Auktion Alfa Romeo Tipo 33 TT12
Porsche-Albtraum zum Millionenpreis

Nur wenige Rennautos waren so dominant wie der Alfa Romeo Tipo 33 TT12. In der Saison 1975 gewann der Italo-Racer sieben von neun Sportwagen-Läufen und wurde so mit Leichtigkeit Weltmeister. Am 2. Februar wird in Paris ein Chassis versteigert, das besonders in Deutschland Geschichte schrieb.

WSC 1975 - Alfa Romeo Tipo 33 TT12 - Auktion Rétromobile - Artcurial Motorcars
Foto: Jérôme-Starck / Artcurial

Für italienische Rennsport-Fans war das Jahr 1975 eine einzige große Party. In gleich drei Weltmeisterschaften flatterte am Ende die Tifosi-Trikolore über der höchsten Podiumsstufe: Giacomo Agostini gewann die Motorrad-Königsklasse, Niki Lauda erlöste Ferrari durch seinen ersten F1-Titel und Alfa Romeo war bei den Sportwagen unaufhaltsam. Dass der vormals häufig schwierige Tipo 33 endgültig zur Ikone aufstieg, hatte mehrere, teils glückliche Gründe.

Unsere Highlights

Seine Historie begann bereits im Jahr 1964, als anfängliche Designarbeiten einen Rennwagen skizzierten, der sich optisch ganz anders als das jetzige Auktionsobjekt präsentiert. Der 1967 finalisierte Sportwagen mit einem Zwei-Liter-V8 duellierte sich auf der Strecke unter anderem mit dem Ferrari 250LM und der Alpine A220.

Beide Kultautos bügelte die vom Rennzweig Autodelta eingesetzte erste Überarbeitung namens 33/2 dann eindrucksvoll in der 1968er-Ausgabe von Le Mans. Zwar verpassten die Werksrenner knapp den Sprung auf das Podium, doch die Zwei-Liter-Klasse war fest in ihrer Hand. Eine ähnliche Leistung gelang Alfa schon zu Jahresbeginn bei den 24 Stunden von Daytona.

24 Stunden von Le Mans 1968 -Autodelta Alfa Romeo T33B/2 - Ignazio Giunti - Giovanni Galli
Motorsport Images

Den größten Le-Mans-Triumph erzielte der Alfa Romeo Tipo 33 schon in seiner Modell-Jugend: 1968 dominierte er die Zwei-Liter-Klasse. Danach intervenierte das Schicksal auf unterschiedlichsten Wegen.

Metamorphose zum Prototyp

Angetrieben von weiteren Achtungserfolgen entstand mit dem 33/3 ein großes Update-Paket. Parallel zum nun drei Liter großen V8 radikalisierte sich auch die aerodynamische Außenhaut. Das Debütjahr 1969 wurde jedoch vom tragischen Tod des Testpiloten Lucien Bianchi überschattet. Während des Le-Mans-Tests hatte der Großonkel von Jules Bianchi wegen eines mechanischen Problems die Kontrolle über seinen roten Renner verloren und flog mit hoher Geschwindigkeit ab. Schon 1968 hatte das Alfa-Team zwei fatale Unfälle verkraften müssen.

Die vom Schicksal verfolgte Truppe des legendären Autodelta-Gründers Carlo Chiti verzichtete anschließend auf die 24 Stunden. Nach einem schwierigen Entwicklungsjahr kehrten die Tipo 33/3 bei der nächsten Ausgabe an die Sarthe zurück, wo eine neue Zeitrechnung starten sollte: Durch den Gesamtsieg des Porsche 917 – der erste der Stuttgarter – setzte eine Entwicklungsschlacht ein, welche die Basis für den TT12 legte.

Obwohl die Porsche 917 auch die Saison 1971 aus den Startlöchern heraus dominierten, gelangen Alfa drei prestigeträchtige Erfolge. Im April gewann das Duo Andrea de Adamich und Henri Pescarolo die 1.000 Kilometer von Brands Hatch. Einen Monat später legten Nino Vaccarella und Toine Hezemans bei der Targa Florio nach. Es war der erste Heimsieg der Kleeblattmarke seit dem Jahr 1950 sowie das Ende einer fünf Ausgaben langen Porsche-Serie. Und zum Saisonende waren de Adamich und Ronnie Peterson dann die Schnellsten bei den 6 Stunden von Watkins Glen.

Targa Florio 1971 - Autodelta Alfa Romeo T33/3 - Nino Vaccarella - Toine Hezemans
Motorsport Images

Alfa Romeo und das legendäre Straßenrennen Targa Florio teilen eine intensive gemeinsame Geschichte. Unter anderem siegten die Norditaliener im Jahr 1971.

Marko verzweifelt an Ferrari

Durch das Verbot der Fünf-Liter-Monster stand 1972 ein Machtwechsel im Pays de la Loire an. Die französische Nationalmannschaft Matra galt im Kampf der reduzierten Hubräume als Favorit, Alfa schickte mit dem Tipo 33 TT3 allerdings einen ambitionierten Herausforderer. TT steht für "Telaio Tubolare" und beschreibt die Aluminium-Rohrprofile als Höhepunkt der Modell-Überarbeitung. Zunächst trug er den altbekannten 3-Liter-V8 in sich, doch ein Zwölfzylinder war für die Saison 1973 bereits in der Entwicklung.

Während Matra die Favoritenrolle mit Pescarolo und Graham Hill in Le Mans in den Sieg umsetzte, war Ferrari in der Weltmeisterschaft die Macht. Der 312PB, der schon über einen 3-Liter-Zwölfzylinder verfügte, gewann bis auf den ausgelassenen 24h-Klassiker alle Rennen und verwies Alfa auf einen chancenlosen zweiten Rang. Bei der Targa Florio war die inner-italienische Rivalität trotzdem mächtig eng. Alfa-Mann Helmut Marko betitelte es später als das beste Rennen seines Lebens.

Er erzählte: "Wegen des Einzelstarts fuhr man meistens ziemlich allein, hat höchstens mal einen GT überholt. In der Schlussphase habe ich im kurvigen Teil auf den Ferrari aufgeholt. Ich kam in einen richtigen Rennrausch, bin gefahren, als gäbe es kein Morgen. Nie hätte ich mir vorstellen können, auf der Strecke mit so viel Risiko zu fahren. Bis zur Geraden hatte ich Merzario überholt, doch als es dann geradeaus ging, ist er mir wieder davongezogen."

12-Zylinder-Power mit Startproblemen

Im Folgejahr stellte sich unser Titelheld erstmals der Renn-Öffentlichkeit vor. Seine erste Saison wurde jedoch von mehreren Krisen heimgesucht. Gegensätzlich zu Ferrari bekam Alfa Romeo nämlich 1973 die damaligen Streiks und sozialen Unruhen Italiens in all ihrer Stärke zu spüren.

Angesichts der Umstände und die dadurch erschwerte Auto-Entwicklung sagten die Italiener ihre Rennreise an die Sarthe ab. Stattdessen hielt Scuderia Brescia Corse die zerrütteten italienischen Fahnen mit dem Tipo 33 TT3 hoch. Viele nennen es den letzten echten Alfa-Rennauftritt bei den 24 Stunden.

Denn auch 1974 verzichteten die Italiener trotz starker Trainingszeiten und trotz eines Dreifach-Triumphs beim WM-Auftakt in Monza (Sieger-Duo: Mario Andretti und Arturo Merzario) auf den Dauerlauf. Der Weg für Matras dritten Sieg in Folge war somit frei – es war der letzte der Franzosen dort. Auch die restliche Saison 1974 gestaltete sich für Alfa wenig nennenswert.

Auf dem Papier blieben die Aussichten für die Saison 1975 ebenfalls trüb. Als Reaktion auf die Nachbeben der Ölpreiskrise setzten die Le-Mans-Organisatoren ein striktes Verbrauchslimit durch, was final zum Verlust des WM-Status führte. Alfa konzentrierte sich so erst recht auf die WM, die ohne Matra ordentlich an Attraktivität einbüßte. Immerhin schickte Alpine zu Beginn einen neuen Prototyp an den Start. Dazu tummelten sich traditionell Porsche in den Nennlisten.

1000 Kilometer von Monza 1974 - Autodelta Alfa Romeo T33 TT12 - Arturo Merzario - Mario Andretti
Motorsport Images

Porsche, Matra und Ferrari zeigten Alfa in den ersten Siebziger-Saisons meist die Grenzen auf. Eine Ausnahme war der Heimsieg bei den 1.000 Kilometern von Monza 1974.

Späte Genugtuung dank Star-Fahrern

Auch wenn die Umstände nicht wie erhofft waren, konnte Alfa endlich die Weintrauben ernten. Zuständig für die Einsätze war das Aachener Team von Willi Kauhsen. Die ungewöhnliche Kooperation sollte in einer anhaltenden Zeit sozialer Krisen den Druck von Alfa nehmen. Denn obwohl das Programm de facto Werksniveau hatte, lenkte die Nennung durch eine private Mannschaft von Kostendebatten ab. Kauhsen, der vier Jahre zuvor noch den legendären "Sau-Porsche" in Le Mans pilotiert hatte, erwies sich als perfekte Wahl.

Der gebürtige Eschweiler blickte zurück: "Ende 1974 reisten zwei meiner Mechaniker zum Sitz des Rennsportzweigs Autodelta. Sie sollten die besten sechs Mechaniker von Alfa für unsere Weltmeisterschaftstruppe ausfindig machen. Dazu bekam ich vier Rennautos samt Ersatzteilen. Die Chassisnummern hießen 008, 009, 010 und 011." Letztgenannte steht nun am 2. Februar zur Auktion. Der Deutsche wurde parallel auch am Lenkrad mit riesigem Know-how ausgestattet.

Zu den Stammpiloten gehörten die heutigen Rennsport-Legenden Derek Bell, Henri Pescarolo, Jacky Ickx, Arturo Merzario und Jacques Laffite. In Form von Mario Andretti ließ sich auch ein alter Bekannter als Gastfahrer in den Zwölfzylinder-Renner schnallen. Die Kombination aus deutscher Disziplin, italienischer Power und internationalen Stars brachte dann den lang erträumten Erfolg. Rechnet man den Saisonauftakt in Daytona heraus, wo GT-Autos 1975 die Hauptakteure waren, gingen sieben der acht Spitzenplätze nach Norditalien – und Aachen. Vier davon sahen ein Alfa-Doppel an der Front.

1000 Kilometer von Spa 1975 - Willi Kauhsen Racing Team Alfa Romeo T33 TT12 - Henri Pescarolo - Derek Bell
Motorsport Images

Im Jahr 1975 war endlich der Weg für den ultimativen Erfolg frei – auch beim Dauerlauf auf dem alten Spa-Kurs. Der Tipo 33 durfte als TT12-Ausbaustufe zur Legende werden.

Letzter Targa-Sieg und F1-Comeback

Der Jahreshöhepunkt war der Triumph bei der Targa Florio im Juli. Nino Vaccarella und Arturo Merzario gewannen 1975 die vorvorletzte Straßenschlacht auf Sizilien, die schon nach der Ausgabe 1973 aus der WM geworfen worden war. Die Geschichtsbücher des nach 1977 ganz eingestellten Rennens sehen Alfa auf dem zweiten Platz der ewigen Bestenliste. Porsche hat mit 11 Erfolgen einen Sieg mehr, dafür hält Alfa für immer den Rekord bei den schnellsten Rennrunden (10).

Davor fanden bereits die drei WM-Heimrennen statt: Nachdem man den Europa-Auftakt in Mugello verloren hatte, schlug das Willi Kauhsen Racing Team dafür in Monza und Pergusa zurück. Das bis heute existierende, aber kaum noch genutzte Autodromo di Pergusa liegt ebenfalls auf Sizilien und umrundet einen natürlichen See der Ätna-Insel. Prestigereich waren zudem die Siege bei den 1.000-Kilometer-Rennen in Spa, am Ring und in Zeltweg. Die Krönung gelang beim Abschluss in Watkins Glen.

Zwar schickte Alfa Romeo mit dem Tipo 33 SC12 anschließend eine finale Ausbaustufe in die WM und gewann damit sogar alle (!) 1977er-Läufe. Aber angesichts der stark kriselnden Sportwagen-WM wanderte der Fokus auf die Formel 1. Dort entwickelte sich aus einer anfänglichen Partnerschaft mit Brabham ein eigenständiges Werksteam. Der erste Motor des Formel-1-Comebacks beruhte auf dem Weltmeister-Zwölfzylinder.

WSC 1975 - Alfa Romeo Tipo 33 TT12 - Auktion Rétromobile - Artcurial Motorcars
Jérôme-Starck / Artcurial

Am 2. Februar erhofft sich das Chassis 011 ein neues Heim. Für den Eigentümerwechsel im Rahmen einer Auktion auf dem Salon Rétromobile wird eine Millionensumme nötig sein.

Auktionsmodell mit deutschem Hintergrund

Das vom französischen Spezialisten Artcurial Motorcars auf der Pariser Rétromobile 2024 angebotene Chassis 011 hat nur indirekt mit den Welt-Erfolgen zu tun. Kauhsen, der bei der Dokumentation des rund 500 PS starken Klassikers später unterstützte, hatte es als Test- und Ersatzauto genutzt. Unter anderem sammelte der Tipo 33 TT12 Übungsrunden auf der ikonischen Alfa-Teststrecke Balocco, in Le Castellet, in Zeltweg und auf den Ringen von Hockenheim und Nürburg. Außerdem waren ihm Einsätze in der Interserie vergönnt.

Die europäische Antwort auf die nordamerikanische Can-Am fand hauptsächlich in der Bundesrepublik statt. Jochen Mass siegte mit Chassis 011 in Hockenheim (20. Juli), Derek Bell ließ auf dem Flugplatz Kassel-Calden (18. August) einen zweiten Triumph folgen.

Laut des Auktionshauses trug der rote Renner im unsterblichen Campari-Design zudem einen Testträger des F1-Motors für Ecclestones Team in sich. Nach seiner Kauhsen-Zeit ging er zurück an Autodelta und schließlich an Sammler. Vor Kurzem wurde der Rennwagen bei einem Spezialisten nahe Aachen restauriert. Der Motor benötigt jedoch eine weitere Überarbeitung.

Am 2. Februar wird nun der nächste Eigentümer von 011 gesucht. Als Auktionator tritt Hervé Poulain – ein früherer Rennfahrer und Mitbegründer der BMW Art Cars – auf. Der Schätzpreis liegt bei 1,2 bis 1,6 Millionen Dollar. Etwas "günstiger" ist im Übrigen das zweite Rennsport-Highlight der Auktion. Poulain wird für ein 1980er BMW M1 Procar zwischen einer und 1,2 Millionen Dollar erwarten.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 11 / 2024

Erscheinungsdatum 08.05.2024

148 Seiten