Datenvergleich Huracan Sterrato vs. 911 Dakar
Welcher Sportwagen ist der bessere Offroader?

Lamborghini und Porsche schicken demnächst Sportwagen mit Gelände-Attitüde ins Rennen. Wir wagen den Datenvergleich zwischen Huracan Sterrato und 911 Dakar.

Porsche 911 (992) Dakar Lamborghini Sterrato Collage
Foto: Hersteller / Patrick Lang

Offroad-Sportwagen waren in der jüngeren Vergangenheit bereits bei einigen Tunern und Kleinserien-Herstellern ein heißes Thema. Nun fangen sogar die ersten namhaften Autohersteller an, dieses bisher nicht existente und kaum vermisste Segment zu etablieren. Mitte November zeigte Porsche auf der Los Angeles Auto Show den 911 Dakar (siehe Video). Vor wenigen Tagen zog Konzernschwester Lamborghini auf der Kunstmesse Art Basel in Miami Beach mit dem Huracan Sterrato (siehe Fotoshow) nach, was aus dem Italienischen übersetzt "Gelände" bedeutet.

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Und weil es sich anbietet, wenn zwei Autos mit derart ähnlicher Machart in so kurzem Abstand vorgestellt werden, haben wir uns nur zu gern in deren Daten gewühlt. Natürlich mit dem Ziel, als Fazit eine Prognose zu wagen, welcher der bessere Sportwagen und welcher der kernigere Offroader ist.

Design

Die Designer in Sant'Agata Bolognese und Stuttgart-Zuffenhausen scheinen beim flüchtigen Hinsehen sehr ähnlich vorgegangen zu sein. Ein paar intensivere Blicke auf beide Offroad-Sportler lassen jedoch den Schluss zu: Beim Huracan Sterrato dienen die Offroad-Anbauteile vor allem dem Zweck, die markentypische optische Dramatik zu erzeugen – ja, auch die auf eine ebenso absurde wie coole Art integrierte Dachreling. Der 911 Dakar scheint dagegen eher praxisbezogen gestaltet zu sein.

Beispiele gefällig? Gerne! Nehmen wir die Radlaufverbreiterungen: Beim Lambo bestehen sie aus Verbundwerkstoff, beim Porsche aus Kunststoff. Der Unterboden ist beim Italiener vor allem durch Aluminium geschützt, beim Schwaben kommt hier vorrangig robustes Edelstahl zum Einsatz. Die Lufteinlässe in den Frontschürzen sind bei beiden Kontrahenten vorbildlich mit Gittern geschützt. Beim Sterrato gilt das sogar für die Dach-Lufthutze, die dem Motor selbst auf staubigem Terrain stets ausreichend Frischluft zuführen soll.

Der Dakar verfügt dagegen über einen feststehenden Carbon-Heckspoiler. Und zwar deshalb, weil die sonst verwendete adaptive Technologie im schroffen Gelände zu stark leiden könnte. Zusatzleuchten gibt es bei ihm erst, wenn der optionale Dachkorb geordert wird; die dafür nötigen Stromanschlüsse sind aber aufpreisfrei installiert. Der Huracan präsentiert vorne stets zwei LED-Zusatzleuchten – Stichwort Dramatik, Sie wissen schon.

Fahrwerk

Anspruchsvolles Gelände ist für den Elfer kein Tabu, weil sein Fahrwerk mit serienmäßiger Hinterachslenkung, Stahlfedern und variablen PASM-Dämpfern auf dem Papier tatsächlich für harte Geländeeinsätze gerüstet zu sein scheint. Nicht nur wegen der Höherlegung um 50 Millimeter im Vergleich zu einem 911 Carrera mit Sportfahrwerk. Sondern auch wegen der Fahrwerkseinstellung "Hochniveau", die die Karosserie weitere 30 Millimeter anhebt. Ziehen die Fahrerin oder der Fahrer hier alle Register, ist eine maximale Bodenfreiheit von 161 Millimetern drin. Allerdings ist dann auch die Höchstgeschwindigkeit auf 170 km/h limitiert.

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Porsche
Porsche bietet für den 911 Dakar optional einen Dachkorb und zahlreiches Zubehör an.

Ohne bisher die genauen Daten zu kennen, wagen wir die Behauptung: So viel Luft wie der Porsche bekommt der Offroad-Lamborghini nicht zwischen sich und den Untergrund; seine Bodenfreiheit im Vergleich zum Huracan Evo zeigt sich um "nur" 44 Millimeter erhöht. Die Italiener trauen sich bislang auch nicht, sonst für Geländewagen typische Kennzahlen wie Böschungs- und Rampenwinkel anzugeben. Porsche hat damit kein Problem. Ersterer liegt bei 14,2 (vorne) und 16,4 Grad (hinten), während Letzterer 16,2 Grad beträgt. Welcher der beiden eigens entwickelten Offroad-Reifen (Sterrato: Bridgestone Dueler Runflat in 235/40 R19 vorne und 285/40 R19 hinten beziehungsweise Pirelli Scorpion All Terrain Plus 245/45 ZR19 vorne und 295/40 ZR20 hinten) besser on- sowie offroad performt, ist in der Theorie natürlich nicht zu beurteilen.

Offroad-Fahrassistenten

Auch in Bezug auf die auf unbefestigten Wegen hilfreichen Fahrassistenten scheint der Schwabe besser gerüstet zu sein. In seinen Fahrmodi sind die neuen Abstimmungen Wet Plus sowie Rallye und Offroad hinterlegt. Letztere verfügen jeweils über eine eigens spezifizierte Launch Control, die für schnellere Beschleunigungen auf losem Untergrund mehr Radschlupf zulässt. Lamborghini hat bei seinem Fahrhilfen-Paket Dinamica Veicolo Integrata (LDVI) immerhin die Strada- und Sportabstimmung angepasst sowie einen Rallye-Modus integriert. Aber so gut wie der Porsche scheint er in dieser Hinsicht nicht gerüstet zu sein.

Motoren und Fahrleistungen

Dreht sich das Blatt auf der Straße? Wahrscheinlich schon – geradeaus auf jeden Fall. Selbstverständlich tritt der Huracan Sterrato mit dem bekannten und zentral im Chassis platzierten 5,2-Liter-V10-Sauger an, der 610 PS und maximal 565 Newtonmeter liefert. Der Boxer im Heck des 911 Dakar hat zwar weniger Zylinder (nämlich sechs), Hubraum (3,0 Liter) und Leistung (480 PS), aber dafür zwei Turbolader mehr zu bieten als das italienische Pendant. Und deshalb ein leicht höheres maximales Drehmoment von 570 Newtonmetern.

Weil beide Rivalen natürlich mit Allradantrieb und Hinterachs-Sperrdifferenzial (beim Lambo mechanisch, beim Porsche elektronisch) antreten, herrscht beim Null-auf-Hundert-Sprint Gleichstand (3,4 Sekunden). In höheren Regionen setzt sich die Power des Kampfstiers jedoch zusehends durch (9,8 statt 12,0 Sekunden von null auf 200 km/h). Auch beim Topspeed (260 statt 240 km/h; jeweils elektronisch abgeregelt) hat er die Nüstern vorne. Bei der negativen Beschleunigung gilt das wahrscheinlich auch, denn er verfügt über größere Bremsscheiben, die noch dazu aus einem Carbon-Keramik-Verbundwerkstoff statt aus Stahl bestehen. Porsche nennt den 100-auf-Null-Bremswert für den 911 Dakar bislang nicht; Lamborghini gibt ihn beim Huracan Sterrato mit 39 Metern an.

Fahrdynamik

Die Fahrdynamik auf Asphalt lässt sich wohl erst nach ausgiebigen Testfahrten auf entsprechenden (Renn-)Strecken beurteilen. Technisch bringen beide Modelle jedenfalls vieles mit, was sich bei ihren Standardversionen schon als Fahrspaß- und Rundenzeit-Verbesserer erwiesen hat. Die Hinterachs-Lenkung und das PASM-Fahrwerk des Porsche wurde bereits erwähnt; hinzu kommen serienmäßige Details wie Wandstabilisierung, dynamische Motorlager, Torque Vectoring Plus und die Dynamic Chassis Control. Der Lamborghini kontert mit elektromagnetisch angesteuerten Magne-Ride-Dämpfern und seinem schon genannten LDVI-System, ist aber grundsätzlich etwas mehr im Low-Tech-Bereich unterwegs. In beiden Konkurrenten lassen sich die elektronischen Fahrhilfen zudem feinjustieren oder komplett deaktivieren.

Interieur

Rücken wir nach innen. Wenig überraschend tritt der Huracan Sterrato als Zweisitzer an – eine Gemeinsamkeit mit dem 911 Dakar, der stets ohne Rücksitze ausgeliefert wird, aber auf Wunsch mit Überrollkäfig. Leder verwenden innen beide Hersteller, wobei Lamborghini es mit echtem Alcantara kombiniert, während Porsche das ähnliche Material Race-Tex verwendet. Als exklusive Interieurfarbe bieten die Italiener für ihren Offroad-Sportler ein spezielles Grün an, während beim Elfer klassisches Schwarz zum Einsatz kommt – immerhin mit grünen Ziernähten. Bei der Größe des Front-Kofferraums erarbeitet er sich dagegen einen leichten Vorteil (132 statt 100 Liter).

So viel zu den harten Fakten – fehlen noch gewisse "Soft Skills". Thema Individualisierungsmöglichkeiten: Mit seinem Ad-Persona-Programm kann Lamborghini die Sterrato-Karosserie in eine von 350 verschiedenen Lackvarianten tauchen und für das Interieur mehr als 60 Farbwelten anbieten. Beim Porsche dürften die Wahlmöglichkeiten etwas weniger breit gestreut sein. Dafür gibt es auf Wunsch einen passenden Chronographen mit einem Gehäuse aus dem ultraleichten Hightech-Werkstoff Titancarbid. Und für 26.061 Euro extra ein Dekorpaket, mit dem der 911 Dakar im Stile des Siegerautos der gleichnamigen Langstrecken-Rallye 1984 daherkommt.

Preise und Limitierung

Ein solches Feature kann der Huracan nicht aufbieten. Wie auch: Wer wie Lamborghini noch nie bei der Rallye Dakar angetreten ist, kann sie auch nicht gewonnen haben. Dafür kommt er mit interessanten Gelände-Dreingaben wie einer digitalen Wank- und Nickanzeige, die über die Neigungswinkel informiert, sowie einem Kompass und Anzeigen der geografischen Koordinaten samt Lenkwinkel. Hinzu kommt ein Telemetriesystem samt "Drive Recorder", mit dem sich Touren aufzeichnen lassen – auch auf Video. Er ist obendrein das exklusivere Auto: Seine Stückzahl ist auf 1.499 Exemplare limitiert, während Porsche die 911-Dakar-Produktion bei 2.500 Einheiten deckelt. Der Zuffenhausener trägt bereits ein Preisschild (222.020 Euro), der Norditaliener noch nicht. Aber man muss kein Prophet sein, um voraussagen zu können, dass er deutlich teurer sein wird.

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Lamborghini Huracan SterratoPorsche 911 Dakar

Fazit

Natürlich basiert diese Einschätzung bisher rein auf theoretischen Annahmen. Dennoch würde es nicht überraschen, wenn der Porsche 911 Dakar bei einer Wettfahrt im realen Leben im Gelände besser abschneiden würde, der Lamborghini Huracan Sterrato dagegen auf befestigtem Untergrund. Aber keine Sorge: Sobald beide Offroad-Sportler als Testwagen zur Verfügung stehen, folgt die Probe auf's Exempel. Wobei der Sieger dieses Vergleichstests nach einem interessanten Punkteschema zu ermitteln sein wird.

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