Borgward-Designer Anders Warming im Interview
Borgward hat immer noch Strahlkraft

Anders Warming ist ehemaliger Mini-Designchef. Jetzt ist der gebürtiger Däne Designvorstand der deutschen Marke Borgward mit chinesischer Beteiligung. Interview.

Anders Warming
Foto: Borgward
Wie lebt es sich in der Funktion des Designvorstands von Borgward?

Warming: Das ist eine sehr herausfordernde Aufgabe. Ich kann hier auf viel automobiles Wissen aufbauen. Hier versteht man, wie Autos gebaut werden. Und trotzdem gibt es bei der Wiederbelebung der Marke Borgward ein ausgeprägtes Start-up-Denken.

Jetzt stehen Sie als Designer vor der Herausforderung, die Wiederbelebung einer traditionsreichen Marke stilistisch umzusetzen. Wiemacht man das?

Warming: Das Thema Tradition ist für uns wichtig. Aber wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, dann merke ich immer, dass sie Richtung Zukunft weiterentwickelt werden muss. Uns unterscheidet von vielen anderen Start-ups, dass wir eine Geschichte mit deutschen Wurzeln haben. Aber es geht auf jeden Fall um die Zukunft.

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Sind die deutschen Wurzeln gegenüber dem chinesischen Markt so wichtig?

Warming: Gegenüber dem globalen Markt, nicht nur China. Wir wollen ja auch in Deutschland Fuß fassen und von dort aus unser Modellprogramm für weitere Märkte ausbauen. Mich hat es schon bei Carl F. W. Borgward fasziniert, dass er als Pionier immer wieder etwas Neues gewagt hat. Dabei sind Autos herausgekommen, die schön waren und Relevanz hatten. Damit kann ich mich voll identifizieren.

Wie würden Sie die Designwerte von Borgward beschreiben?

Warming: Pioniergeist ist wichtig, etwas Neues wagen, ein bisschen vor der Trendwelle sein. Es geht natürlich auch um ein hohes Level an Ästhetik, das ist ja auch der Grund, warum ich hierher gekommen bin. Ästhetik und Borgward gehören zusammen, dafür gibt es prominente Beispiele wie Isabella Coupé und Cabrio. Das sind Autos, die sieht man und schmilzt dahin. So etwas gefällt mir. Am Ende des Tages muss es eben einfach auch ein schönes Auto sein, eine Skulptur, ein Lebensgefühl.

Was prägt das Gesicht eines Borgward?

Warming: Es soll mit runden, geschwungenen Formen und Flächen Begehrlichkeiten wecken und positiv ansprechen. Wichtig ist bei BX5 und BX7 Rundheit, kombiniert mit einem hohen Maß an Präzision. Es gibt scharfe Kanten, aber sie dürfen nicht so wirken, als ob man sich daran schneiden würde. Schön ist es, wenn zwei runde Formen sich in einer scharfen Kante treffen – und es dabei harmonisch wirkt. Das ist ein Stück weit Zeitgeist.

Wie drückt sich Begehrlichkeit aus? Durch ein eher freundliches Gesicht oder einen eher aggressiven Ausdruck?

Warming: Auf jeden Fall freundlich, nahbar, auf Augenhöhe der Menschen.

Arbeiten Sie mit einem Familiengesicht oder sollen sich die einzelnen Modellreihen der Marke deutlich unterscheiden?

Warming: Ich glaube, dass es Unterschiede geben sollte. Es wird bei jedem Auto besondere Ikonen geben: Scheinwerfer und Position des Logos zum Beispiel. Die Zukunft des Grills ist für mich noch offen, weil wir diese Lufteinlässe bei neuen Technologien wie der Elektromobilität nicht benötigen. Ich glaube, den Begriff Grill wird es in Zukunft so nicht mehr geben. Wichtige Themen sind Aerodynamik, Effizienz, Kühlung.

Viele Designer haben gesagt, sie brauchen den Grill, weil er dem Gesicht des Autos eine Art Mund verschafft. Wie sehen Sie das?

Warming: Das kann man so sehen. Aber gerade bei Marken, die auf Elektromobilität setzen, steht das Thema nicht mehr so im Vordergrund. Unter dem Gesichtspunkt des German Engineering muss eine Öffnung auf jeden Fall einen Sinn haben. Ich mache keine Schminke, ich möchte die Funktion dahinter erklären können. Für uns ist auch die Positionierung des Logos wichtig – und die Form des Scheinwerfers.

Welchen Kunden haben Sie im Auge, wenn Sie das Design entwickeln?

Warming: Wir möchten eine junge, moderne Kundschaft ansprechen. Das passt zu unserem Pioniergeist und dem Anspruch, schon vor der Welle da zu sein. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die junge Generation einen hohen Anspruch an Design und Ästhetik haben wird. Und die will etwas Besonderes haben – gepaart mit Konnektivität und Elektromobilität.

Was sind Ihre Vorstellungen bei der Neugestaltung des Interieurs?

Warming: Ganz klar das Thema Konnektivität als Grundbaustein – fast wie beim Exterieur das Thema E-Mobilität. Ich erwarte in Zukunft, dass das Auto auf mich eingeht und mich erkennt. Ich bin der Schlüssel, ich brauche keinen mehr in der Hosentasche. In dem Moment, wo ich meine Hände auf die Bedienfläche lege, hat es mich erkannt, und wir können losfahren.

Was haben Sie noch für Ansprüche?

Warming: Ich habe den starken Wunsch, Komplexität herauszunehmen. Eine schöne, begehrliche Ästhetik zu schaffen, die eine gewisse Art von Ruhe hereinbringt. Nicht lauter Knöpfe. Mein ultimativer Wunsch wäre sogar ein Interieur ohne Knöpfe. Ich bediene nur noch Flächen, die Informationen transportieren. Wo der Weg hingehen kann, haben wir auf der IAA mit unserer Isabella Concept gezeigt.

Wird der Innenraum also von riesigen Bildschirmen geprägt, wie man es im Moment oft sieht?

Warming: Ich glaube, dass die rechteckigen Fernseher im Interieur verschwinden. Information wird in ruhige, schön gestaltete Flächen integriert. Der Kunde nimmt gar nicht mehr wahr, welche Fläche was ist. Ob Filz, Leder oder nachhaltige Materialien – was immer die Information rüberbringt. Mit unseren Teams in Deutschland und China haben wir Zugang zu ganz neuen Technologien. Gerade in China staune ich auch oft über den selbstverständlichen Zugang zur Konnektivität.

Viele Designer legen Herzblut in die Ausgestaltung der Scheinwerfer. Wie ist das bei Ihnen?

Warming: Das ist mir auch sehr wichtig. Ich möchte ein Auto machen, wo der Mensch auf Anhieb das Gefühl bekommt, es begegnet ihm ein Modell auf Augenhöhe. Er muss den richtigen Blick spüren, sonst ergibt sich ein negatives Gefühl. Der Scheinwerfer muss auf einen Blick vermitteln: Das ist ein gutes Auto. Der Borgward der Zukunft muss im Nachtbild auch sofort erkennbar sein.

Sie haben auf der IAA die Studie eines Isabella Coupés gezeigt. Was geht davon in Serie?

Warming: Unsere Isabella Concept ist ein facettenreicher Blick in die Zukunft und beschreibt allgemeingültige Werte unserer künftigen Modelle. DieThemen Elektromobilität, Konnektivität und das visionäre Bedienkonzept können baureihen-übergreifend in die Serie finden. Charakteristische Designmerkmale wie die typische Isabella-Linie mit Hüftschwung oder der prominent inszenierte Markenrhombus in der kühlerlosen Front sind ebenfalls vielversprechende Ansätze.

Welches Feedback nehmen Sie von der Messe mit? Möchten Ihre Kunden lieber SUV wie den BX7 – oder doch lieber eine Neuauflage der legendären Isabella-Vergangenheit?

Warming: Hier haben wir Rückmeldungen in alle Richtungen bekommen. Borgward hat als prominente deutsche Marke nach wie vor eine ausgezeichnete Strahlkraft. Unsere Fans und potenziellen Kunden sind begeistert von den aktuellen SUV, unseren Ideen hinsichtlich Elektromobilität und natürlich von der Rückkehr der Isabella. Wer träumt nicht von einer Isabella 2.0 – besonders wenn sie aus unserer geplanten Fertigung in Bremen stammen sollte!

VITA

Anders Warming wurde 1972 in Dänemark geboren und hat am renommierten Art Center College of Design Europe in Vevey/Schweiz studiert. Er war 16 Jahre bei BMW tätig, davon die letzten sechs Jahre als Mini-Designchef, davor hat er zwei Jahre im VW-Design gearbeitet. Seit Januar 2017 ist er Borgward-Designvorstand.