DTM-Saisonfinale Hockenheim 2020
Dritter Titel für René Rast

Beim letzten Auftritt der Class One-Autos schenkten sich die beiden Titelkontrahenten nichts. Nico Müller sicherte sich in Hockenheim den Erfolg im Samstagsrennen. Tags darauf konterte René Rast – und gewann zum dritten Mal den DTM-Titel.

René Rast - Audi RS 5 - DTM - Hockenheim 2020
Foto: DTM

Dieses traurige Schicksal haben die Class One-Autos der DTM keinesfalls verdient. Nach nur zwei Jahren werden die 640 PS starken Turbo-Monster in Pension geschickt, verdammt zu einem armseligen Dasein, entweder als Museumsstücke, die sich irgendwo in schlecht gelüfteten Hallen die Reifen platt stehen, oder als Lustobjekte für solvente Sammler.

Doch bevor die Class One-Werksautos von Audi und BMW verschwanden, um das DTM-Schlachtfeld künftig Privatteams mit deutlich günstigeren GT3-Autos zu überlassen, trumpften die schnellsten und wohl auch spektakulärsten Autos der DTM-Geschichte nochmals groß auf. Beim Finale in Hockenheim ließ das beinharte Duell der Audi-Fahrer René Rast und Nico Müller um den Fahrertitel keine Wünsche offen. An der Grenze zur Legalität geführte Rad-an-Rad-Duelle boten beste Unterhaltung.

Unsere Highlights
Gerhard Berger - René Rast - DTM - Hockenheim 2020
DTM
DTM-Chef Gerhard Berger und der neue, alte Meister René Rast.

Tränenreiches Finale

Beim Samstagrennen wahrte Müller seine letzte Chance mit einem Sieg. "Wir leben noch", rief er erleichtert in den Boxenfunk. "Was für ein Krimi!" Damit habe ich zwar gerechnet, aber wenn man im Auto sitzt, ist es schon nochmal etwas Anderes." Rast fuhr einen sicheren zweiten Platz nach Hause, und freute sich darüber, dass sein Vorsprung immer noch 13 Punkte betrug. Den dritten Platz belegte Jamie Green – ein weiterer Audi-Fahrer.

Am Sonntagmorgen konterte Rast mit der siebten Trainingsbestzeit der Saison. Nun musste Müller, der nur Vierter wurde, schon 16 Punkte aufholen. Der Schweizer hoffte auf ein "bisschen Chaos". er gab alles, aber es reichte nicht gegen den amtierenden Meister. Der Titelverteidiger machte souverän den Sack zu. Wie viel Druck er hatte (oder sich selbst machte) zeigte sich auf der Auslaufrunde. "Irgendwann konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Es fiel so viel Last von mir." Sein Schweizer Herausforderer machte ein langes Gesicht: wieder nur Vizemeister. "Viel Wehmut ist dabei", sagte Müller. "Auch, weil wir Abschied nehmen müssen von diesen großartigen Autos."

Dritter hinter dem Duo wurde erneut Green. Schön wäre es gewesen, wenn sich auch die BMW-Fahrer im Kampf um den Titel nennenswert beteiligt hätten. In Hockenheim gab es wieder Haue. Platz sechs im Samstagsrennen für Jonathan Aberdein, Platz sieben am Sonntag für den Südafrikaner.

Nur zwei Siege standen für Weiß-Blau nach 18 Rennen zu Buche. Ansonsten waren sie kaum mehr als Komparsen bei den großen Audi-Festspielen. Die beiden Triumphe von Lucas Auer am Lausitzring und Sheldon van der Linde in Assen waren nicht mehr als Zufallstreffer, zurückzuführen auf Wetterkapriolen und pures Glück beim Safety-Car-Lotto. Bei den Podiumsplatzierungen sah die Bilanz nicht besser aus: Neun Mal schaffte es ein M4-Treter aufs Stockerl. 45 Mal trafen sich Audi-Fahrer bei der Siegerehrung.

Jonathan Aberdein - BMW M4 - DTM - Hockenheim 2020
DTM
BMW hatte auch im Saisonfinale nichts zu melden. Jonathan Aberdein war in Hockenheim der schnellste Fahrer der Weiß-Blauen.

Eine Win-Win-Situation

Im Schnitt waren die BMW M4 DTM das ganze Jahr über pro Kilometer gut eine Zehntelsekunde zu langsam, egal ob im Qualifying oder im Rennen. Das klingt nicht spektakulär, aber nach 160 Rennkilometer kommen so 15 bis 20 Sekunden Verspätung auf die Besten zusammen. Den qualvollen Rückstand aufzuholen, war nicht mehr als ein naiver Wunschtraum. Wie sollte das auch gehen, nachdem ein Technik-Freeze im Regelwerk verhinderte, dass die Ingenieure die Ärmel hochkrempeln konnten. Eine Regel, die auf dem Sparkurs der Hersteller beruhte, und die auch Promotor Gerhard Berger wohl gerne rückgängig gemacht hätte.

Als die Saison mit drei Monaten Verspätung im August endlich begann, hatte Audi seinen Ausstieg schon längst verkündet. BMW tat kund, keine Lust auf einen eventuellen M4-Markenpokal zu verspüren. Die DTM in ihrer ursprünglichen Form war also schon vor dem Saisonauftakt am Ende. Es kam nun darauf an, sich einerseits in der Saison 2020 mit Würde aus der Affäre zu ziehen, und zweitens eine Perspektive zu entwickeln, wie es nach der Ära der Hersteller mit der Plattform DTM weitergehen könnte.

Beide Aufgaben wurden anständig erledigt. In sportlicher Hinsicht, weil Audi-Sportchef Dieter Gass auf Stallregie verzichtete. Klar, er hatte dies angesichts des RS 5-Markenpokals an der Spitze auch nicht nötig. Hinter den Kulissen schaffte es Gerhard Berger mit Cleverness, guten Beziehungen und dem TV-Vertrag mit SAT.1 im Rücken, der Serie eine vernünftige Zukunft aufzuzeigen. Sowohl für 2021 wie auch perspektivisch für die Jahre 2023 ff – frühestens! – mit über 1.000 PS starken Elektro-Monstern.

Eine Win-Win-Situation für die DTM und für Berger. Denn der Tiroler ist nach dem Ausstieg von Audi und BMW aus der ITR (Internationale Tourenwagen-Rennen e.V.) nun der alleinige Besitzer. Ein Job mit Risiken – aber auch mit großen Chancen.