Gebrauchtwagen-Odysee während Corona
SUV wider Willen

Selten war die Suche nach einem Gebrauchtwagen freudloser als aktuell. Eine persönliche Leidensgeschichte durch Online-Börsen und über Offline-Plätze mit bittersüßem Happy End.

Gebrauchtwagen SUV Reportage Collage Corona
Foto: Patrick Lang

Wer ein Auto älteren Semesters fährt, kennt das Gefühl: Man ist nur eine Kollision vom wirtschaftlichen Totalschaden entfernt, bei manchen reicht gar ein Steinschlag. Tritt der unglückliche Fall tatsächlich ein, obwohl man auf das Auto angewiesen ist, muss schleunigst Ersatz her. Dieses Schicksal hat mich nun ereilt, und zum Auto-Kauf in Mitten der Corona-Pandemie gezwungen.

Aliexpress China Tuning am BMW 5er e39 2019
Arturo Rivas
Meinen E39 hatte ich mit allerlei Tuning-Teilen aus Fernost aufgepeppt. Jetzt hat ihn leider ein Blechschaden von mir genommen. Mit der chinesischen Sonderausstattung hatte das übrigens nichts zu tun.
Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Die Ausgangssituation: Seit zwei Jahren dient ein BMW 5er (E39) als treuer Begleiter im Mobilitätsalltag. Manche von Ihnen kennen das Auto vielleicht bereits aus anderen Geschichten, die fragwürdige Tuning-Teile aus China zum Thema hatten. Sie müssen jetzt aber gemeinsam mit mir stark sein: Der 5er ist nach einem Unfall ein wirtschaftlicher Totalschaden. Dabei hätte er bis zum Jahresbeginn 2021 halten sollen, denn für diesen Zeitraum war der nächste Autokauf eigentlich anberaumt. Das Objekt meiner Begierde: Ein Mazda MX-5.

Von Schrott bis Diesel

Doch so wirft einen die Realität ins kalte Wasser des Gebrauchtwagenmarktes und ich kann Ihnen sagen, freudloser ging es da selten zu. Weil coronabedingt aktuell keine Exporteure für Luft auf den Kiesplätzen der Bundesrpublik sorgen, gibt es hierzulande eine Fülle von Fahrzeugen, die eine TÜV-Plakette noch nicht einmal aus der Ferne zu sehen bekommen. Dazu mischen sich jede Menge Diesel mit Abgasnormen unterhalb von Euro 5. Nachdem unsere Redaktion im Herzen von Stuttgart sitzt, ist das ohnehin keine Option. Da stehe ich jetzt also. Am Scheideweg. Versuche ich ein Schnäppchen zu schießen, das mich lediglich über den Winter bringt, bis der geplante Autokauf stattfindet, oder kaufe ich doch gleich etwas Handfestes, das eine Weile hält?

SUV wider Willen Gebrauchtwagen Kauf Reportage
Patrick Lang
An einen MX-5 habe ich mein Herz verloren. Hier der aktuelle sport auto-Dauertester.

Ich entscheide mich zunächst für Ersteres und ahne zu diesem Zeitpunkt noch nichts von der Depression, die aktuell eiskalt durch das Angebot weht. Meine Suchkriterien sind recht schnell definiert. Ich habe noch nie ein Fahrzeug mit Sitzheizung besessen. Weil ich das im Winter ganz charmant finde, kommt dieser Punkt in die Suchmaske. Unter 150 PS? Ohne mich. Ein bisschen Dampf muss sein, ebenso der entsprechende Soundtrack. Nicht unbedingt vom Motor, sondern gerne auch aus der Soundanlage. Mindestens ein CD-Player darf an Bord sein, ein USB-Anschluss wäre sogar noch besser. Weitere Komfortausstattung? Brauche ich eigentlich nicht, denn seit jeher folgt meine Fahrzeugsuche einem einfachen Credo: Was man nicht drin hat, geht nicht kaputt. Besonders dann, wenn man nach älteren Fahrzeugen sucht, deren Bordelektronik noch kein beruhigendes Niveau an Zuverlässigkeit erreicht hat. Ich setze da lieber auf einfache aber solide Technik, deren Reparaturkosten in einem gesunden Verhältnis zum Anschaffungspreis stehen. Jener wiederum sollte die Grenze von 3.000 Euro möglichst weit unterschreiten.

Ladevolumen gesucht

Nun muss ich noch einen kurzen Schwank aus meinem Privatleben einstreuen: Nachdem unser Hund Toffee einen doppelten Bandscheibenvorfall erlitten hat, ist er seit seiner Rehabilitation bei längeren Ausflügen auf eine Gehhilfe in Form eines gemütlichen Wägelchens angewiesen. Dieses Teil ist nur leider recht sperrig – ein Umstand, der meiner Suchmaske auch das Attribut "Laderaum" hinzufügt – in Form einer Beschränkung auf Kombinationskraftwagen. Weil sich der Hundewagen per Deichsel auch mit dem Fahrrad ziehen lässt, wäre eine Anhängerkupplung zudem nett. Schließlich erweitert ein Fahrradträger entsprechend den Radius der Ausflugsziele.

Zielvorgabe Nummer eins ist also ein einigermaßen kräftiger Kombi mit Sitzheizung, Anhängerkupplung, CD-Radio und ohne Schnickschnack und gerne mit Handschaltung. Das Suchergebnis: Ernüchternd. Eine aus meiner jüngsten BMW-Vergangenheit entstandene Marken-Sympathie zerschellt am wertbeständigen Portfolio der Münchener. Der 5er Touring ist mit substanzieller Leistung und vertretbarem Kilometerstand nur zu Preisen zu finden, die es mir widerstrebt zu bezahlen. Zumal dann meistens so viele Ausstattungsoptionen an Bord sind, dass sich mir der Kopf dreht. Das Auto passt schlicht nicht ins Such-Profil. Wärmer wird es da schon bei C- und E-Klasse T-Modellen. Beim genaueren Hinsehen blüht allerdings vielerorts der Rost und die grauen Innenräume in Kombination mit Wurzelholz-Dekor lassen mich erschaudern.

SUV wider Willen Gebrauchtwagen Kauf Reportage
mobile.de / Screenshot
Rückblickend betrachtet, eines der vernünftigen Angebote, dieser 325i Touring für knapp 6.000 Euro. Doch zum Zeitpunkt der Entdeckung ist mir das zu teuer und der 3er außerdem zu knapp dimensioniert.

Die verbotene Frucht namens SUV

Passat und Octavia sind mir persönlich zu fad, auf Audi habe ich so gar keine Lust und überhaupt dürstet es mich bei jedem Autokauf nach etwas Neuem, das ich noch nie im Fuhrpark hatte. Sie merken schon: Da bleibt nicht mehr viel übrig und so ertappe ich mich dabei, in Richtung SUV zu schielen. So einen hatte ich nämlich noch nie, weil ein nicht unerheblicher Teil meines Autofahrer-Herzens da schwer rebelliert. Ob ich dieses Mal von der verbotenen Frucht kosten soll? Ich passe mal die Suchmaske an. Ganz unverbindlich.

Einer so spontanen wie unerklärlichen Eingebung folgend, finde ich mich bei einem mittelgroßen Gebrauchtwagenhändler wieder, der in der letzten Ecke seines Hofes etwas stehen hat, das mich irgendwie reizt. Es handelt sich um einen Mazda Tribute von 2005 mit 2,2-Liter-Benziner, 150 PS, permanentem Allrad und sparsamer Ausstattung. Optisch hübsch aufpoliert, für schmale 1.999 Euro. Laut Anbieter hat das Double des Ford Maverick knapp 200.000 Kilometer runter, den Winter könnte er also noch locker durchstehen. "Der fährt noch zehn Winter", meint der Händler großspurig. Wie er sich doch täuschen sollte. Einziges offensichtliches Problem: Das Auto hat keinen TÜV, aber darüber kann man ja nach der Probefahrt sprechen.

SUV wider Willen Gebrauchtwagen Kauf Reportage
Patrick Lang
Die Kontrollleuchten im Mazda Tribute funktionieren super. Die Tachonadel nicht.

Schlimme Probefahrt

Schon die ersten Meter sorgen für Misstrauen. Die Lenkung knarzt, die Tachonadel bleibt von Gasstößen komplett unbeeindruckt liegen, dafür strahlen mir ABS- und AWD-Leuchte fröhlich entgegen. Letztere in einem gemütlichen 60-Sekunden-Intervall. Vielleicht sind ja nur die ABS-Sensoren verdreckt, denke ich und fahre mit einem Auto los, das nüchtern betrachtet schon jetzt wie eine Verzweiflungstat wirkt. Immerhin: Vortrieb und Schaltung laufen geschmeidig, das Fahrwerk macht einen ordentlichen Eindruck. Ziel meiner Probefahrt ist die naheliegende Werkstatt meines Vertrauens. Dort angekommen, könnte man am Rad hinten links Plätzchen backen. Der Bremssattel sitzt fest, und die ganze Chose strahlt ordentlich Hitze ab. Ohnehin braucht es neue Beläge rundherum. Ich komme zu dem Schluss, dass man über 1.999 Euro auch nur diskutieren könnte, wenn alle TÜV-relevanten Mängel behoben wären. Der Händler sieht das anders; ich ziehe von dannen.

Ich habe da noch einen Hyundai Santa Fe der ersten Generation auf dem virtuellen Parkplatz stehen. Zwar nicht ganz so charmant abseitig wie ein Tribute, aber dafür abseitig designt und immerhin mit 2,7-Liter-V6 und MP3-fähigem Radio. Für 1.900 Euro kann ich mir den ja zumindest mal anschauen. Denkste! Nicht einmal das ist mir vergönnt. Kurz bevor ich aufbrechen will, meldet sich der Anbieter. Das Auto wurde soeben verkauft.

SUV wider Willen Gebrauchtwagen Kauf Reportage
Patrick Lang
Gesehen habe ich ihn nur virtuell. Bevor es zum persönlichen Erstkontakt kommt, ist der Santa Fe schon verkauft.

Ab in die 300-PS-Region

Einigermaßen niedergeschlagen scrolle ich durch die verbleibende Auswahl an Fahrzeugen und in einem Moment der Klarheit zweifle ich ernsthaft an meinem Geisteszustand. Was sind das eigentlich für Autos? Abgeschossene Allrad-Krücken aus Fernost, rostige Kombis aus der Kohl-Ära und ein paar verzweifelte Porsche 924 (keine Ahnung, was die hier eigentlich suchen). Jedenfalls lässt diese Bestandsaufnahme vorläufig nur einen Schluss zu: Im Niedrig-Preis-Segment ist grade kein Blumenstrauß zu gewinnen. Also doch mehr Kohle investieren und zum ersten Mal ein Auto kaufen, das es nicht schon gab, als ich den Führerschein gemacht habe?

Ich drehe die Suche komplett: Wenn ich schon Geld in die Hand nehme, dann muss es Spaß machen. Drei Kandidaten schälen sich heraus: Renault Mégane R.S., Honda Civic Type R oder Hyundai i30N. Den vergleichsweise geringen Stauraum eines Kompaktsportlers lüge ich mir mit dem Entschluss weg, für den Vierbeiner einen faltbaren Wagen zu besorgen. Gut, also dann mal alle drei in die Suchmaske getackert und schauen, was dabei rumkommt. Das Ergebnis ist abermals ernüchternd. Wenn man so eine Summe jenseits der 30.000 Euro dann wirklich mal vor Augen hat, verliert das Experiment doch wieder irgendwie an Reiz. Außerdem schleichen schon jetzt Schuldgefühle durch meinen Hinterkopf, obwohl ich noch nicht mal einen Händler angerufen habe. Ein Kompaktsportwagen wäre aktuell eine ganz schön egoistische Fahrzeugwahl. Trotzdem: Ich muss jetzt eine Entscheidung treffen. Und zwar eine grundlegende.

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Rossen Gargolov
Auch diesen Kollegen habe ich bereits als Testwagen kennen- und schätzen gelernt. Aber selbst der Type R der Vorgänger-Generation ist als Gebrauchter noch recht teuer.

Die finale Suchanfrage

Das Budget zurre ich bei einer Obergrenze von 20.000 Euro fest, die Laufleistung bei maximal 50.000 Kilometern. Die Anhängerkupplung wird zum Must-Have. Ein geräumiges Auto für Alltag und Ausflüge, das vielleicht auch ein kleines bisschen Fahrspaß anbieten kann – das wäre vage formuliert die finale Definition. Irgendwie muss das Preis-Leistungs-Verhältnis mich eben überzeugen. Ich begebe mich also in die wankelmütigen Hände des Schicksals und hoffe auf ein wenig Hilfe vom Universum. Start der Suche in einem Umkreis von 50 Kilometern mit der Hoffnung auf einen Glückstreffer.

Ich kann den Moment gar nicht richtig in Worte fassen. Während ich ziemlich desillusioniert durch das Angebot scrolle, huscht ein Ford Kuga über den Bildschirm. Dann noch einer. Und noch einer. Nanu? Da sind aber viele Kuga im Umlauf, und ich bin getriggert. Den kompakten Kölner SUV der zweiten Generation haben wir als Dauertester im Haus und ich fand ihn immer recht angenehm. Übersichtlich, dennoch ordentliches Platzangebot und ein feines Fahrwerk. Vielleicht hat es so viele Kugas auf den Gebrauchtwagenmarkt gespült, weil seit kurzem eine neue Modellgeneration Händler steht? Sei’s wie es will: Ich identifiziere den Kuga als Preis-Leistungs-Sieger meiner bisherigen Suche.

SUV wider Willen Gebrauchtwagen Kauf Reportage
Patrick Lang
Volle Hütte, wenig Kilometer und ausreichend Platz. Mit diesem Ford Kuga habe ich meiner Ansicht nach einen guten Deal erwischt.

Es wird ein Ford Kuga

Und da ist er! Aus Gründen, die ich noch nicht begriffen habe, weiß ich genau: dieses schwarze Vor-Facelift-Modell für 18.990 Euro ist meins. Ein 2016er Kuga Individual mit Allradantrieb und Vierzylinder-Benziner mit 182 PS. Nicht, dass ich Allradantrieb brauchen würde, aber es gibt einem zumindest ein kleines Gefühl von Nutzwertigkeit, wenn man schon SUV fährt. Vor allem aber beeindruckt mich der Preis, weil bei diesem Auto wirklich jedes einzelne Kreuzchen im Aufpreis-Katalog gesetzt wurde. Absolut volle Hütte, was einem späteren Wiederverkauf zuträglich sein dürfte.

Das Auto steht bei Albi Automobile in Niefern und erwartet mich auf Hochglanz poliert zur Probefahrt. Ich habe absolut nichts zu beanstanden. Zusätzlich versorgt mich der Händler mit Infos zur Historie, abseits des lückenlosen Scheckheftes. Vorbesitzerin war eine ältere Dame, deren Garage offenbar zu klein für den kompakten SUV aus Köln war. Kleinere Streifschäden wurden von einer Fachwerkstatt behoben, alles fotografisch dokumentiert. Der Kuga ist emotional nicht hundertprozentig mein Auto, aber in diesem Fall ein wirklich guter Deal. Also schlage ich zu und besitze nun, was ich eigentlich nie haben wollte: Einen vollausgestatteten SUV mit DSG. Wenn Sie jetzt gemeinsam mit mir noch ein Tränchen für den verschiedenen BMW E39 verdrücken möchten, können Sie das oben in der Fotoshow tun. Inklusive China-Tuning.

SUV wider Willen Gebrauchtwagen Kauf Reportage
Patrick Lang
Der Zuschlag ist gemacht, das Auto im Fuhrpark aufgenommen. Bisher kann ich nicht klagen, auch wenn so ein Kuga nicht meine emotionale Heimat ist.

Fazit

Wie Sie den obigen Zeilen sicher entnehmen konnten, stecken in dieser Geschichte eine Menge subjektiver Eindrücke. Garniert mit persönlichem Geschmack. Daher erhebt die beschriebene Herangehensweise beim Gebrauchtwagenkauf keinerlei Anspruch auf Objektivität oder Allgemeingültigkeit. Jetzt ist es am neuen Fuhrpark-Mitglied, sich im Alltag zu bewähren. Ich werde berichten.