeot aber zumindest bei der Materialgüte mit Metallverkleidungen und Hochglanzlack viel Mühe gibt, beim ersten Eindruck gut dazustehen, fallen im Fiat Panda sofort die sehr unangenehmen Kunststoff-Ausdünstungen auf.

Opel und Ford mittelprächtig

Opel und Ford präsentieren sich sowohl in der Leserumfrage wie beim Qualitäts-Check gleichermaßen mittelprächtig, beide jedoch mit individuellen Schwächen: Sowohl der Opel Insignia wie der Corsa bilden mit starker Orangenhaut und Farbabweichungen die Schlusslichter in der Lackwertung. Ein Fauxpas, den auch die Geräuscharmut auf der Schlechtweg-Strecke nicht ausgleicht. Ford ärgert seine Kunden mit billig wirkenden Verkleidungen und unterschiedlichen Spaltmaßen. Immerhin ist der Hartplastikanteil im S-Max-Armaturenbrett geringer als beim VW CC.

Kia hätte alle Chancen, noch näher an VW heranzurücken, doch während der Kleinwagen Rio überdurchschnittlich sauber zusammengebaut ist, erreicht der Optima mit seinen schlecht eingepassten Leuchteinheiten und den offenliegenden Kabeln im Kofferraum nur ein unterdurchschnittliches Ergebnis.

Bei VW und Toyota/Lexus bestätigt die Testwagenqualität die Meinung der Fahrer: Up und CC sind deutlich sorgfältiger ausgeführt als iQ und CT 200h. Speziell der kompakte Lexus enttäuscht in diesem Kapitel und bestätigt damit auch, dass die Nobelmarke bei der 2012er auto motor und sport-Befragung dramatische 16 Prozentpunkte weniger bekam als im Vorjahr.

Die Treppchen-Platzierungen holen sich die drei deutschen Premiumhersteller, wobei sich BMW/Mini Nachlässigkeiten bei der Lackqualität und den Passungen erlauben. So reicht es nur ganz knapp zu Platz zwei hinter Mercedes. Beim schwäbischen Autobauer drückt trotz herausragender Verarbeitung und Lackqualität der C-Klasse wie schon bei der Zuverlässigkeitswertung die Tochter Smart das Ergebnis. Bei ihren Kleinwagenmarken sind Mercedes wie BMW unerfreulich nachlässig. Das erlaubt sich Audi nicht, denn der Ingolstädter Autobauer zeigt beim A1 wie beim A4 gleichermaßen bemerkenswerte Perfektion und siegt deutlich.

Fazit des Qualitäts-Checks

Glaubt man den Automobilherstellern, so ist qualitativ heutzutage fast jeder schon an der Grenze des Machbaren. Doch unser Test zeigt ein anderes Bild: Orangenhaut-Lack selbst im Premiumbereich und wellige Blechteile, die auf ausgelutschte Stanzmaschinen hinweisen, windschiefe Passungen, offenliegende Kabel, ausfransende Stoffteile, scharfe Plastikgrate und zum Teil sogar penetranter Plastikgestank. Da liegt noch einiges im Argen. Sorgfältig zusammengebaut müssen Autos über alle Klassen hinweg sein. Ein wenig Chrom-Chichi kann schließlich nicht über schludrige Arbeitsweise hinwegtäuschen. Die, das zeigt der Test zudem deutlich, hat negative Folgen sowohl in der Anmutungsqualität wie der Zuverlässigkeit. Ein sauber zusammengebautes Auto sieht nicht nur edler aus, es hält eben auch länger.

Für die zwei ganz Großen im Test gibt es jedoch individuellen Nachholbedarf: VW muss bei der Zuverlässigkeit noch nachlegen und spürt zudem im Kleinwagenbereich schon den heißen Atem von Kia im Nacken. Toyota dagegen muss seine Nachlässigkeiten im Detail ablegen, sonst geht der negative Umfragetrend noch weiter in den Keller für den einstigen Qualitäts-Primus. Der wiederum heißt zurzeit eindeutig Audi.

So wurde getestet

Der große Qualitätstest teilt sich in zwei Bereiche: die Zuverlässigkeit oder Langzeithaltbarkeit und die Anmutungsqualität. Die Höhe der Zuverlässigkeit wurde auf der Basis dreier Untersuchungen ermittelt: dem Dekra-Mängelindex, wobei zur besseren Vergleichbarkeit die Werte im Kleinwagen und Kompakt- sowie Mittelklasse-Segment für Autos mit 50.000 bis 100.000 km Laufleistung verglichen wurden. Bei der Analyse der auto motor und sport-Dauertests wurde jeweils der Durchschnitt der vergebenen Fehlerpunkte pro Auto ermittelt.

Hinzu kommen die Ergebnisse aus der auto motor und sport-Leserwahl "Die besten Autos". Basis sind hierbei die Aussagen der Fahrer der jeweiligen Marke. Auch die Bewertung der Anmutungsqualität teilt sich in drei Bereiche: zum einen die Ergebnisse aus der Leserwahl "Die besten Autos", zum anderen eine große Qualitätsuntersuchung – unterteilt in Interieur- sowie Exterieurqualität. Pro Hersteller wurde repräsentativ ein Kleinwagen und ein Mittelklasse-Modell nach folgenden Kriterien getestet: prinzipieller Qualitätseindruck, Passgenauigkeit, Grate, Stoff- und Lederverarbeitung, Haptik, Verkleidungsqualität, Spaltmaße, Lackqualität und Geräuschentwicklung (Knarzen, Knistern).