GTI-Treffen Wörthersee
Seen und gesehen werden

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Bereits zum 31. Mal verwandeln die VW Golf GTI-Fans vom 16. bis 19. Mai 2012 die Straßen rund um den Wörthersee zu Partymeilen. Hinter dem GTI-Treffen mit seiner langjährigen Tradition steckt aber mehr als nur Feiern: ein Lebensgefühl. Wir blicken zurück auf das letzte Jahr.

GTI-Treffen Wörthersee 2011
Foto: Bianca Leppert

Da wo andere Urlaub machen, stellen sich VW-Fans freiwillig in den Stau. Während die einen im weißen Bademantel im Wellnesshotel die Zehen räkeln, harren die anderen mit Strohhüten hinterm Lenkrad aus. Es ist nicht irgendein Stau. Es ist ihr Stau des Jahres: das Wörtherseetreffen in der österreichischen Gemeinde Reifnitz.

Alle Modelle des VW-Konzerns vertreten

Längst gehören nicht mehr nur GTI-Anhänger zu den Feierwütigen. Willkommen sind Modelle jeglicher Couleur aus dem Volkswagen-Konzern. Ob aufgemotzter Seat Ibiza, veredelter Porsche 911, in die Jahre gekommener Scirocco oder herausgeputzter Audi S3 - wer sein Auto hier zur Schau stellt, hat etwas zu bieten.

Das gilt auch für die Besucher. Rund um den schwimmenden VW-Stand am Steg tummeln sich die Szenekenner. Piercings liegen ebenso im Trend wie tief geschnittene Shirts und kurze Röcke. In die Nase kriecht ein Mix aus Aftershave und Eau de Currywurst. Die gibt es sogar offiziell von Volkswagen am konzerneigenen Imbiss. Davor wird um das schönste Erinnerungsfoto gerangelt. Was in Berlin das Brandenburger Tor und in Hamburg der Hafen ist in Reifnitz der Granit-Golf. Das Denkmal aus dem Jahr 1987 wird heftig als Fotomotiv umkämpft. Klick, Klick, Klick. Die belagerte Skulptur solo zu fotografieren, ist schier unmöglich.

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Straßen werden zum automobilen Laufsteg

Nicht weniger Gedrängel herrscht auf den Straßen im Ort. Sie haben sich zu einem automobilen Laufsteg verwandelt. Die Zuschauer sitzen allerdings nicht mit Prosecco in der ersten Reihe, sondern säumen mit der Bierdose den Bürgersteig. Für ein paar Tage herrscht in Reifnitz Ausnahmezustand. Bierbank, Grill, Zapfhahn - fertig ist die Metamorphose von der Bäckerei zur Würstelbude. So wichtig wie laute Bässe sind die Mädels auf dem Beifahrersitz. Wer keine weibliche Begleitung hat, setzt sich auf die Rücksitze einfach zwei hübsche Models - aus Pappe. Hin und wieder schieben begeisterte Eltern sogar den Nachwuchs im Kinderwagen durch die Menge. Fehlt nur noch das VW-Logo auf dem Buggy.

Tausende Besucher pilgerten zum Jubiläumstreffen im letzten Jahr. Ob Holland, Schweiz oder Ungarn - kein Weg war zu weit. 350 Kilometer legte der Ungar Balogh mit seinem 160 PS starken Diesel-GTI vom ungarischen Sopron zurück, um nur einen Tag dabei zu sein. Gemeinsam mit Freunden ist er schon zum dritten Mal in Reifnitz. „Das ist einfach ein Lebensgefühl“, sagt er.

Dieses Lebensgefühl können nur die Tuning-Jünger selbst nachempfinden. Als auf der großen Audi-Bühne ein stolzer Audi S3-Besitzer seine Tuning-Kreation präsentiert, kommt selbst der offizielle Audi-Mann ins Schlingern. „Ich würde sagen, das ist ein aktueller S3“, spricht er ins Mikrofon. Der Besitzer schüttelt nur den Kopf. Er hat seinen 2007er S3 so modifiziert, dass selbst der Audi-Mitarbeiter sein eigenes Produkt nicht auf Anhieb erkennt.

Sexy Mädels auf dem GTI-Treffen

Abseits der prachtvollen Stände von VW, Audi, Skoda und Co. kämpft sich Verena mit ihrer Cousine Nina durch den Stau. Die beiden 19-Jährigen gehören zu den wenigen Mädels, die sich mit ihrem Golf auf die Schaumeile gewagt haben. „Wir werden sehr oft angesprochen und fotografiert“, sagt Verena. In diesem Moment haut wieder einer gegen die Scheibe und brabbelt etwas Unverständliches daher. „Manchmal ist das schon blöd“, sagt die gelernte Krankenschwester und klammert sich an ihr pinkes Plüschlenkrad, auf dem „Tussi on tour“ steht. Die beiden Österreicherinnen machen keinen Hehl aus ihrer Liebe zum Klischee. Um den Spiegel baumeln rosafarbene Würfel, die Fußmatten glitzern, und selbst Verenas Haargummi leuchtet pink. Tagsüber drehen sie im Ort ihre Kreise, abends wird gefeiert. „Hier ist es besser als am Ballermann“, meint Verena.

Auffallen zählt um jeden Preis. Knipst einer der Besucher das eigene Auto mit der Handykamera, kommt das einer Trophäe gleich. Dafür werden keine Kosten und Mühen gescheut. Ob eine mobile Bar im Kofferraum oder ein Spielkasino mit Roulette - es gilt das Motto: Sehen und Gesehen werden. Den besten Blick haben die Zuschauer vor dem örtlichen Supermarkt. Hier besorgen sich die VW-Fans Nachschub und beäugen das Geschehen von einer leichten Anhöhe. Der Parkplatz eignet sich für ein kurzes Päuschen. Längere Öffnungszeiten hat der Laden wegen des Treffens nicht. Der Umsatz dürfte so oder so in die Höhe schnellen. „Hier ist die Hölle los“, meint eine Kassiererin.

VW-Jünger pilgern nach Reifnitz

Diesen Eindruck vermitteln bereits die Straßen und Autobahnen rund um den See. Wie aus einem Bienennest schwirren die aufgemotzten VW aus jeder Ecke. Diejenigen mit hochwertigen Autos reisen oft schon zwei Wochen vorher an und fahren zum eigentlichen Beginn des Treffens wieder nach Hause. „Bevor die Verrückten kommen“, heißt es unter Kennern. Dazu gehört auch Herbert. Zum 20. Mal pilgerte er in diesem Jahr nach Reifnitz. Statt sich über die schon im Januar ausgebuchten Hotels zu ärgern, schnallte er seinen Wohnwagen an den VW Bora und macht sich ein paar schöne Tage.

„Ich sage immer, wenn einer richtig katholisch ist, dann pilgert er als Österreicher nach Maria Stein und als Deutscher nach Altötting. Unsere Wallfahrt ist die Reise zum Wörthersee.“ Der 56-Jährige KfZ-Mechaniker hat bereits die ganze Familie mit seiner Leidenschaft angesteckt. Stolz zeigt er ein Foto, auf dem seine Liebsten mit VW- oder Audi-Modellen posieren. Seine Enkelin ist der heimliche Star: Sie posiert mit einem Herbie-Bobbycar.

Auf mehr Treffen als GTI-Veteran Herbert bringt es wohl nur Gemeindemitarbeiter Siggi. Ihn überrascht mittlerweile nichts mehr. „Ich bin seit 28 Jahren dabei“, sagt er und tunkt seine Chicken Nuggets in eine Pfütze aus Ketchup. „Mittlerweile ist das alles Routine.“ Mit einem Kollegen fährt er mit seinem orangen VW-Pritschenwagen durch die Menge und kümmert sich um Absperrungen oder Müll. Nach dem Treffen sind er und seine Kollegen in den signalfarbenen Latzhosen eine Woche mit Aufräumen beschäftigt. Damit andere Gäste in ihren weißen Bademänteln wieder ohne Stau Urlaub machen können.

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Sport Auto 03 / 2022
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Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten