Renault Scenic Vision
Van-Ersatz mit Wasserstoff-Range-Extender

Der neue Scénic soll 2024 auf den Markt kommen. Im Concept Car setzt Renault auf einen Wasserstoff-Range-Extender für den Elektroantrieb.

Renault Scenic Vision
Foto: Renault

Alles neu macht der Mai. Als Renault nach Paris einlud, war nicht klar, ob wir ein Auto, einen Antrieb oder beides zu sehen bekommen. Womit die wenigsten aber gerechnet haben, war ein Renault Scénic. Schließlich kämpt der einstige Vorzeige-Van, wie das gesamte Van-Segment, seit Jahren mit schrumpfenden Verkaufszahlen. Nur 3124 des Scénic und Grand Scénic wurden 2021 in Deutschland neuzugelassen. 2017, also ein Jahr nachdem die vierte Generation debütierte, waren es noch 13.799 Stück.

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Doch scheinbar hängen die Franzosen an dem klangvollen Namen Scénic und wie die Pressemitteilung verlauten lässt, auch an der Idee, die hinter dem Auto steckt. Zuallererst soll der Renault Scénic mit der neuen Generation ab 2024 nämlich gar kein Van mehr sein, sondern ein Familienauto, ein Fahrzeug, das den Menschen in den Vordergrund stellt. In der ersten Scénic-Studie von 1991 versuchte man das übrigens unter anderem durch einen drehbaren Beifahrersitz.

Renault Scenic Vision
Patric Otto
Die Renault Studie Z01 markierte 1991 den Startpunkt für die Scenic-Baureihe.

Da diese Familien-Auto-und-Mensch-im-Mittelpunkt-Beschreibung aber quasi für alle Segmente außer das der zweisitzigen Sportwagen zutrifft, ist es erstaunlich, dass sich der neue Scénic nicht offensiver an den umsatzträchtigen SUV-Trend hängt, sondern eher bodenständig bleibt.

Plattform, Karosserie und Abmessungen

Technisch setzt das Concept-Car des neuen Renault Scénic mit seinen 21-Zoll-Rädern auf die CMF-EV-Plattform (Common Module Family – Electric Vehicle). Die teilt er sich mit dem Renault Mégane E-Tech und dem Nissan Ariya. Wie der Plattform-Name bereits vermuten lässt, ist der neue Scénic als weiterer Baustein für die Elektro-Strategie von Renault-Boss Luca de Meo zu sehen, der bis 2025 insgesamt 24 neue Modelle angekündigt hat und verstärkt auf Stromer setzen will.

Da der neue Scénic seinen Vorgängern weitgehend den Rücken kehrt und eher an das Konzept des Mégane E-Tech angelehnt ist, liegt der Vergleich zum kompakten Franzosen nahe. Bei den Abmessungen ist der neue, rund 1700 Kilo schwere Scénic noch in der Kompaktklasse zu verorten, aber etwas größer als der Mégane e-Tech. So kommt er auf eine Länge von 4,49 Metern (plus 28 Zentimeter zum Mégane e-Tech), eine Breite von 1,9 Metern (plus 12 Zentimeter) und eine Höhe von 1,59 Metern (plus 9 Zentimeter). Der Radstand liegt bei 2,84 Metern (plus 14 Zentimeter).

Ob der Einstieg auch in der Serienvariante so einfach bleibt, ist kaum zu erwarten, denn die Projektverantwortlichen ließ schon durchblicken, dass es die Selbstmördertüren kaum in die Serie schaffen werden. Ansonsten entspreche das Auto schon zu 90 Prozent der Serie.

Akku und Antrieb

Das trifft wohl auch beim Antrieb zu – zumindest teilweise. Denn anders als ursprünglich erwartet wurde aus dem angekündigten "Hydrogen-Engine" kein klassischer Verbrenner, der auf Wasserstoff setzt, sondern ein Plug-in-Hybrid. Genauer: Ein reines Elektro-Auto mit Brennstoffzellen-Range-Extender.

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Die EMF-EV Plattform mit Brennstoffzellen-Range-Extender.

Neben dem bis zu 160 kW starken E-Motor, den wir schon aus dem Mégane E-Tech kennen, soll der Scénic auch eine 16 kW starke Brennstoffzelle bekommen, die für mehr Reichweite sorgen soll. Denn im Boden des Autos Fahrzeugs liegt ein nur 40 kWh großer Akku als Energiespeicher. Das sind gerade einmal 8 kWh mehr als im VW E-Up und 12 kWh weniger beim kleinsten Akku im VW ID.4, mit dem sich der Scénic aufgrund seiner Abmaße messen muss.

H2-Antrieb erst ab 2030

In Sachen Reichweite soll der Scénic mit seinem kombinierten Antrieb aber 800 Kilometer weit kommen – zumindest, wenn er einen fünf Minuten Tank-Stopp an der H2-Zapfsäule einlegt. Damit sei laut Renault auch die Strecke von Paris nach Marseille drin. Da die H2-Tankstelleninfrastruktur in Frankreich (4 Zapfsäulen – allesamt in Paris, 2 weitere in Planung) derzeit aber noch schlechter ist als in Deutschland (94 Zapfsäulen, 12 in Planung), wird diese Reise aber noch etwas auf sich warten lassen. Wenn es nach Renault geht, sogar bis 2030. Dann soll der Wasserstoff-Infrastruktur ausgereift sein, glaubt der Konzern.

Bis dahin bleibt zu hoffen, dass der fremderregte Synchronmotor auch auf den großen 60-kWh-Akku zugreifen darf, der auch im Mégane zu haben ist. Dort braucht der Fronttriebler je nach Motorspezifikation zwischen 15,8 und 16,1 kWh beim kombinierten WLTP-Zyklus. Im größeren Scénic dürfte der Verbrauch darüber liegen.

Technische Daten Renault Scenic Vision
Länge4.490 mm
Breite1.900 mm
Höhe1.590 mm
Radstand2.835 mm
Räder21 Zoll
Reifen235/15 R21
Gewicht1700 kg
AntriebElektro-Wasserstoff-Hybridantrieb
ElektromotorFremderregter Synchronmotor mit 160 kW/218 PS
Leistung Brennstoffzelle16 kW
Batteriekapazität40 kWh
Höchstgeschwindigkeit der Studieca. 100 km/h

Ausstattung und Design

Auf den ersten Blick erinnert der Scénic Vision an einen großen Mégane und kombiniert mit seinen Lichtgrafiken und steilen Linien gekonnt die Optik des Hyundai Ioniq 5 und des Peugeot e-205 zu einer eigenständigen, neuen Erscheinung. Die Türen kommen ohne Griffe aus, werden per Gesichtserkennung entriegelt und per Touch-Screen geöffnet. Im Innenraum, des sonst in schwarz gehaltenen Autos, erwartet die Insassen ein sehr dezentes, helles Interieur mit vier Sitzplätzen.

90 Prozent des Autos recyclingfähig

Das helle Design ist vor allem dem Thema Nachhaltigkeit geschuldet – dem Renault das ganze Projekt Scénic Vision verschrieben hat. Denn durch den Einsatz von immer der gleichen, weißen bis grauen Polyester-Faser in unterschiedlicher Verarbeitung soll die Recyclingfähigkeit steigen. So ist auch der Fahrzeugboden ist zu 100 Prozent recycelt und besteht zu 45 Prozent aus Plastik-Milchflaschen und 55 Prozent Kunststoffrohren. Die Gurtschlösser kommen ohne Kunststoffummantelung aus und das Kupfer in der Batterie sowie den elektrischen Leitungen ist ebenfalls vollständig recycelt worden.

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Renault
Die Bodenplatte besteht zu 45 Prozent aus recycelten Milchflaschen.

Insgesamt soll das Fahrzeug zu mehr als 70 Prozent aus recyceltem Material bestehen und bis zu 95 Prozent des Fahrzeugs sollen recycelbar sein – inklusive des Akkus.

Während der Beifahrer und die Passagiere im Fond auf loungeartig gepolsterten Sitzen Platz nehmen, ist der Fahrersitz sportlicher gestaltet und bietet keine allzu lange Beinauflage. Dafür wandern aber je nach Sitzeinstellung die Mittelkonsole und die Armlehne in der Türe mit nach vorn und hinten. Das soll das Reisen angenehmer machen und erneut untermauern, dass der Mensch im Mittelpunkt steht.

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Der Fahrersitz ist eher sportlich gehalten, die drei übrigen Sitze eher loungeartig.

Infotainment

Ganz neue Wege geht Renault mit dem Scénic Vision beim Infotainment. Wie die meisten modernen Autos setzt die Studie auf viele Bildschirme. Der Scénic kommt insgesamt auf 11 Stück. Ein großer, der ganz vorn unter der Windschutzscheibe angebracht ist und die Motorhaube transparent machen soll, steht dabei im Fokus. Er soll die Informationen der Assistenzsysteme, der Navigation oder das Tempo angezeigen. Außerdem wird hier das Bild der Frontkamera eingespielt, sodass der Fahrer seine Umgebung noch besser wahrnehmen soll.

Kleine, bewegliche Touchscreens

Eine nette, vielleicht sogar praktische Spielerei sind dagegen die anderen Screens. Die befinden sich zum einen in jeder Tür, denn über sie sollen die Insassen sowohl die Fensterheber wie auch das Türschloss bedienen können. Zum anderen sind je drei, der etwa 5 Zentimeter kleinen, beweglichen Touchscreens links und rechts neben dem Yoke-Lenkrad platziert. Von dort aus bewegen sie sich nach dem Einsteigen auf den Fahrer zu, wobei die Aktuatoren, die die kleinen Displays antreiben, nur von einem Plexiglaskasten geschützt werden, sodass man der Technik ungehindert bei der Arbeit zuschauen kann. Vermutlich nicht serientauglich, dafür ein echter Hingucker.

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Links und rechts neben dem Lenkrad sind je drei kleine Touchscreens, so genannte Widgets. Mit ihnen wird das Infotainment gesteuert.

Mit diesen kleinen Touchscreens sollen dann die Fahrzeugfunktionen gesteuert werden: Von der Musik, über die Klimaanlage bis zur Sitzposition. Und da Touchscreens deutlich flexibler sind als Knöpfe, kann jedes der kleinen Widgets genannten Displays nach Belieben individualisiert werden.

Pulsuhr im Lenkrad

Ein weiteres Feature ist außerdem die Puls-Anzeige für den Fahrer – wir erinnern uns: Der Mensch steht im Fokus. Den erkennt das Auto über zwei Sensoren am Lenkrad, wie sie sonst in Puls-Uhren oder Smartwatches zum Einsatz kommen. Zudem hält das viereckige Volant noch zwei Touchpanels bereit, mit denen die Einstellungen auf dem großen Display vorgenommen werden sollen.

Alles in allem macht das Bedienkonzept Lust auf mehr, aber beim Scénic Vision kommt das System leider noch nicht über einen abgespeckten Demo-Modus hinaus. Es bleibt daher zu hoffen, dass die kreative Idee mit ihren vielen kleinen Widgets nicht aus Kostengründen zu einem großen Screen zusammenschnurrt und Renault sich nicht erneut der kruden Bedienstruktur des R-Link-Infotainments unterwirft.

Sicherheit

In Punkto Sicherheit präsentiert der Scénic ebenfalls eine Neuheit. Nicht nur, dass man durch die Sichtbarkeit der Airbags Aufmerksamkeit auf das Thema Sicherheit lenken will. Die Luftkissen sollen auch anders funktionieren. In die Sitze sind so genannte Kokon-Airbags integriert, die die Fahrzeuginsassen nicht wie sonst auffangen sollen, sondern bei einem Aufprall umschließen.

Darüber hinaus will Renault durch weitere aktive und passive Sicherheitssysteme den Straßenverkehr mit dem Scénic sicherer machen. Insgesamt sollen Funktionen wie ein Safety Score, ein Safety Coach und ein Safety Guardian die Zahl der Unfälle um 70 Prozent reduzieren, indem der Fahrer für sicheres Fahren sensibilisiert wird.

Preise und Marktstart

Was der Renault Scénic kosten soll, ist noch nicht klar, es ist aber davon auszugehen, dass der Stromer kaum unter 40.000 Euro zu haben sein wird. Ob die Käufer dann noch eine E-Auto-Prämie von der Summe abziehen können, steht in den Sternen, denn vor 2024 ist der Scénic nicht zu haben – und ob bis dahin die Lieferkettenprobleme beseitigt sind, auch nicht. Da die Brennstoffzellen-Infrastruktur laut Renault noch bis 2030 auf sich warten lässt, ist zu Beginn nur mit einer reinen BEV-Variante zu rechnen.

Fazit

Mit dem Scénic Vision kehrt Renault dem einstigen Van-Konzept den Rücken und präsentiert einen modernen Elektro-Crossover mit gefälligem Design und futuristischem Antriebskonzept. Das setzt leider auf zwei ausbaufähige Infrastrukturen. Denn gerade beim Wasserstoff ist die Anzahl der Tankstellen europaweit noch am Anfang. Es bleibt also zu hoffen, dass der reine Stromer beim Marktstart wenigstens auch auf die 60 kWh-Batterie aus dem Renault-Regal zurückgreifen darf, die schon im Mégane e-Tech zum Einsatz kommt.