Audi V8 Quattro DTM
Erster Start 1990 in Zolder

Als Audi am 1. April 1990 in Zolder erstmals mit einem V8 Quattro in der DTM fuhr, sorgte die Oberklasse-Limousine mit Hans-Joachim Stuck am Steuer für Aufsehen. An einen Scherz glaubte mit dem Sieg auf der Avus niemand mehr. Zwei Jahre später gab es aber mächtig Ärger.

Audi V8 Quattro DTM
Foto: Audi

Am 1. April 1990 feierte der Audi V8 Quattro DTM sein Renndebüt: Beim Saisonauftakt "Bergischer Löwe" auf der ehemaligen Formel-1-Strecke von Zolder. Mit Audi stieg damals das vierte Werksteam in die Meisterschaft ein. Ihre viertürige Limousine war wahrscheinlich das ungewöhnlichste Auto der Serie, das erste DTM-Auto mit Allradantrieb. Die Konkurrenten rumorten schon seit der Ankündigung des Einstiegs.

Audi überrascht mit dem V8

Als Basis diente die Oberklasse-Limousine, mit der die Ingolstädter ab 1988 die S-Klasse von Mercedes und die 7er-Reihe von BMW attackieren wollten. Der V8 war das erste Auto dieser Kategorie mit permanentem Allradantrieb. Doch das Vorhaben mißlang wirtschaftlich: Statt der angestrebten 40.000 Exemplare wurden nur 21.565 V8 gebaut. Nur auf der Rennstrecke konnte Audi Mercedes und BMW wirklich herausfordern.

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Ärger mit der Kurbelwelle

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Rossen Gargolov
Der Motor war Grund für Ärger mit der Konkurrenz.

Zweieinhalb Jahre lang mischte der große Allradler die DTM auf. Zwei Meistertitel mit den Fahrern Hans-Joachim Stuck und Frank Biela sowie 16 Laufsiege erzielten die Werksautos. Mitten in der Saison 1992 folgte der Paukenschlag: Nach einem Berufungsurteil vom Sportgericht der Motorsporthoheit ONS zog sich Audi sofort aus der DTM zurück. Grund war die neue Kurbelwelle, die nach Einschätzung der ONS nicht den DTM-Regeln entsprach.

Stuck gewinnt den 1. Lauf in Zolder

Dabei hatte im April 1990 bei bestem Frühlingswetter alles so gut angefangen. Eine glücklichere Premierenbesetzung hätte Audi nicht wählen können. Hans-Joachim Stuck feierte den gelungenen DTM-Einstand des V8 Quattro in Zolder ausgelassen: dritter Platz in Lauf 2 und schnellste Rennrunde in Lauf 1. Stucks aus dem Seitenfenster gereckter Oberkörper mit der geballten linken Faust wurde zum Symbol für die gesamte DTM-Saison 1990.

Seine Startnummer 44 als Glücksbringer war ein Import aus der amerikanischen Trans-Am-Serie, in der Stuck 1988 im 200 Quattro vier Läufe gewonnen hatte. Die Ziffern stammen vom US-Rennteam Group 44 rund um Bob Tullius. Das Team unterstützte Audi während der ersten Rundstreckensaison in der Serie. Dort startete der Deutsche mit seinem US-Teamkollegen Hurley Haywood. Die doppelte Vier stand außerdem für den innovativen Antrieb

Röhrl auf der Rundstrecke

Audi V8 Quattro DTM
Audi
Am Norisring bekam Stuck Schützenhilfe von Walter Röhrl.

In der DTM blieb Stuck 1990 zunächst Solist. Erst in Nürnberg trat mit Walter Röhrl der zweite Audi-Pilot an. Beim Finale in Hockenheim leistete Frank Jelinski zusätzliche Schützenhilfe. Doch schon der erste Auftritt in Zolder reichte, um die Konkurrenten das Fürchten vor dem Audi V8 zu lehren. Schon über den Winter attackierten sie den neuen übermächtigen Gegner: "Audi kann die DTM zum Allrad-Cup machen", unkte Mercedes-Rennleiter Jochen Neerpasch. Wie auch BMW setzten die Schwaben weiter wie bei ihren Straßenautos auf den herkömmlichen Heckantrieb. Das war in Zolder auch das beste Konzept. Kurt Thiim fuhr eine sensationelle Pole-Zeit und lag dabei 1,6 Sekunden vor Schnitzer-BMW-Fahrer Fabien Giroix. Thiim, DTM-Champion von 1986, erlebte eines seiner besten DTM-Wochenenden. Der Däne gewann beide Rennläufe und erzielte die schnellste Rennrunde beider Läufe. Doch im Fokus stand der DTM-Neuling Audi mit seinem Chauffeur Stuck.

Neben 190E und M3 wirkte der V8 riesig

Audi DTM 1990
Audi
Die DTM-Saison 1991 und 1992 gewannen die Audi-Fahrer Hans-Joachim Stuck und Frank Biela jeweils vor anderen Fahrern in BMW M3 und Mercedes 190E.

Der wuchtige V8 Quattro wirkte neben reinrassigen Renn-Tourenwagen BMW M3 oder Mercedes 190E wie ein ungelenkes Dickschiff. Doch die mächtigen Maße mit einer Außenlänge von 4,87 Meter und einem Radstand von 2,70 Meter sowie das hohe Basisgewicht von 1230 Kilogramm machten der Vierradantrieb und das V8-Triebwerk mit 3,6 Liter Hubraum wett. Dieser Langhuber war der erste Audi-Rennmotor seit vielen Jahren ohne Turboaufladung. Vom ersten Rallye-Quattro bis zum 90 Quattro GTO (IMSA) sorgte jeweils ein aufgeladener Fünfzylinder für Vortrieb.

Doch das Turboverbot in der DTM und die Wahl des V8 als Basismodell zwangen Audi zum Aufbau eines Saugmotors. Erst Anfang Februar lief dieses Triebwerk erstmals auf dem Prüfstand. Der erste, improvisierte Motor überstand vier DTM-Distanzen. Nach diesem Beweis der Zuverlässigkeit konnte die Leistung des Vierventilers weiter gesteigert werden. Sportmotorenchef Werner Laurenz und sein Team kitzelten in Neckarsulm 150 PS Mehrleistung aus dem damals größten Serienmotor von Audi. Beim Saisonstart wurden offiziell 400 PS angegeben. Die Motorleistung diente mit dem Hubraum als Faktor für des Festlegung des Basisgewichts.

Streit um die Leistung

Johnny Cecotto  DTM-Crash
Wolfgang Wilhelm
Die Fahrer beharkten sich bis ins Kiesbett.

Die Rennversion des für die Serie neu entwickelten V-Motors mit 90 Grad Bankwinkel und je zwei obenliegenden Nockenwellen blieb ein ständiger Stein des Anstoßes. Nicht nur den Mitstreitern BMW und Mercedes kam die offizielle Leistungsangabe zu niedrig vor. Auch Norbert Haug, damals Sport-Redakteur von Auto Motor und Sport, und DTM-Kommentator Rainer Braun schätzten, dass die Spitzenleistung des Ingolstädter Kraftpakets bei mindestens 430 PS liegen müsse.

Braun gibt heute noch gern die Geschichte zum Besten, dass sie sogar eine Wette mit Audi-Sportchef Herwart Kreiner eingingen. Nach dem Lauf in Wunstorf hielten Kreiner und Audi-Technik-Vorstand Jürgen Stockmar den Kritikern stolz ein Leistungsdiagramm unter die Nase. 406 PS waren darauf für einen beim vorigen Lauf in Mainz-Finthen eingesetzten Motor ausgewiesen: Wette verloren. Das kostete Braun und Haug mehrere Kisten teuren Champagners. Kreiner machte die Schmach komplett, als er beide noch nicht mal auf ein Gläschen einlud.

Zusätzliche Nahrung erhielt die Spekulation durch nur wenige Testkilometer vor dem ersten Start in Zolder: Audi legte nur 1.000 Kilometer zurück, während Schnitzer mit BMW 6.500 Kilometer absolvierte. Hans Joachim Stuck hielt dagegen, dass die Nutzung von vielen erprobten Bauteilen wie Allradantrieb, Getriebe, Aufhängung und Bremsanlage aus den Vorgängern vom Gruppe-B-Rallyewagen bis zum 90 IMSA-GTO den Ausschlag gaben: "Deshalb war unser Auto auch so zuverlässig in diesem Jahr", betonte Stuck.

6-Gang-Getriebe aus dem Rallye-Quattro

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Das 6-Gang-Getriebe stammte aus dem Rallye-Quattro.

Das vollsynchronisierte Sechsgang-Getriebe stammte aus dem ab 1985 eingesetzten Flügel-Quattro und wurden danach in den beiden US-Rundstrecken-Quattros genutzt. Beim Fahrwerk konnte Audi ebenfalls auf ihre Rallyeerfahrung zurückgreifen. Vorn waren McPherson-Federbeine mit unteren Querlenkern eingebaut. Hinter kamen Doppelquerlenker zum Einsatz, die ursprünglich für den Mittelmotor-Quattro der neuen Gruppe S konstruiert worden war. Dieses Auto blieb ein Prototyp, weil mit dem Ende der Gruppe B 1986 auch das neue Reglement ad acta gelegt wurde.

Beim Fahrwerk gelang Audi der größte Entwicklungssprung, stellte Hans-Joachim Stuck bei einem Vergleich der drei Rundstrecken-Audis 200 Quattro (TransAm), 90 Quattro IMSA-GTO und V8 Quattro DTM aus der Zeit von 1988 bis 1990 fest. Als einziger Fahrer kannte er alle drei Versionen aus dem Renneinsatz. In AUTO MOTOR UND SPORT stellte Stuck 1990 fest: "Feder-, Dämpfer- und Stabilitätsraten sind heute 100 Prozent härter als zu TransAm-Zeiten."

Problemzonen Gewicht und Aerodynamik

Audi V8 Quattro DTM
Audi
In der Saison 1991 bekam der V8 Quattro Spoiler gegen den Auftrieb.

Eine große Herausforderung bestand im Abspecken der luxuriös ausgestatteten Serien-Limousine, die in ihrer ursprünglichen Form mit Automatikgetriebe 1770 Kilogramm wog. Knapp 550 Kilogramm war die Rennversion am Ende leichter als die zivile Version mit serienmäßiger Lederausstattung. Neben dem Verzicht auf die Innenverkleidungen, Dämm-Material, die Sitze und jede Menge Elektronik wurden Hauben und Stoßfänger aus leichtem Kohlefaser-Kevlar-Verbundmaterial montiert. Die Silhouette der ersten Karosserie von 1990 wirkte noch weitgehend serienmäßig. Erst die Version 1991 verfügte über eine Spoilerlippe vorn und einen kleinen, verstellbaren Heckflügel hinten.

Die in der DTM geforderte Seriennähe setzte enge Grenzen. Sogar der Charakter des Serienwagens übertrug sich auf die DTM-Rennversion. "Der V8 ist eine richtige Chauffeurs-Limousine mit hohem Fahrkomfort", stellte Werksfahrer Stuck fest. Er hatte sichtlich Spaß daran, mit dem wuchtigen Audi den Gegnern mit ihren Homologationsmodellen die Schau zu stehlen.

Das gelang ihm auf Anhieb: Nur einen Monat nach dem gelungenen Einstand in Zolder fuhr Hans-Joachim Stuck im Mai auf der Avus seine beiden ersten Siege für Audi heraus. Für ihn wie für die vier Ringe ein symbolträchtiger Ort: 1934 war dort sein Vater erstmals mit einem Grand-Prix-Rennwagen von Auto Union gestartet. In Summe sammelte Hans-Joachim Stuck sieben DTM-Laufsiege und krönte die erste Saison gleich mit dem Meistertitel. Mit zwölf Zählern Rückstand folgte BMW-M3-Pilot Johnny Cecotto.

Audi V8 Quattro DTM
Sabine Hofmann
Frank Biela gewann 1991 vor Mercedes-Fahrer Klaus Ludwig die DTM.

Zum Schrecken der Gegner beflügelte der Geist von Zolder die Quattros auch 1991. Stuck und Neuzugang Frank Biela verbuchen jeweils vier Laufsiege. Biela wurde Meister, sein Teamkollege beendete die Saison als Dritter hinter dem Mercedes-Piloten Klaus Ludwig. Die offizielle Motorleistung und das Basisgewicht sorgten weiter für Gesprächsstoff. Kurz vor dem Saisonauftakt von Zolder hatte die ONS das Basisgewicht auf 1290 Kilogramm geschraubt, sehr zum Ärger von SMS-Teamchef Konrad Schmidt, der drei Autos im Werksautrag einsetzte. Er sah sich um die Früchte seiner Testarbeit über den Winter betrogen.

Audi gab jetzt als Motorleistung offiziell 442 PS. Aber wieder gab es lautstark geäußerte Zweifel bei der Konkurrenz und kritischen Beobachtern: "Die haben bestimmt 500 PS." Der Druck im Kessel steigt immer weiter an. Als Audi 1992 mit jetzt in Silber und Rot lackierten V8 Quattros ausrückte, fiel sofort ein ungewöhnlicher Motorsound auf. Da Audi mit dem alten Triebwerk nicht mehr konkurrenzfähig gewesen wäre, zündeten die Quattro-Kämpfer eine neue V8-Stufe. Offiziell leistete das neue Kraftpaket 470 PS. Mit dem neuen V8 gewann Titelverteidiger Frank Biela den ersten Lauf am Nürburgring.

BMW-Rennleiter Marc Surer reagierte beim nächsten Lauf in Wunstorf und legte offiziell Protest gegen Audi ein: "Wenn das durchgeht, haben wir reinrassige Rennmotoren – das kann‘s nicht sein." Ein Novum: Zum ersten Mal protestiert in der DTM ein Hersteller gegen einen anderen. "Das ist nicht schön – unsere Motoren sind legal", hält Audi-Sportchef Dieter Basche dagegen. Streitpunkt war die neue Rennkurbelwelle von Audi, die zwei Mal getwistet war, statt wie in der Serie nur ein Mal.

Fazit

So glänzend Audi vor 30 Jahren auf der DTM-Bühne auch debütierte: Der Abgang geriet zum Politikum. Das Berufungsgericht der ONS erklärte schließlich die 180-Grad-Kurbelwelle im neuen Renn-V8 mit einem umstrittenen Urteil für illegal. Audi reagierte mit dem sofortigen DTM-Rückzug – am Freitag vor dem Heimrennen in Nürnberg. Die V8 Quattro wurden in eine dunkle Ecke der Audi-Sportabteilung geschoben. Der Allradantrieb eroberte jetzt weltweit die Zweiliter-Klasse mit dem Audi 80 und später mit dem Nachfolger A4.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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