Michelin macht den Rennsport umweltfreundlicher
Dieser Reifen ist außen schwarz und innen grün

Nachhaltige Mobilität: Gelingt ganz gut. Nachhaltiger Rennsport: Schwieriges Thema. Grüne Reifen für die Rennstrecke: Abstrus. Michelin macht es trotzdem.

Michelin Rennreifen 46 % nachhaltig
Foto: Michelin/GreenGT

Schwarz und rund. Zwei Eigenschaften die auf den Großteil aller Reifen zutreffen. Die Form ist der Physik geschuldet, die Farbe dem Ruß, der das Gummi abriebfester und beständiger gegen Umwelteinflüsse macht. Zusammen mit Gummi, Stahl, Nylon, Rayon oder PET-Fasern, Öl, Schwefel, viel Hitze und Energie werden daraus diese schwarzen, runden Dinger, die das Auto und uns unter allen Umständen auf der Straße halten wollen. Als Verschleißteil erbringt der Reifen diese Leistung unter der selbstlosen Opferung seiner Selbst. Klingt alles nicht sehr nachhaltig. Ist es auch nicht. Es sei denn, der Hersteller des Reifens nutzt moderne Techniken, Methoden und Materialien, um den Reifen zu einem sehr hohen Anteil mit nachhaltigen, natürlichen, im besten Falle wieder verwerteten Materialien herzustellen. Beispiel Michelin: Bis 2030 sollen in allen Reifen mit dem knuffigen Männchen auf der Flanke 40 Prozent der Materialien nachhaltig oder natürlich sein.

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46 Prozent nachhaltige Materialien

Die aktuelle Topbilanz mit 46 Prozent nachhaltiger Materialien bei Michelin hat ausgerechnet ein Rennreifen, dessen bloße Einsatzform im Langstrecken-Rennsport Greta ein giftiges "How dare you.", entreißen würde. Wie haben die Micheliner das geschafft? Die runde Form des Reifens ist wenig verbesserungsfähig. Beim schwarzen Ruß, der als Primärrohstoff aus viel Rohöl gewonnen wird – ein Kilo verlangt gut drei Liter Öl -, setzt Michelin an. Der verwendetet Recycling-Ruß wird in einem speziellen Pyrolyse-Verfahren des schwedischen Start-Ups Enviro aus Alt-Reifen gewonnen und ist von so hoher Güte, dass er im Gegensatz zu manch anderen Verfahren wieder im Reifen eingesetzt werden kann. Und in diesem Falle in einem Rennreifen in der Langstrecken-Weltmeister mit höchsten Ansprüchen an Grip, Haltbarkeit und Verlässlichkeit. Wie das Verfahren genau funktioniert, steht im Artikel über das Recyclingwerk von Michelin und Enviro in Chile.

Naturkautschuk, Orangenschalen, Baumharz und Altmetall

Um im speziellen Fall auf die 46 und später allgemein 40 Prozent nachhaltiger Materialien in den Michelin-Reifen zu kommen, braucht es mehr als nur den Ruß. Michelin erhöht für den grünen Rennsportreifen den Anteil an natürlichem Kautschuk, der wiederum ökologisch und sozial nachhaltig angebaut und geerntet wird. Und weniger synthetischer Kautschuk spart gleichzeitig eine stattliche Menge Erdöl und anderer nicht nachhaltiger Stoffe in der Herstellung. Weitere natürliche Bestandteile in den 46 Prozent sind neben Kautschuk für das Gummi auch Sonnenblumenöl, Kiefernharz und Schalen von Orangen und Zitronen. Sommersalat? Nein, Reifen. Sonnenblumenöle werden schon länger im Reifenbau verwendet, um den Kautschuk besser verarbeiten können und das Gummi geschmeidiger zu machen. In dieser Form ersetzt das Sonnenblumenöl vereinfacht gesagt Erdöle. In die gleiche Richtung geht die Verwendung von Kieferharz als Basis der im Gummi verwendeten Isoprene, die in verschiedenen Kombinationen den Grip bei Nässe und die Laufleistung erhöhen. Interessant wird es bei den Orangen- und Zitronenschalen: Sie bilden in einem neuen Verfahren die Basis für synthetischen Kautschuk. Aus den Schalen wird Bioethanol gewonnen und in einem weiteren Schritt Butadien als Grundstoff für synthetischen Kautschuk. Die Biomasse ersetzt in dem Fall ebenfalls Erdöl. Das Altmetall für Gürtellagen und Wulstkerne stammt beim Rennsportreifen aus recycelten Konservendosen. Interessant auch ein ähnliches Projekt in der elektrischen Motorrad-Weltmeisterschaft.

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Fazit

Einen nachhaltigen Reifen für den Rennsport zu entwickeln mag zunächst wenig sinnvoll wirken, weil auf Zeit im Kreis zu fahren per se nicht ökologisch wertvoll ist. Aber als Labor für Tests unter extremen Bedingungen, die irgendwann auch nachhaltiger Massenware zu Gute kommt, taugt die Rennstrecke in diesem Fall schon. Bis 2050 will Michelin alle Reifen nachhaltig bauen. Dazu passt, dass der nachhaltige Reifen auf einem mit Wasserstoff betriebenen Langstreckenrenner getestet wird.

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