Ferrari Purosangue (2023)
V12-SUV ab 362.000 Euro, Auftragsbücher bereits voll

Der Ferrari Purosangue überrascht mit seiner brachialen Motorisierung. Kein Strom, kein Turbo, einfach nur pure Zwölfzylinder-Sauger-Power. Auch der Preis ist eine Ansage: ab rund 362.000 Euro geht es los. Die Kunden stört das aber nicht.

Ferrari Purosangue Premiere 2022
Foto: Ferrari

Der Purosangue (übersetzt: Vollblut) bedeutet eine Zäsur: Lange hatte sich der inzwischen verstorbene Fiat/Chrysler-Boss Sergio Marchionne gegen einen Offroader gewehrt: "Vorher muss man mich erschießen", antwortete er 2016 auf die Frage nach einem Ferrari-SUV. Im August 2017 machte er seine geänderte Haltung publik, als er vor den Anlegern die Unternehmenszahlen für das zweite Quartal präsentierte. Das Zitat blieb dasselbe. Allerdings setzte es Marchionne in einen anderen Zusammenhang. Man möge ihn erschießen, wenn Ferrari mit einem ähnlichen SUV wie BMW, Bentley oder Porsche auf den Markt stürme.

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Auch beim nächsten Ferrari-Chef, Louis Camillerie, passten die Wort "Ferrari" und "SUV" nicht zusammen. Er sei anfänglich ziemlich skeptisch gewesen, so der mittlerweile abgelöste Camillerie, aber das Konzept habe ihn überzeugt. Zuletzt sagt er, dass er ein enthusiastischer Unterstützer des Projekts sei. Schließlich verbreitere es die Kundenschicht, insbesondere in China, wo gutbetuchte die Marke schätzen, aber nicht mehr vom Sportwagen träumen. Die Konkurrenz von Porsche, Lamborghini und Bentley sowie Maserati haben ihre Verkäufe allesamt dank SUV-Modellen belebt. Und selbst die Nobel-Marke Rolls-Royce hat mit dem Cullinan einen SUV in Angebot.

Zierlich statt protzig

Im Vergleich zu diesem monströs großen Cullinan (5,35 Meter, 2,7 Tonnen) ist der neue Ferrari Purosangue allerdings fast schon eine zierliche Diva. Mit 4,97 Meter bleibt er unter der Fünfmeter-Grenze und die versprochenen 2.033 kg Leergewicht sind für ein heutiges Superluxus-SUV geradezu schmächtig. Dieser Verzicht auf brutale Präsenz zugunsten einer filigranen, sportlichen Silhouette ist dem neuen Ferrari Purosangue vor allem von der Seite anzusehen.

Ferrari Purosangue Premiere 2022
Ferrari
Die Grundform erinnert an den 2020 eingestellten GTC4 Lusso.

Mit den herausmodellierten Radhäusern, dem hinten abfallenden Dach mit schräg stehender Heckscheibe, der langgestreckten und spitz zulaufenden Sportwagenfront und nicht zuletzt den sehr luftig wirkenden Fünfspeichernrädern (vorne 22 Zoll, hinten 23 Zoll) kaschiert der Ferrari Purosangue nicht nur seine tatsächliche Größe sehr gekonnt, er wirkt auch mehr wie ein Sport-Coupé denn als SUV. Die Grundform ist der des Shooting-Brake GTC4 Lusso nicht unähnlich, der schon seinerzeit eine gewisse Vorahnung auf das erste Ferrari-SUV erlaubte. Nur die für Ferrari untypische Bodenfreiheit lässt erkennen, welches Segment der Purosangue da erobern will.

Ferrari Purosangue - Abmessungen

ABMESSUNGEN UND GEWICHT

Länge 

4973 mm

Breite 

2028 mm

Höhe

1589 mm

Radstand

3018 mm

Spurweite vorne 

1737 mm

Spurweite hinten

1720 mm

Leergewicht

2033 kg

Leistungsgewicht 

2,8 kg/PS

Gewichtsverteilung

49 % v. / 51 % h.

Tankvolumen 

100 Liter

Kofferraumvolumen

473 Liter

B-Säule trotz gegenläufiger Türen

Clean ist dabei Trumpf. Die kleinen Türgriffe der Vordertüren sind versenkt in die Karosserie eingefügt, die der hinteren Türen von außen nicht zu sehen. Aus einem einfachen Grund, sie sind innenliegend. Denn Ferrari hat sich beim ersten Viertürer in der 75 Jahre alten Markengeschichte für gegenläufige Türen entschieden, die hinteren sind hinten angeschlagen und öffnen auf Knopfdruck elektrisch in einem Winkel von 79 Grad. Dieser Kniff ermöglicht trotz der kleinen hinteren Türöffnung einen recht bequemen Zustieg in die zweite Reihe. Auf eine B-Säule, die sich manche Hersteller bei solchen Türkonstruktionen ersparen, verzichtet Ferrari dabei aus Steifigkeitsgründen nicht.

Ferrari Purosangue - Motor

TRIEBWERK

Typ

V12 – 65° – Trockensumpf

Gesamthubraum

6496 cm³

Bohrung und Hub

94 mm x 78 mm

Max. Motorleistung*

725 PS (533 kW) bei 7750 U/min

Max. Drehmoment 

716 Nm bei 6250 U/min

Max. Drehzahl

8250 U/min

Verdichtung

13,6:1

Spezifische Leistung

111 PS/l

Das Vollblut-Pferd aus Maranello hat neben dem bemerkenswerten Design aber vor allem jede Menge innere Werte zu bieten, beginnend natürlich mit dem wichtigsten Element in jedem Ferrari, dem Motor. Entgegen erster Vermutungen griff Ferrari hier in die Vollen. Statt eine kleinere Sechs- oder Achtzylindermaschine, beflügelt von Hybrid- und/oder Turbotechnik einzusetzen, ist im Purosangue das Königs-Aggregat der Marke verbaut, der 6,5 Liter V12 Saugmotor. Der Motor aus der F140-Reihe, im Purosangue mit der Codenummer F140IA geführt, wurde unter anderem grundlegend in der Abgas- und Ansauganlage überarbeitet, die Zylinderköpfe stammen vom Ferrari 812 Competizione.

Stärkster SUV der Welt

Grund für die Überarbeitung war eine "alltagstauglichere" Abstimmung der Maschine für den Einsatz als Familien-SUV, um bereits in einem niedrigen Drehzahlbereich viel Drehmoment abzuliefern. So stehen bereits ab 2.100 Touren 80 Prozent des maximalen Drehmoments zur Verfügung. In der Höchstleistung liegt der V12-Sauger mit 725 PS zwar unter den Sportwagenvarianten zum Beispiel im Ferrari 812 Superfast, doch um die weltweit angetretene Power-SUV-Konkurrenz zu bügeln, reicht das. Nicht nur die halbstarken US-Boys (Dodge Durango SRT Hellcat, Jeep Grand Cherokee Trackhawk) müssen da passen. Auch die distinguierten europäischen Edel-Wettbewerber Rolls-Royce Cullinan, Bentley Bentayga, Lamborghini Urus Performante und selbst der neue Aston Martin DBX707 sind in diesem Power-Quartett nur zweite Sieger.

Der V12 ist beim Ferrari Purosangue als Front-Mittelmotor hinter der Vorderachse ausgeführt und setzt auf Transaxle-Bauweise mit Allradantrieb. Vor dem Zwölfzylinder ist dafür die Power Transfer Unit (PTU) für den Vorderradantrieb angeflanscht, ein separater Kurbelwellenausgang treibt dabei ein separates Zweigang-Doppelkupplungsgetriebe an, das mit integriertem Torque-Vectoring-System bei Bedarf die beiden Vorderräder mit Kraft versorgt. Im Alltag ist der Purosangue als Hecktriebler unterwegs, das im Hinterachsantrieb integrierte Doppelkupplungsgetriebe verfügt über acht Gänge. Der achte Gang erfüllt dabei eine Overdrive-Funktion als drehzahlsenkende Langstrecken-Stufe.

Ferrari Purosangue - Räder/Bremsen

Räder und Bremsen

Reifen/Felgen vorne 

255/35 R22 J9.0

Reifen/Felgen hinten

315/30 R23 J11.0

Bremsen vorne 

398 x 38 mm

Bremsen hinten

380 x 34 mm

Der Purosangue bietet die erwartbare Armada an Fahrerassistenzsystemen, darunter die adaptive Abstands- und Geschwindigkeitsregelung (ACC), automatisches Notbremssystem (AEB), automatisches Abblendlicht/Fernlicht (HBA/HBAM), Spurhalteassistent (LDW), Spurverlassenswarnung (LKA), Totwinkelassistent (BSD), Querverkehrswarnung (RCTA), Verkehrszeichenerkennung (TSR), Müdigkeits- und Aufmerksamkeitsassistent (DDA) und Einparkkamera (NSW). Premiere in einem Ferrari feiert hingegen eine andere Fahrhilfe, die Hill Descent Control für die elektronisch kontrollierte Bergabfahrt. Ursprünglich für SUV ohne Geländeuntersetzung entwickelt, kann die HDC auch im Straßeneinsatz im Gebirge bei glattem Untergrund wertvolle Dienste leisten.

Ferrari Purosangue Premiere 2022
Ferrari
Der Beifahrer darf mitfiebern: Geteiltes Cockpit mit zwei Bildschirmen.

Statt eines heute üblichen Cockpits mit zentralem Infotainmentdisplay wird der Beifahrer im Ferrari Purosangue mit einer eigenen Display-Einheit, eingerahmt von Lüfterdüsen, in das Geschehen eingebunden. Die Pilotenseite ist laut Ferrari vom SF90 Stradale inspiriert, der Manettino-Schalter im Multifunktionslenkrad ist natürlich Ehrensache, im Fahrerdisplay dominiert der runde Drehzahlmesser.

Ferrari Purosangue - Fahrleistungen

FAHRLEISTUNGEN 

Höchstgeschwindigkeit

> 310 km/h

0-100 km/h

3,3 Sek.

0-200 km/h

10,6 Sek.

100-0 km/h

32,8 m

200-0 km/h

129 m

Mit kugelsicherem Teppich

Für den Einsatz als Familien-SUV setzt Ferrari beim Purosangue auf hintere Einzelsitze, die elektrisch einstell- und beheizbar sind. Für eine höhere Kofferraumkapazität, bislang nicht direkt die Parade-Disziplin eines Ferrari, lassen sie sich nach vorne klappen. Anstelle des traditionellen Teppichs oder Leders für den Bodenbelag steht optional auch ein kugelsicheres, ballistisches Gewebe zur Verfügung, das aufgrund seiner außergewöhnlichen Widerstandsfähigkeit und Langlebigkeit auch in Militäruniformen verwendet wird.

Verkaufsstart, Preis und lange Wartezeit

Der Ferrari Purosangue wird voraussichtlich noch in 2022 in Produktion gehen, die ersten Auslieferungen werden nach aktuellen Meldungen im zweiten Quartal 2023 stattfinden. Zum Preis verweigert Ferrari jede offizielle Aussage. Die Kollegen der britischen Autocar wollen aber dennoch erfahren haben, dass der Purosangue in Großbritannien zu Preisen ab 313.120 Pfund startet – umgerechnet wären das rund 361.700 Euro. Der Ferrari sortiert sich damit deutlich über dem Wettbewerber Lamborghini Urus S ein, der bereits ab 195.538 Euro zu haben ist. Die Ferrari-Kunden stört das aber offensichtlich nicht. Wie The Drive berichtet, wurden bereits zwei Monate nach der Vorstellung des Purosangue die Auftragsbücher schon wieder geschlossen. Die komplette Produktion für zwei Jahre sei schon vergeben. Wie viele Autos Ferrari vom SUV bauen will ist nicht bekannt. Ferrari betonte aber, dass der Produktionsanteil des ersten SUV nicht über 20 Prozent steigen soll. Der Purosangue sei schließlich kein Modell, das den Hersteller finanziell retten muss wie bei anderen Anbietern. Der Purosangue wurde nur entwickelt, weil die Kundschaft einen SUV von Ferrari begehrt. Ferrai ist und bleibt im Kern ein Sportwagenbauer. Wann Ferrari wieder neue Aufträge für den Purosangue annimmt ist derzeit nicht bekannt.

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Fazit

Jetzt auch Ferrari. Lange konnte sich die Marke mit dem aufsteigenden Pferd dem SUV-Boom entziehen, nun zieht auch dieser Hersteller mit einem Modell in den Reigen der Luxus-SUV ein – wobei Ferrari hier nicht den Weg des martialischen Mega-SUVs geht. Die Italiener schaffen mit dem Purosangue ein filigraneres SUV-Coupé im Stil des 2020 eingestellten GTC4 Lusso. Trotz des allgemein erwarteten "Downsizing" bei der Motorisierung setzt Ferrari auf die legendäre Zwölfzylinder-Maschine und überarbeitet diese für den ersten Viertürer der Marke in Richtung alltagstauglicher Abstimmung. Der Spaß kommt dabei natürlich trotzdem nicht zu kurz, die Fahrleistungen sind echt Ferrari.