Ferrari SF90 Stradale (2020)
Hypercar mit 1.000 PS - 220 davon unter Strom

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Ferrari zeigt sein neues Hypercar – mit Hybridantrieb. Der SF90 Stradale kann zwar nur 25 Kilometer elektrisch fahren, ist aber dank vier Motoren in 2,5 Sekunden auf 100 km/h.

Ferrari SF90 Stradale
Foto: Ferrari

64 Meter trennen die alte Hybrid-Welt bei Ferrari von der neuen Plug-in-Hybrid-Welt. 64 Meter, die der neue SF90 Stradale auf der Ferrari Hausstrecke Fiorano früher durchs Ziel rauscht als sein Vorgänger LaFerrari – im Supersportwagen-Olymp eine Welt. 64 Meter, die der SF90 nach 79 Sekunden auf dem knapp drei Kilometer langen Kurs rausholt, weil er laut Ferrari schneller beschleunigt, mehr Querdynamik aufbaut, härter bremst, ach irgendwie alles besser und schneller kann als alles, was bisher auf Straßenreifen aus dem Werk in Maranello fuhr.

Unsere Highlights

Klassische Proportionen, eckige Rückleuchten

Durchatmen. Wir fangen von vorne an: Aus dem internen Projekt 173 wurde der offizielle Name Scuderia Ferrari 90 Jahre – kurz SF90. Eine 4,71 Meter lange, 1,19 hohe und 1,97 Meter breite Sportwagenskulptur, der man schon auf den ersten Blick einschüchternde Tempo-Kompetenz zutraut.

Unverkennbar ein Ferrari in der Grundform überrascht die Karosse im Detail: Die Frontscheinwerfer ziehen nicht mehr weit nach hinten, sondern bilden einen kantigen Mini-Bumerang mit horizontalem Abschluss. Weiche geschwungene Linien konterkarieren intensiv mit messerscharfen. Am Heck werden sich gusseiserne Ferraristi reiben: Die Rücklichter sind nicht mehr rund, sondern eckig. Er sieht klasse aus, aber nicht klassisch.

Ferrari SF90 Stradale
Ferrari
Design-Merkmal: Die Rücklichter sind nicht Ferrari-typisch rund, sondern eckig.

V8-Turbo, tiefer gelegt

Die gläserne Heckscheibe des Ferrari SF90 offenbart einen überraschenden Einblick auf den neuen Antriebsstrang, denn der aus dem 488 GTB entwickelte V8-Turbomotor kauert so tief wie bei kaum einem anderen Auto dieser Welt im Unterboden. Die Höhe des Zylinderkopf überragt kaum den Radmittelpunkt der Hinterreifen. Ferrari presst turbounterstützt fast 200 PS aus jedem der vier Liter Hubraum. Bis zu 780 PS oder besser gesagt 800 Nm zerren an der Kurbelwelle, die ins Zentrum eines schmal bauenden 150 Kilowatt starken Elektromotor mündet.

Von dort geht die Kraft direkt in das hinter der Hinterachse sitzende neue 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Dessen extrem flache Bauweise durch den abgeflachten statt runden Motoranschluss und die deutlich verkleinerte Mehrlamellen-Kupplung sind ein Schlüssel für die um 15 Prozent niedrigere Position des gesamten Antriebsstrangs.

Kleine Batterie, elektrisch bis 135 km/h

Vor dem V8 und im Kreuz des Fahrers lauert die 7,9 kWh große Lithium-Ionen-Batterie. Ein Akku von überschaubarer Größe. Porsche etwa bietet bei seinen Plugins fast den doppelten Energieinhalt. Aber besonders lange elektrisch fahren lag wohl auch nicht im Fokus der Ingenieure: Der SF90 schafft selbst auf dem Prüfstand nur 25 rein elektrische Kilometer. In der Praxis werden es wohl knapp zweistellige Werte, so lange man nicht die maximale rein elektrische Geschwindigkeit von 135 km/h ausnutzt. Die paar Kilometer hin oder her ändern aber nichts daran, dass hier der erste auch rein elektrisch fahrende Ferrari steht.

An der Vorderachse rotiert für jede Radseite ein Elektromotor mit bis zu 85 Kilowatt. Bei sehr hohem Tempo können die Motoren abgekuppelt werden, was sie vor dem Drehzahl-Tod und Zwangsrekuperation bewahrt. Insgesamt würden die drei E-Motoren im neuen Super-Ferrari 320 kW (435 PS) aufbringen, wenn sie nicht von der eingeschränkten Stromfähigkeit des Akkus eingebremst würden. So bleiben dem elektrischen Trio gemeinsam maximal 162 kW oder 220 PS, um den Verbrennungsmotor zu unterstützen. Macht zusammen die trotzdem imposante Zahl von 1.000 Hybrid-PS. Das Doppelkupplungsgetriebe verarbeitet bis zu 1.200 Nm – ein Hinweis auf das von Ferrari nicht angegebene maximale System-Drehmoment.

Ferrari SF90 Stradale
Ferrari
In 6,7 Sekunden sollen die 200 km/h fallen. Maximales Tempo: 340 km/h.

1.570 Kilogramm, 340 km/h schnell

Das reicht um den beim Trockengewicht (ohne Betriebsflüssigkeiten und Fahrer) 1.570 kg schweren Wagen mit seinem Alu-Karbon-Spaceframe in nur 2,5 Sekunden von Null auf 100 km/h zu katapultieren. Der LaFerrari wog immerhin 200 kg weniger. Aber welche Chance haben die Ingenieure, wenn allein die Hybridkomponenten des SF90 270 kg wiegen? In nur 6,7 Sekunden soll trotzdem die 200-km/h-Marke fallen und erst bei 340 km/h ist Schluss mit der italienischen Tempo-Partie. Da gibt es Supersportwagen, die in der Theorie mehr Dynamik versprechen, aber Ferrari wäre nicht Ferrari, wenn es nur um Dragstrip-Rekorde ging.

Markentypisch arbeitet im Heckflügel ein aktives Aerodynamiksystem, das zur Erzielung eines höheren Anpressdrucks (Kurven und Bremsen) den inneren Teil des Flügels blitzschnell absenken und für geringeren Luftwiderstand (Spitzentempo) wieder hochfahren kann. Mit allen aerodynamischen Maßnahmen zusammen entsteht bei 250 km/h bis zu 390 kg zusätzlicher Anpressdruck. Die massive Karbon-Keramik-Bremsanlage in der Größe einer Family-Pizza wird nun noch besser mit Kühlluft angeströmt. So soll der Ferrari SF90 ganze zwei Meter früher aus 100 km/h stehen als der LaFerrari. Das spräche für weniger als 30 Meter Bremsweg aus Tempo 100 – so viel wie beim 488 Pista mit Sportreifen im Test von auto motor und sport. So langsam erklären sich die 64 Meter Unterschied in Fiorano.

Ferrari SF90 Stradale
Ferrari
Innenraum des Ferrari SF90 mit volldigitalem 16-Zoll-Display vor dem Fahrer.

Display in Tesla-Dimensionen

Das Interieur des SF90 bricht ebenfalls mit Ferrari-Traditionen: Das gewaltige 16-Zoll-Display vor dem Fahrer ist voll digital und wird von einem Headup-Display unterstützt und dem neuen Ultra-Multifunktions-Lenkrad mit Touch-Oberflächen gesteuert. Ferrari sagt dazu EOTR-HOTW: Eyes On The Road (EOTR), Hands On The Wheel (HOTW). Für den Sportfahrer noch entscheidender ist die ultratiefe Sitzposition nur eine halbe Ellenbogenlänge über dem Boden.

Immerhin wirkt beim neuen Bediensystem der Manettino-Drehschalter vertraut. Der Fahrer wählt damit zwischen vier verschiedenen Fahrmodi: eDrive für rein elektrisches Fahren, Hybrid für die optimale Kombination aus Dynamik und Effizienz, Performance für mehr Dynamik ohne Rücksicht auf den Verbrauch und Qualify für den Abruf aller Leistungsreserven.

Vor allem verspricht der SF90 durch seine vier Motoren ein Maß an dynamischer Drehmoment-Verteilung wie es in der Supersportwagen-Welt bisher einzigartig ist. Zudem klingt sein V8-Turbo brüllend, gierig und tief einfach herausragend.

Fazit

Wenn Ferrari 2020 die ersten Modelle des SF90 Stradale an Kunden ausliefert, können sich die neuen Besitzer freuen, auch wenn es bei Verbrauch und Preis bisher von Ferrari noch keine Auskunft gibt. Aber Informationen zu solchen Details können Ferrari-Käufer seit jeher verschmerzen – wenn sie das Auto denn bekommen.

Technische Daten
Ferrari SF90 Stradale
Grundpreis417.890 €
Außenmaße4710 x 1972 x 1186 mm
Kofferraumvolumen74 l
Hubraum / Motor3990 cm³ / 8-Zylinder
Leistung574 kW / 780 PS bei 7500 U/min
Höchstgeschwindigkeit340 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km