Hypercars-Hype
Preise absurd, Power nebulös, Wartezeiten lang

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Der Hype um die Hypercars kennt keine Grenzen. Aber, ist die Hysterie berechtigt? Aston Martin Valkyrie und Mercedes-AMG Project One sorgen zudem noch für Wartezeiten.

Aston Martin Valkyrie, Exterieur
Foto: Aston Martin

Hypercars sind die Leuchtturmprojekte der Autoindustrie. Sie sollen die fahrfertige und maximale Potenzierung des Autofahrens darstellen. Dazu nutzen sie das komplette Arsenal aus der Hexenküche der Hersteller, sie repräsentieren das Mögliche des Unmöglichen auf vier Rädern. Der Preis spielt übrigens keine Rolle, wobei wir das gleich wieder revidieren müssen: Früher waren abstruse Preise verpönt, weil die Marktgesetze noch in Kraft waren. Damals hießen die Hypercars noch Supersportwagen: Alles jenseits von 600 Verbrenner-PS reichte, um sich für die erlesene Kategorie zu qualifizieren.

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900 PS um Ernst genommen zu werden

Seit einem knappen Jahrzehnt werden die Supercars von den Hypercars in die Zweitklassigkeit gestoßen. Die zusätzliche Hybridisierung sorgte bei den Hypercars fast für eine Verdoppelung der Gesamtleistung. Die erste Generation wie McLaren P1, Porsche 918 oder Ferrari LaFerrari protzte mit Potenz: Gut 900 PS mussten es schon sein, wollte man ernst genommen werden. Die Preise und damit die Profitabilität verdoppelten sich: Unter 600.000 Euro ging jetzt gar nichts mehr. Leistung vierstellig, Preise sechsstellig.

Die erste Generation stellte zumindest ansatzweise noch den Anspruch in den Raum, maßstabsetzend zu sein: Porsche stellte sich mit dem 918 Spyder dem Supertest von sport auto, um unter Beweis zu stellen, dass dieses Auto die Benchmark ist. Marc Lieb setzte mit einer Zeit von 6,57 Minuten einen neuen inoffiziellen Rundenrekord auf der Nordschleife. McLaren schien ebenfalls den klassischen Weg der Beweisführung gehen zu wollen: Wochenlang wurde mit dem P1 auf der Nordschleife geübt, dann gab es im November 2013 eine langatmige Pressemitteilung, in der zwar ein neuer Rekord verkündet, aber die Zeit nicht genannt wurde.

Geht es noch um Performance? Oder nur um Marketing?

Hier entstand der erste große Riss bei der Glaubwürdigkeit der neuen Hypercars. Ging es wirklich noch um Performance? Oder doch nur um Marketing? Natürlich gab es keine "harten" Tests mit dem 916 PS starken P1, nur "weiche" Schönschreibgeschichten. Wie der Berliner zu sagen pflegt: "Es kracht, es zischt, zu sehen ist nischt." Während sich Porsche wenigstens ernsthaft darum bemühte, die Leistungsfähigkeit zu demonstrieren und das Gesagte mit der Vergabe von Testwagen zu untermauern, verweigerten die Wettbewerber den Nachweis der Tauglichkeit.

Ferrari und der LaFerrari seien hier entschuldigt, obwohl das Ergebnis leider das gleiche ist: Die Italiener hatten es aufgrund ihres einmaligen Status in der Welt der Sportwagen nie nötig, die Performance ihrer Super- oder Hypercars zu beweisen. Es reichte die reine Proklamation, so war es schon beim Enzo, beim F50, beim F40 – und auch beim 963 PS starken LaFerrari.

Am besten lernt man von den Besten, dachten sich die Gegner – das Ferrari-System wurde von den Wettbewerbern in der Hypercar-Ära kopiert. Proklamation statt Legitimation, dazu die totale Entkoppelung von Entwicklungsaufwand und Verkaufspreis. Heute MÜSSEN diese Autos siebenstellig kosten, sonst sind es keine Hypercars. Das Muster droht uns bei der zweiten Hypercar-Welle: Der Nachfolger des Ferrari LaFerrari wird zwar erst im Sommer vom Vorstand abgenickt, aber schon jetzt ist klar: Es soll der teuerste straßenzugelassene Ferrari-Sportwagen aller Zeiten werden.

Mercedes-AMG Project One: Klammheimlich verschoben

Mercedes und Aston Martin sind die beiden Marken, die die nächsten Kugeln aus dem Hypercar-Revolver ballern – wenngleich mit Verzögerung. Denn bei beiden Prestigeprojekten knarzt es ganz vernehmlich im Gebälk. Mercedes hatte auf der IAA in Frankfurt 2017 den AMG Project One vorgestellt. Tenor: Das F1-Auto für die Straße.

Der Project One soll den Motor aus dem F1-Mercedes verwenden – inklusive Rekuperation und Hybridisierung. Die Markteinführung wurde für 2019 versprochen – und jetzt klammheimlich auf 2021 verschoben. Der Grund: Probleme beim Triebwerk. Für Experten kommt das überhaupt nicht unerwartet: Die Ankündigung, dass die Kunden der gut drei Millionen Euro teuren Hightech-Flunder damit prahlen dürfen, das echte F1-Weltmeister-Triebwerk zu fahren, ist vollmundig und mehr als ambitioniert. F1-Triebwerke taugen nur für die F1, für nichts weiter. Das musste auch schon Porsche erfahren, wo man das fertig entwickelte F1-Triebwerk in die Tonne trat, nachdem der VW-Vorstand den F1-Einstieg abgeblockt hatte.

AMG hat den Motor unterschätzt

Mercedes macht jetzt die gleiche Erfahrung. Zwei kleine Beispiele: F1-Motoren sind empfindsame Zicken. Man muss ihren Ölkreislauf im Stand mühsam anwärmen, bevor man sie überhaupt starten darf. Das jedoch hat auch konstruktive Rückwirkungen – und die wiederum sind überhaupt nicht kompatibel mit dem, was beim Straßeneinsatz passiert. Und offenbar hat sich bei der Entscheidung, den F1-Motor zu verwenden, auch keiner Gedanken darüber gemacht, wie man die fragile Konstruktion emissionstechnisch auf die Straße bringen kann. Mehrere Abgas-Nachreinigungssysteme samt Partikelfilter müssen zum Einsatz kommen, wenn man das Auto auch außerhalb von Ruanda für den Straßenbetrieb zulassen will. Good Luck with that!

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Aston Martin Valkyrie, Exterieur
Mercedes-AMG Project One
Aston Martin Valkyrie, Exterieur
Aston Martin Valkyrie

Ein AMG-Insider enthüllt: "Sowohl die Motoren-Kollegen bei Mercedes-AMG High Performance Powertrains in England als auch Mercedes und AMG in Deutschland haben die Aufgabenstellung bei diesem Motor unterschätzt." So wird aus einem Prestigeobjekt schlagartig ein großer Schlamassel. Auf die Nachfrage, ob es denn von der neuen Benchmark Testwagen geben solle, ernteten wir nur Kopfschütteln, natürlich. Also auch hier Proklamation statt Legitimation. Der Fortschritt? Siebenstelliger Preis, fünfstellige PS-Zahl.

Valkyrie 1.0 leckte, Valkyrie 2.0 auch

Das steht auch bei Aston Martin zu befürchten: Das Valkyrie-Projekt steht unter massivem Zeitdruck, die Verzögerungen schichten sich bereits auf mehrere Monate auf. Ein Grund: Am Auto wird an mehreren Ecken gearbeitet – und nicht aus einem Guss: Der Red-Bull-F1-Design-Guru Adrian Newey zeichnet das Auto. Was automatisch bedeuten dürfte, dass die Macher und Umsetzer unglaublich viele Sachen ausbügeln müssen, denn Newey hat keine Ahnung von Straßenautos oder Zulassungsbestimmungen. Sein Markenzeichen sind seine Radikalität und seine technische Unbeugsamkeit, nicht seine Vertrautheit mit Crashtest-Normen. Jene Aston-Martin-Mitarbeiter, die mit den Details des Valkyrie-Projektes vertraut sind, rollen nur mit den Augen: Die Liste an Problemen ist länger als der Platz für diese Geschichte.

Das erste Chassis war viel zu schwer, Technikpartner Multimatic – der übrigens auch das Chassis für den Mercedes-AMG Project One beisteuert – musste eine zweite Version auflegen. Die erste Version des Benzintanks leckte, die zweite ebenso. Der Kabelbaum war nicht wasserfest, bei der Elektronik von Bosch fehlten die Anschlüsse für Beleuchtung und Scheinwerfer.

Nun kann man sagen, das kommt in den besten Familien vor. Doch bei Aston Martin ist es besonders kompliziert: Das Projekt wird von Schweizer Investoren getragen, Adrian Newey zeichnet das Auto, dazu muss das Special Vehicle Department (SVD) die Straßentauglichkeit und praktische Vorarbeit leisten. Obendrein will Red Bull mit dem Auto nach Le Mans, was wiederum Rückwirkungen auf das Design des Straßenautos haben könnte. Schließlich baut mit Cosworth ein externer Zulieferer den Motor, dessen Rahmendaten nicht von dieser Welt sind: 6,5 Liter Hubraum, 12 Zylinder, 950 PS.

Ein Projekt über fünf Ecken

Dazu trollen sich 100 Pferdchen im Hinterachs-Hybrid, der somit bestenfalls als grüner Anstrich zu werten wäre und im Le-Mans-Auto fehlt. Obendrein soll der eigentlich angestammte Motorsportpartner von Aston Martin, also das Prodrive-Team von David Richards, auch Zuarbeiten leisten – ein Projekt also mit mindestens fünf Ecken.

Wir bei sport auto hatten die Ehre, das virtuelle Valkyrie-Fahrzeug bereits im Simulator fahren zu dürfen. Die entscheidende Frage ist: Dürfen wir das fertige Straßenauto fahren, von dem 150 Exemplare produziert werden sollen? Präzise: testen? Oder supertesten? Um herauszufinden, ob Adrian Newey auch im Sportwagenbereich ein echter Game Changer ist?

Ford GT nur für weiche Stories

Dieselbe Hoffnung hatten wir einst auch beim Ford GT. Der Ford GT hat zwar keine komplexe Hybridtechnik an Bord und liegt mit 655 PS allenfalls im Supercar-Bereich, er spielt daher per Definition nicht in der Hypercar-Liga. Umso verblüffender die Aussage des obersten Produktkommunikators von Ford Motor Europe in Le Mans 2019: Seine zwei Testwagen stünden nur für "weiche" Stories zur Verfügung, nicht für "harte" Tests.

Das Auto ist, wohlgemerkt, nicht auf eine lächerlich geringe Stückzahl limitiert, und Testwagen existieren – trotzdem dürfen sie nicht getestet werden. Begründung? Das Auto sei vom Konzept her vier Jahre alt, daher würde man gegen andere Supersportwagen wie McLaren 720S alt aussehen. Are you kidding me? Das Straßenauto hat seine Existenz nur dem GT-Rennauto für Le Mans zu verdanken! Das Rennauto entstand nicht nur parallel zum Straßenauto, es entstand vor ihm, um eine maximale Performance aus der Homologationsbasis zu quetschen!

Ford GT: Bremse zu heiß, Autos fackelten ab

Wer weiß: Vielleicht ging es ja nur um das Rennauto, vielleicht ist das Straßenauto ein Abfallprodukt, das mit geringem Aufwand "abgeleitet" wurde. Das könnte erklären, warum "harte" Tests ursprünglich geplant waren (wir bei sport auto hatten einen festen Termin im September 2018), dann aber storniert wurden. Dazu gab es technische Probleme: Beim WEC-Rennen in Spa mussten die Fahrten mit VIP-Gästen ausgesetzt werden, da die Bremsen überhitzten. Im letzten Jahr musste das Auto wegen zahlreicher Brände zurückgerufen werden: Das Hydrauliksystem für den beim Bremsen hochfahrenden Heckflügel war undicht, Öl tropfte auf den Auspuff, Autos fackelten ab.

Hypercars sollen die Grenzen der Dynamik verschieben. Aber sie dürfen es nicht unter Beweis stellen. Vielleicht deshalb, weil sie die Grenzen gar nicht verschieben? Der Verdacht liegt nahe, denn die meisten Hypercars dürfen nicht getestet werden. Warum werden sie dann überhaupt gebaut? Hochpreisige limitierte Sondermodelle sind hochprofitabel, Sammler zahlen sich dumm und dusselig, unabhängig davon, wie performant die Autos in Wahrheit sind.

Fazit

Das Fazit fällt ernüchternd aus: Mit Ausnahme des Porsche 918 Spyder hat kein Hypercar auch nur ansatzweise versucht, Performance in Tests zu beweisen. Proklamation statt Legitimation, Marketing statt Performance. Wird das in Zukunft besser? Wer die letzten Hypercar-Projekte beim Genfer Autosalon gesehen hat, muss zweifeln. Das waren Elektro-Träumereien mit 2.000 PS und mehr. Vielleicht sollten wir uns einfach mit Supersportwagen begnügen – und den Hype um die Hypercars einfach ignorieren.