DTM in Brands Hatch 2019
Siege für Wittmann und Rast

Mit einem Sieg und einem zweiten Platz machte René Rast in England einen großen Schritt in Richtung Fahrertitel. BMW-Mann Marco Wittmann siegte am Samstag, stolperte aber, wie auch seine Kollegen, sonntags in ein unerklärliches Formtief.

Rene Rast - Audi - DTM - Brands Hatch 2019
Foto: Audi

Stallregie hat ein gestandener DTM-Fahrer wie René Rast nun wirklich nicht nötig. Eigentlich. Der 32-Jährige aus Minden fährt zwar erst seine dritte volle DTM-Saison, aber er hat bereits einen Titel (2017), eine Vizemeisterschaft (2018), sowie 14 Siege (bei 51 Starts) eingesackt. Jetzt ist Rast auf dem besten Weg zum zweiten Titel – und die Kollegen ebnen ihm ergeben den Weg. Der alte Le Mans-Kämpe Loïc Duval durfte sich am Sonntag nur zwei Minuten lang an seiner Führung ergötzen, dann grub er sich auf einer Geraden förmlich ein, als er Rast, wie von der Firmen-Räson verlangt, höflichst den Vortritt ließ.

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Betrüblich für die Zuschauer, aber verständlich aus Sicht von Audi. Dort tut man offenbar alles, um das 2018er Trauma vergessen zu machen. Damals hatte Rast den Fahrertitel verpasst; und – schlimmer noch! – Audi in der Markenwertung nur Platz drei hinter Mercedes und BMW belegt.

Müller zuverlässig und zurückhaltend

Rasts schärfster Rivale kommt aus dem eigenen Lager: Nico Müller, 27, arbeitet schon seit 2014 bei Audi und ist somit drei Jahre länger in der DTM aktiv als Rast, der erst im Alter von 29 Jahren seine erste Chance in der DTM bekam – und kaltblütig nutzte. Müller schloss die letzte Saison als Zehnter ab. In diesem Jahr reifte er zum Titelkandidaten. Als Einziger der 18 Akteure fuhr er bei allen zwölf Saisonrennen in die Punkteränge. Achtmal kam er aufs Podium, allerdings nur einmal als Erster.

Beim Sonntagsrennen in England hätte ein zweiter Sieg rausspringen können. Denn Rast hatte nach seiner Trainingsbestzeit Pech mit den Reifen. „Nach dem Quali hatten wir einen Platten, und so mussten wir einen neuen Satz zusammenwürfeln“, berichtete er. Müller, der Zuverlässige, folgte Rast wie ein Schatten. „In Brands Hatch ist es extrem schwer zu überholen. Meine einzige Chance war der Boxenstopp.“

Der Reifenwechsel glückte nicht nach Plan. Weil das Auto zu früh abgelassen wurde, verlor Müller drei, vier Sekunden. Mit einer fabelhaften Runde aus der Boxengasse robbte er wieder an Rast heran, verzichtete aber auf grimmige Attacken. Erstaunlich, dass Müller die Überholhilfen nur sehr sparsam nutzte. Am Ende hätte er noch acht DRS-Aktivierungen und zehn Einsätze des Push-to-Pass-Systems (P2P), bei dem 30 Mehr-PS freigesetzt werden, übrig. Sein Fazit „Ich hatte nie das Gefühl, eine echte Chance zum Überholen zu haben. Wenn man attackiert, stresst das die Reifen enorm.“

Beim Samstag-Rennen holte Rast Platz zwei hinter BMW-Mann Marco Wittmann. In den letzten Runden schnupperte er aus nächster Nähe am Diffusor des BMW und gestand danach: „Ich habe P2P gar nicht benutzt. Im Eifer des Gefechts habe ich es wohl vergessen.“ Wittmann, der sich mit letzter Kraft ins Ziel rettete, konnte sich über diese Zurückhaltung der Audi-Fahrer nur wundern: „Unverständlich. Man verzichtet doch nicht freiwillig auf ein Performance-Instrument.“ Süffisant fügte er hinzu: „Aber vielleicht sind die Audi von Haus aus so schnell, dass sie es gar nicht brauchen.“

Rast - Wittmann - Müller - DTM - Brands Hatch 2019
ITR
Das Samstag-Podest: Wittmann vor Rast und Müller.

BMW fehlt plötzlich eine Sekunde

Beim Qualifying am Sonntag (wo das Aktivieren von DRS und P2P verboten und auch technisch unmöglich ist) musste BMW eine derbe Schlappe einstecken: Acht Audi standen auf den ersten acht Startplätzen – das gab‘s bislang nur einmal in der DTM-Historie, und zwar in Budapest 2016. Die Sportchefs Dieter Gass und Jens Marquardt waren sich einig: „Unerklärlich“ sei dies. Zumal am Samstag mit Wittmann ein BMW die Pole geholt hatte. „Wir sind im Vergleich zum Sonntag ein bisschen schneller geworden, und die Gegner etwas langsamer“, beobachtete Audi-Mann Gass.

„Eine Sekunde fehlte uns“, staunte Fahrer Wittmann. „Das gibt’s doch nicht!“ Gibt’s eben doch, und so stand der Franke nur auf Startplatz zwölf. Auch eine Verzweiflungstaktik mit zwei Reifenwechseln zahlte sich kaum aus: Am Ende wurde er Zehnter. 59 Punkte Rückstand hat Wittmann nun auf Rast. Aufgeben? Niemals. Denn es ist Rast, der immer wieder gerne die Story erzählt, wie er letztes Jahr 100 Punkte Rückstand hatte und am Ende fast noch den Titel holte.

Die Entscheidung in der Markenwertung ist hingegen so gut wie gefallen. Audi hat 284 Punkte Vorsprung auf BMW. Die Münchner holten trotz Wittmann-Sieg nur 20 Zähler in England, weil sie wegen zu vieler Motorwechsel eine Strafe bekamen: keine Punkte für die drei bestplatzierten M4 am Samstag. Audi-Sportchef Gass freute sich: „Im Gegensatz zu unseren Mitbewerbern hatten wir noch keinen einzigen Motorschaden.“

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