Digitale Plattform für den Motorsport
Kampf dem Papierkrieg an der Rennstrecke

Aktiver Motorsport bedeutet auch heutzutage immer noch viel Papierkram und Fragmentierung. Ex-Rennfahrer Norman Simon möchte das mit seiner digitalen Plattform "onGRID" ändern. Wir haben mit dem Startup-Gründer gesprochen und wagen einen Blick in die Zukunft.

BMW M2 Cup - Start
Foto: BMW M2 Cup

Wer schon einmal selbst im Motorsport aktiv war, und sei es auch nur im Breitensport, der weiß: Ohne Enthaftungserklärung, Lizenzkärtchen oder Anmeldeformular in physischer Form geht oft gar nichts. Über die Jahrzehnte eingeschliffene Prozesse werden beibehalten, weil keiner die Notwendigkeit sieht, sich auch auf diesem Sektor weiterzuentwickeln.

Die Argumente "Das haben wir immer schon so gemacht" oder "Es funktioniert doch" zählen für Norman Simon (47) nicht. Der gebürtige Wiesbadener und Wahl-Berliner war bis 2006 selbst aktiver Rennfahrer. Mit dem Motorsport ist er über verschiedene Projekte immer noch verbunden. Sein neuestes und größtes heißt "onGRID".

Unsere Highlights
OnGRID - Digitale Motorsportplattform - Norman Simon
Maks Richter
Ex-Rennfahrer und Visionär: Norman Simon möchte Papierkram reduzieren und die Motorsportwelt vereinen

Digitalisierung des Motorsports

Die Idee, eine digitalisierte Plattform für alle Motorsportdisziplinen zu schaffen, kam ihm auf einem seiner vielen beruflichen Flüge. Im Gespräch mit einem aktuellen Rennfahrer stellte Simon fest, dass die meisten Prozesse immer noch so laufen wie zu seiner aktiven Zeit. Im April 2022 gab er deshalb mit der Gründung der onGRID Sports Technology GmbH den Startschuss zur Mission Digitalisierung des Motorsports.

"Wir sind mit vielen Rennserien in Gesprächen und alle sind sehr aufgeschlossen. Gerade in Deutschland merken wir aber, dass etwas Neues und Digitales mehr Zeit braucht. In Asien, den arabischen Ländern oder in Australien ist man viel offener", sagt der onGRID-Geschäftsführer.

In Europa hat man unter anderem den BMW M2 Cup im Rahmen der DTM schon mit an Bord. Dazu kommen Serien wie der Porsche Carrera Cup Benelux und Events wie die Red Bull Classics in Spielberg sowie der Oldtimer-Grand-Prix am Nürburgring. Was kann das System denn bis jetzt? "Momentan fixieren wir uns sehr stark auf die Renn-Organisatoren und Teilnehmer", erläutert Simon.

Das heißt, vor allem die administrativen Prozesse laufen über die App. Und wenn jemand den klassischen Weg bevorzugt? "Es gibt natürlich Teilnehmer, die noch nicht so volldigital unterwegs sind. Man kann deshalb auch hybride Systeme fahren. So nehmen wir den Serien die Angst, dass sie Kunden verlieren könnten, wenn sie nur noch digital sind."

Papierlose Abwicklung soll sicher sein

Der Organisator kann also zum Beispiel auch mit auf Papier eingereichten Nennungen seine Starterliste in der App aktualisieren. "Unsere digitale Signatur ist eIDAS-konform, diese ist gleichzusetzen mit einer physischen Signatur", weist Simon auch auf die Sicherheit der papierlosen Abwicklung hin.

Die Schritte für die Zukunft sind schon vorgezeichnet. Zunächst sollen sich Organisatoren, Teams und Fahrer vernetzen können. So können sich Teams als Ganzes oder auch Fahrer einzeln für einen Event ganz papierlos registrieren. Und das auf absehbare Zeit über alle Disziplinen hinweg, egal ob zwei oder vier Räder.

"Wir wollen die ganze Bandbreite darstellen und deswegen auch schon die Trackdays dazu holen. Denn hier sind die zukünftigen Lizenznehmer und Rennfahrer unterwegs. Die Idee ist, dass wir eine gewisse Wegbegleitung mit anbieten können." Bedeutet: Wer bisher keine Berührungspunkte mit Motorsport hatte und seinen Weg gehen möchte, soll künftig nur noch diese eine App benötigen, um von der heimischen Kartbahn oder dem eigenen Simulator über Trackdays und Lizenzlehrgänge bis in den großen Motorsport zu gelangen. Die Plattform soll also nicht nur den Papierkrieg abschaffen, sondern auch Berührungsängste abbauen.

Teilnehmer sollen sich vernetzen

In naher Zukunft soll eine Messenger-Funktion die direkte Kommunikation zwischen den Parteien vereinfachen. "So entsteht eine leichtere Vernetzung, vergleichbar mit LinkedIn. Wir wollen auch, dass ein Teamchef schon junge Kartfahrer auf die Watchlist setzen kann." Dafür wird man auch irgendwann die Rennergebnisse eines jeden Fahrers in dessen Profil hinterlegen. "Als Teamchef wird man außerdem irgendwann sagen können: Zeig mir den besten Silber-Fahrer. In Zukunft wollen wir auch eine Jobbörse für Teams, Mechaniker und so weiter anbieten", blickt Simon voraus. Die Einbindung von Fans und Industrie ist ein weiterer Baustein auf der Agenda.

Wer sich fragt, wie hoch die Kosten sind: Hier verfolgt onGRID ein klassisches SaaS-System. Das bedeutet, die Gebühren richten sich nach Größe und Professionalität der Serie. "Der Organisator zahlt also erst mal gar nichts. Wir behalten einen gewissen Prozentsatz von jeder Registrierung. Das bedeutet, wenn es mal keine Rennen gibt, dann hat der Organisator kein Risiko."

OnGRID - Digitale Motorsportplattform
onGRID
Auf die onGRID-Plattform kann per Website (www.myongrid.com) oder per App zugegriffen werden

Auch sonst unterstützt man die Organisatoren. Scrutineering und Zeitnahme können perspektivisch ebenso über die Plattform laufen wie das immer wichtigere ESG-Reporting – womit das Thema Nachhaltigkeit also nicht nur in Sachen Papierkram ein großes für onGRID ist.

Simon hat mit seinem Vorhaben ehrgeizige Ziele: "Die Traumvorstellung ist natürlich 100 Prozent Marktanteil und dass fast jede nationale Motorsportbehörde an Bord ist. Man weiß aber, dass das in einigen Ländern nicht so ganz einfach ist", sieht er es realistisch. Die ersten Schritte und Feedbacks sind jedoch positiv. "Alle, mit denen wir zusammenarbeiten, fühlen sich erleichtert. Wir diskutieren mit den Rennserien nur noch auf hohem Niveau um Kleinigkeiten oder um Wünsche ihrerseits." Das sind beste Voraussetzungen, um den Motorsport zumindest hinter den Kulissen zu revolutionieren.

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