Chevrolet Corvette C5 Coupé
V8-Macho im Gebrauchtwagen-Check

Auch schon Ü20: Die fünfte Generation der Corvette kam 1997 auf den Markt. Heute bekommt man eine C5 schon für rund 10.000 Euro. Unterm Strich ein guter Kauf?

Chevrolet Corvette C5 Coupé, Exterieur
Foto: Arturo Rivas

Die C5-Macher um Dave Hill, der seit 1992 bei Chevrolet die Entwicklung des Prestige-Sportlers leitete, waren stolz wie Bolle auf ihr neues Baby und sehr darauf erpicht, der europäischen Presse die so was von neuen Qualitäten des Modells nahezubringen. So geriet die Pressevorstellung irgendwo in Europa des Jahres 1997 zu einer streckenweise absurden Veranstaltung.

Ehe es ans Fahren ging, wurden den Medienvertretern endlose Filme über Entwicklung, technische Besonderheiten, Produktion und Qualitätssicherung vorgeführt. Unvergessen sind die cineastisch wirklich wertvollen Filmpassagen, zu denen der Sprecher aus dem Off bedeutungsschwer erklärte, dass die Autos betankt werden, ehe sie aus der Produktionshalle in Kentucky rollen. Und dass die Radmuttern auf festen Sitz geprüft werden. Ja, für so viel Fürsorge darf man als Kunde durchaus dankbar sein.

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Chevrolet Corvette C5 Coupé, Exterieur
Arturo Rivas
Guckst du: Klappscheinwerfer sind typische Corvette-Folklore. In Zeiten grassierender LED-Lichter droht der Abschied.

Corvette C5: a great Job

Wahrscheinlich waren die Corvette-Jungs das europäische Lamento leid, ihr Sportscar sei eigentlich nur geradeaus schnell und zudem eher liederlich zusammengebaut. Blattfedern, Stoßstangen-Bauern-V8, knisternde Kunststoffkarosserie – das waren Vorwürfe aus Europa, wo man sich mit robusten Porsche, filigranen Ferrari oder distinguierten Jaguar, Aston Martin und Maserati schmücken konnte.

Schon die ersten Presseberichte kündeten dann davon, dass Dave Hill und seine Mannen etwas abgeliefert hatten, was Präsident Trump heute einen "great Job" nennen würde. Es blieb natürlich bei den Kunststoffblattfedern vorn und hinten, nun saßen sie allerdings quer zur Fahrtrichtung. Und auch der Small-Block-V8, dieser Millionenseller auch im Nutzfahrzeugbereich, wanderte nicht ins Museum. Der Zweiventiler bekam aber ein neues Kurbelgehäuse spendiert – aus Aluminium gebacken, wie auch die Zylinderköpfe. Und das Getriebe rückte vom Motor an die Hinterachse, was ziemlich genau jene 50 : 50-Achslastverteilung brachte, auf die BMW seit jeher zu Recht stolz ist.

Angenehmer Nebeneffekt dieser Operation gegen das "Das haben wir immer so gemacht" der Traditionalisten: Der Mitteltunnel fällt bei der C5 schmaler aus als beim Vorgänger, was dem Raumgefühl ohne Frage guttut. Weil die zuvor immens hohen Seitenschweller auf ein normales Maß abgesenkt werden konnten, ist der Einstieg in die C5 auch erheblich komfortabler als noch beim direkten Vorgänger C4.

Chevrolet Corvette C5 Coupé, Exterieur
Arturo Rivas
Am besten zu zweit: Dreimal klicken, schon ist das Coupé ein Targa.

Und was das Knistern und Schütteln des Autos auf weniger guten Straßen angeht: Auch bei intensiv genutzten Exemplaren, deren digitaler Wegstreckenzähler stramm Richtung 200.000 Kilometer marschiert, ist das kein großes Thema mehr. Denn der Stahlrahmen – noch so eine Corvette-typische Lösung – soll viermal steifer sein als der des Vorgängers. Auch das wurde im eingangs erwähnten Film ausgiebig gewürdigt. Schon klar, oder?

Wenige Schwachstellen

Dieser Stahlrohrrahmen hält die Corvette also gut beieinander und ist zudem wirkungsvoll gegen Korrosion geschützt. Unverwundbar ist er aber nicht. Wurde das Auto nämlich öfters unsachgemäß angehoben, kann es durchaus zu asymmetrischem Rahmenverzug kommen, von nachlässig behobenen Unfallspuren mal ganz zu schweigen. Auch Beschädigungen der Kunststoffkarosserie sind dadurch erklärbar.

Beim Check vor dem Kauf also mal genauer den Unterboden inspizieren und dabei gleich auf Undichtigkeiten an Motor, Getriebe (Öl muss rötlich, dünnflüssig und geruchlos sein) und auch Hinterrädern achten. Klebt auf den Felgen eine graue, fettige Masse, deutet dies auf ein beschädigtes Radlager hin – die Reparatur ist nicht eben billig. Und wenn das Auto ohnehin einmal auf der Hebebühne steht, lohnt auch eine ausführliche Inspektion der Auspuffanlage. Bis ins Baujahr 2000 hinein sind Durchrostungen an den Verbindungsstücken keine Seltenheit.

Chevrolet Corvette C5 Coupé, Exterieur
Arturo Rivas
Beliebtes Urgestein LS1 heißt der 5,7-Liter- Small-Block-V8 der C5: In gezähmter Form zog er auch in Millionen von Trucks ein. Der schärfere Motor der Corvette Z06 trug den Namen LS6 und verweist damit auf den 7,4-Liter-LS6 von 1971.

Der Klang könnte von der Perforation zwar profitieren, doch nötig ist das nicht. Denn der Hubraum-Berserker im langen, flachen Bug ist ein audiophiler Hochgenuss. Bei normalen Drehzahlen grummelt und bollert er friedlich vor sich hin, beim Ausdrehen dann schwingt er so unüberhörbar den Motown- Hammer, dass es eine wahre Freude ist.

Viel mehr als 6.000 Touren mag er sich nicht abtrotzen lassen, doch das nutzbare Drehzahlband beginnt ja andererseits schon bei 1.000 Umdrehungen. Und da ist es komplett unerheblich, ob das Schaltgetriebe mit extrem lang übersetztem sechsten Gang oder die nach gutem amerikanischem Brauch sehr komfortabel agierende Vierstufen-Wandlerautomatik an Bord ist. Wer in der C5 nach mehr Leistung schreit, ist schon sehr verwöhnt – und sollte vielleicht zur leistungsstärkeren Z06 greifen, die pünktlich zur Jahrtausendwende als Hardtop- Coupé die Bühne betrat.

Z06, der eilige Gral

Größere Ein- und Auslasskanäle, eine schärfere Nockenwelle mit mehr Ventilhub sowie eine Titan-auspuffanlage verhelfen dem eiligen Gral der C5-Familie zu 385 PS, die ein kürzer gestuftes Sechsganggetriebe besonders wirkungsvoll zur Geltung bringt.

Chevrolet Corvette C5 Coupé, Exterieur
Arturo Rivas
Entscheidung nötig: Das Targadach kostet viel Platz im 355-Liter-Kofferraum. Mutige lassen es gleich in der heimischen Garage.

Angesichts des großen Hubraums künden diese Leistungsdaten nicht von enormer Belastung des trotz 92 Millimetern Hubs kurzhubigen Motors. Auch darin liegt ein Teil des C5-Geheimnisses: Um schnell zu sein, braucht man keine hohen Drehzahlen. Immer und überall ist genügend Druck auf dem Kessel, um entspannt schnell zu sein. Reisen gelingt in Sichtweite der Leerlaufdrehzahl bei Verbräuchen um die zehn Liter. Amis saufen? Nee, nicht wirklich.

Sehr genussvoll sind Ausfahrten im Cabrio, das erstmals seit 1963 wieder eine Kofferraumklappe hat (bis zur C4 musste Gepäck durch den Innenraum ein- und ausgeladen werden). Der melodische Bass aus den großen Endrohren schwappt sacht ins Cockpit, der Wind darf die Haare ordentlich durchwuscheln, und blöde Gedanken haben keine dauerhafte Chance. Reizvoll ist natürlich auch das Coupé mit dem sanft geneigten gläsernen Rücken, das stets ein Targa ist. Das Dach (gegen Aufpreis auch in transparenter Ausführung) verursacht bei hohem Tempo weniger Windgeräusche als die Stoffmütze des Cabrios und ist dank dreier simpel zu bedienender Klammern schnell demontiert.

Das Hardtop-Coupé mit der kleineren Kanzel wiederum, das 1999 als preiswertes Modell für den US-Markt gebracht wurde und natürlich als Grauimport auch zu uns kam, fällt da ein wenig zurück in Sachen Naturverbundenheit. Es hat aber durchaus seinen Reiz, weil es eben leicht und besonders verwindungssteif ist. Kein Wunder also, dass die Z06 nicht als Targa-Coupé gebaut wurde.

Komfortabel und agil

Alle C5-Spielarten zeichnet dazu ein ordentlicher Federungskomfort (verstellbare Dämpfer!) und ein für viele unerwartet sportliches Handling aus. In welligen Kurven kann die Hinterachse zwar mal versetzen, doch der Ami mit dem vermeintlichen Simpelfahrwerk ist sehr agil, kurvenwillig und berechenbar im Grenzbereich. Hinzu kommen standfeste, gut dosierbare Bremsen und eine Lenkung, die zwar wenig Kraft verlangt, aber dennoch erfreulich präzise von dem berichtet, was da zwischen Straße und Vorderrädern abgeht.

Dodge Viper, Exterieur
Hardy Mutschler
Sportliche Alternative zur Corvette: Dodge Viper.

Eine gepflegte C5 aus seriösem Vorbesitz – ja, nicht jede Corvette geriet schon in zweiter oder dritter Hand auf die schiefe Bahn bei Heizern mit zu kleiner Geldbörse – kann also durchaus ein lockender und guter Kauf sein. Ein möglichst spätes Baujahr ist besonders zu empfehlen, denn mit den Jahren kamen ja nette Extras wie Head-up-Display und Stabilitätsprogramm oder auch superleichte Magnesiumfelgen, die natürlich besonders akribisch auf Beschädigungen untersucht werden sollten.

Nicht unwichtig sind zwei GM-Campaign-Plaketten im Motorraum: Die mit der Nummer 00034 bestätigt, dass Führung und Einzug der Sicherheitsgurte im Rahmen einer Serviceaktion verbessert wurden. Nummer 01044 steht für eine Anfang Juli 2003 ausgelaufene Aktion, die den Feststellmechanismus der sowohl manuell als auch elektrisch verstellbaren Lenksäule und das Lenkradschloss verbesserte. Keine unwichtigen Dinge also, die bei einem gut gewarteten Auto mit regelmäßigen Ölwechseln (die Intervalle wurden 2001 vom Werk auf 15.000 Meilen verlängert) gemacht worden sein sollten.

Ein echter, sauschneller, zuverlässiger und haltbarer Sportwagen mit Porsche- und Ferrari-Fahrleistungen schon ab 10.000 Euro? Wo ist der Haken? Das Auto selbst hat keinen, es ist ein ehrlicher Typ ohne Diven-Allüren. Nur das soziale Umfeld kann Probleme machen, weil das Rotlicht-Image noch immer nicht vergessen ist. Da hilft nur eins: trotzdem machen, drüberstehen und Spaß haben.

Fazit

Der "Spiegel" schrieb irgendwann mal, die Corvette sei ein Auto für Automatenaufsteller. Das saß – und ist im Falle der C5 grundfalsch. Denn diese Corvette ist ein waschechter Sportwagen, und ein unkomplizierter, echt verlässlicher obendrein.