Die neuen Reifenregeln in der WEC
Neue Gummis für 2017

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In der neuen WM-Saison stehen den Werksteams in den Klassen LMP1 und GTE weniger Reifen zur Verfügung. Michelin zauberte mit schwarzer Magie neue Reifen – die Doppelstints fast ohne Einbußen beim Speed verkraften.

Porsche 919 Hybrid - Vortest - 24h-Rennen Le Mans 2017
Foto: Porsche

Es war fraglos die größte und weitreichendste Regeländerung für die neue Saison in der Sportwagen-WM: Die Werksteams in den Klassen LMP1 und GTE Pro müssen 2017 mit vier Sätzen Reifen für Qualifying und Rennen auskommen – statt wie bisher sechs Sätze verwenden zu dürfen. Das bedeutet, dass bei der regulären Sechs-Stunden-Distanz der meisten WM-Rennen die Reifen jetzt zwei Stints aushalten müssen – statt zuvor nur einen Stint.

Bei den ersten beiden WM-Läufen in Silverstone und Spa spielte der Reifenverschleiß denn auch die zentrale Rolle in der Strategie der Teams. „Bisher waren Doppelstints nur eine taktische Option, jetzt sind sie laut Reglement aber Pflicht“, erklärt Michelins WM-Manager Jérôme Mondain. Frage: Wie kam es zur Regeländerung? „Die FIA hat die Änderung angestoßen, weil man den schonenden Umgang mit Ressourcen dokumentieren will“, erklärt Michelin-Rennchef Pascal Couasnon. „Die Idee besteht darin, die gleiche Performance mit geringerem Materialbedarf darzustellen. Wir unterstützen die neuen Regeln, da die Dauerhaltbarkeit für Michelin auch bei den Straßenreifen stark im Vordergrund steht.“

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Neue Reifengeneration für 2017

Nun sind Doppelstints im Motorsport nicht per se etwas Neues: In der LMP1-Klasse werden zum Beispiel in Le Mans seit vielen Jahren dauernd Mehrfachstints abgespult, seit eine Änderung im Regelwerk den Einsatz von nur noch einem Schlagschrauber beim Reifenwechsel erlaubt. Das verlängerte die benötigte Wechselzeit stark. Die Teams wollten deshalb von Michelin Reifen, die mehrere Stints verkraften – was in Summe Standzeit in der Boxengasse spart.

2011 fuhren die Teams dann sogar Fünffachstints, der französische Audi-Pilot Benoît Tréluyer holte damals auf Reifen die Pole-Position, die bereits 54 Runden auf dem Buckel hatten!

Doch Le Mans ist mit seinen langen Geraden ein Kurs, auf dem primär Längskräfte auf die Reifen wirken, der Anteil der Querkräfte ist prozentual deutlich geringer. „Durch unsere Erfahrung mit den Mehrfachstints in Le Mans war die neue Aufgabenstellung für uns einfacher zu lösen“, so WM-Manager Jérôme Mondain, der aber auch festhält: „Trotzdem mussten wir die Reifengeneration für 2017 komplett neu aufsetzen, denn im Unterschied zu 2011 fahren die LMP1-Rennautos heute erstens die schmaleren Dimensionen aus der LMP2-Klasse, zweitens gilt die Regel nun für alle Strecken – und die unterscheiden sich beim Abrieb zum Teil sehr stark.“

Die kniffligsten WM-Pisten sind Shanghai und Bahrain, wo die Teams bisher sogar acht Reifensätze verwenden durften, dazu wird der Event in Austin ein neuer Härtefall, weil das Rennen in Texas jetzt in der Hitze des Tages stattfindet und nicht mehr am frühen und kühleren Abend.

Transparenz bei Reifenwahl

„Wegen der großen Herausforderung haben wir zusammen mit den LMP1-Herstellern bereits im Sommer letzten Jahres mit der Testarbeit für 2017 begonnen, um Erfahrungen bei Hitze zu sammeln“, erklärt Mondain. Der Prozess für die Auswahl der Reifen wurde jedoch nicht verändert: „Die LMP1-Hersteller beginnen die Testphase mit einem identischen Basisreifen, der dann bei Konstruktion und Mischung ausgefächert wird“, erklärt Mondain. „Die Teams entscheiden, mit welchen Reifen sie weiterarbeiten wollen, dann passen wir die Slicks mit jedem Hersteller separat an.“

Am Ende erhalten die LMP1-Hersteller die Chance, die Reifenwahl des Klassengegners gegenfahren zu können. „Doch dieser Test spielt heute keine große Rolle mehr, da die Prozesse so gut sind, dass sich jeder Hersteller auf seine Testergebnisse konzentriert und verlassen kann“, erklärt Mondain. Trotzdem ist maximale Transparenz für Michelin wichtig, „denn wir wollen als Reifenhersteller ja nicht den Sieger auswählen!“.

Die neuen Reifen sind stärker auf Langlebigkeit und Konstanz ausgelegt, gleichzeitig blieb ihr Peak-Verhalten – also viel Grip über eine Runde im Qualifying – voll erhalten. „Wenn die Teams das Set-up perfekt erwischen, dann verlieren sie in Abhängigkeit von der Streckencharakteristik im zweiten Stint vielleicht eine halbe Sekunde pro Runde“, so Mondain. Wenn die Teams das Set-up aber verhauen, können die Rundenzeiten im zweiten Stint förmlich explodieren – es wird also spannend.

Damit die Fans die Strategieschlacht in der LMP1-Klasse besser verstehen, kommt ab Le Mans ein System zum Einsatz, das die Reifenmischung und die Anzahl der Runden per App öffentlich macht.