General Motors rangiert Kompressor-V8 aus
Die kurze Karriere des LT5-Kraftwerks

Der LT5-V8 aus dem General-Motors-Regal kam nur in einem Auto zum Einsatz: der Corvette C7 ZR1. Nun fliegt der Kompressor-Motor auch aus dem Crate-Engine-Programm.

Chevrolet Corvette ZR1 Cabrio
Foto: Gerd Stegmaier

Wenn in jüngerer Vergangenheit in Autokonzernen Verbrennungs-Motoren konstruiert wurden, dann mit dem vorrangigen Ziel, möglichst breit gestreut in vielen Baureihen eingesetzt zu werden. Nur so lassen sich die beträchtlichen Entwicklungskosten amortisieren – Stichwort Skalierbarkeit. Bei General Motors und dem LT5-V8 lief es irgendwie anders: Der per Kompressor aufgeladene 6,2-Liter-V8 kam bisher nur in einem einzigen Auto zum Einsatz – und das war auch nur eine besonders brachiale Modellvariante: Es geht um die Corvette ZR1, Generation C7, Modelljahr 2019.

Unsere Highlights

Nun steht offiziell fest: Der LT5 wird nicht zurückkehren. Es gibt keine Chance, dass wir den Kompressor-V8 irgendwann noch einmal in einem anderen General-Motors-Modell sehen. Auch die Corvette setzt in ihrer achten Generation weitgehend auf andere Motoren-Technologien. Nicht nur, dass ihr Verbrenner von vorne in die Mitte gewandert ist. Das Basismodell bleibt die einzige Modellversion, die noch auf das gute alte V8-Layout mit zentral liegender einfacher Nockenwelle setzt. Die bald folgenden Hardcore-Versionen verfügen über so moderne Spielereien wie eine flache Kurbelwelle mit einem Hubzapfenversatz von 180 Grad (Z06), Biturbo-Aufladung (ZR1) oder gar Elektrifizierung (E-Ray).

GM biegt technisch in eine andere Richtung ab

Der ziemlich oldschoolige LT5 bleibt hier außen vor. Und auch sonst ist für ein derart archaisches Triebwerk kein Platz mehr im GM-Universum. Konzernchefin Mary Barra trimmt General Motors mit aller Macht auf Nachhaltigkeit und Elektrifizierung; die traditionsreiche Marke Cadillac wird schon in naher Zukunft nur noch rein elektrisch angetriebene Modelle anbieten. Selbst eine rein elektrisch angetriebene Corvette oder eine SUV-Ableitung des Sportwagens (natürlich ebenfalls mit Elektroantrieb) sind längst keine Tabus mehr.

Früher war solchen Motoren wie dem LT5-V8, mit 765 PS und maximal 969 Newtonmetern der stärkste werksseitig in der Corvette C7 und sogar konzernweit angebotene Motor, wenigstens ein zweites Leben als sogenannter Crate Engine vergönnt. Dabei handelt es sich um neu produzierte, aber nur für den Versand per Kiste (Crate) bestimmte Motoren, die dann von Schraubern in eigentlich weniger kräftige Modelle eingebaut werden können. Aber selbst aus diesem Programm ist der LT5 inzwischen geflogen. "Ausgelaufenes Produkt. Kontaktieren Sie Ihren Händler, um die Verfügbarkeit zu klären", steht da lapidar auf der entsprechenden GM-Website geschrieben. Trotz der unverbindlichen Preisempfehlung von 19.000 Dollar (aktuell umgerechnet gut 16.000 Euro), der nun massiv steigen dürfte, sollte es nicht lange dauern, bis die Restbestände vergriffen sind.

Camaro ZL1 behält seinen Kompressor-V8

Wozu der LT5-Kompressor-V8 trotz nun angetretener Rente zu leisten imstande ist, verrät Ihnen mein Kollege Christian Gebhardt im Rennstrecken-Vergleichstest zwischen der Corvette ZR1 und dem Camaro ZL1 (siehe Fotoshow oben in diesem Artikel), der mit dem LT4-Triebwerk aus der Corvette C7 Z06 ausgerüstet ist. Der ZL1 leistet zwar "nur" 659 PS und wuchtet höchstens 881 Newtonmeter auf die Hinterachse. Aber dieses Muscle Car mit typisch amerikanischem Kompressor-V8 hat Chevrolet wenigstens noch im Angebot.

Umfrage
Mittelmotor, Turbo, Doppelkupplung - gibt GM zu viele Corvette-Charakteristika auf?
13188 Mal abgestimmt
Ja, alles wie bei der Konkurrenz kann nicht die Lösung sein.Nein, die Corvette ist ein Sportwagen, ihre Tradition ist bezahlbare Performance. Wie die zustande kommt, ist egal.

Fazit

Man kann es natürlich schade finden, dass GM den LT5-Motor ausrangiert, nachdem er der US-Fach-Website "Motor Trend" zufolge in gerade einmal ungefähr 3.000 Autos eingebaut wurde. Nachvollziehbar ist die Entscheidung dennoch, auch wenn der Konzern angesichts der geringen Stückzahl sicher überproportional viel Geld für dessen Entwicklung ausgegeben hat. Aber General Motors im Großen und die Corvette im Kleinen biegen technisch einfach in eine komplett andere Richtung ab – für einen Dinosaurier wie den LT5 ist da schlicht kein Platz mehr.