Streaming-Dienste
Flatrate-Trend bei Musikfans

Die Musikindustrie erfindet sich mal wieder neu: MP3-Download war gestern, heute holen sich Musikfans eine Flatrate, bei der sie so viel hören können wie sie wollen – auch im Auto.

Streaming-Dienste, Cockpit
Foto: Hans-Dieter Seufert

Erinnern Sie sich noch an dieses tellergroße, schwarze Ding mit Loch in der Mitte? Obwohl extrem kratzempfindlich, gab’s zur Speicherung von Musik fast 100 Jahre lang nichts Besseres als die Schallplatte. Bis die Compact Disc Mitte der 1980er-Jahre das Digitalzeitalter einläutete. Deren Vorherrschaft hielt keine 20 Jahre, heutige Autoradios haben oft nicht mal mehr einen CD-Schlitz. Musikfans speichern ihre Lieblingssongs im datenreduzierten MP3-Format auf Handys oder Mini-Playern. 2003 verhalf Apple mit dem iTunes-Store legalen Downloads zum Durchbruch.

Schon wieder kalter Kaffee, inzwischen boomen Streaming-Dienste, bei denen die Titel über eine Internetverbindung abgerufen und im Normalfall erst gar nicht auf dem Rechner gespeichert werden. Der Vorteil von Streaming-Anbietern: Für eine monatliche Abogebühr, die je nach Dienst und Klangqualität zwischen 5 und 20 Euro beträgt, darf unbegrenzt auf deren Repertoire zugegriffen werden. Und das fällt mit zig Millionen Liedern und Hörbüchern meist gigantisch aus. Fast alle großen Plattenlabels machen mit, da sie für jeden Stream einen kleinen Obolus erhalten. Wer nicht sicher ist, ob sich die Investition lohnt, kann bei vielen Streamern einen kostenlosen Test-Account mit eingeschränkten Funktionen, aber vollem Titelzugriff anlegen.

Anders als beim Internetradio, das oft nur die Wahl eines bestimmten Musikgenres erlaubt, ermöglichen Streaming-Dienste einen direkten Zugriff auf Künstler, Album und Song. Zudem schlagen viele Anbieter zu den Hörgewohnheiten passende Alternativen vor oder informieren in redaktionellen Beiträgen über interessante Newcomer-Bands, was den musikalischen Horizont permanent erweitert. Welcher der vielen Anbieter am besten ist, lässt sich nicht so leicht sagen, fallen doch die Unterschiede bei Repertoire und Funktionen gering aus. Eine Entscheidungshilfe könnte daher das Auto liefern. Da sich Musik-Streaming perfekt für längere Fahrten eignet, beginnen die Hersteller allmählich, ihre Infotainment-Systeme damit auszurüsten – was wir uns am Beispiel Volvo und BMW einmal näher angesehen haben.

Volvo setzt auf Spotify

Wie eine gelungene Integration aussieht, zeigt das System Sensus Connected Touch von Volvo, das unter anderem für den V40 angeboten wird und eine App von Spotify enthält – dem Streaming-Marktführer in Deutschland. Wer noch keinen Spotify-Account besitzt, erstellt diesen am besten zunächst auf dem heimischen Rechner oder Tablet-PC, wo sich auch Lieblingslieder in Playlists zusammenfassen lassen. Wer die Anmeldedaten dann im Volvo eingibt, kann direkt auf seine Wiedergabelisten zugreifen oder nach neuen Liedern fahnden. Während der Fahrt bietet Volvo hierfür eine Spracherkennung an, die per Druck auf das Sprechblasensymbol des Touchscreens aktiviert wird. Beim Test funktionierte dies zumindest bei Künstlernamen recht ordentlich, während die Erkennungsquote bei konkreten Liedwünschen sank.

Dafür verblüffte das System mit seiner tollen Empfangsqualität. Ohne nennenswerte Wartezeiten stimmte Sensus Connected Touch die gewünschten Songs an und verzichtete bis weit über die Stadtgrenzen Stuttgarts hinaus auf Aussetzer. Erst als es weiter raus auf die Schwäbische Alb ging, machte das dünner werdende Mobilfunknetz die Musikübertragung schwieriger. Doch hierfür bietet das System die Möglichkeit, die Lieder seiner Playlists auf den Volvo-eigenen Speicher herunterzuladen und dann ohne Internetverbindung abzuspielen.

Das schont ganz nebenbei auch das Datenvolumen des Handy-Vertrags. Gestreamt wird nämlich über das gekoppelte Mobiltelefon des Fahrers oder per Surfstick im Handschuhfach. Bei einer Stunde Musik hören kommen schnell mal 50 MB und mehr zusammen. Wer oft streamt, sollte sich daher ein solide Daten-Flatrate mit mindestens 2 GB pro Monat zulegen. Telekom-Kunden haben zudem die Möglichkeit, für knapp 10 Euro im Monat einen Spotify-Premium-Vertrag abzuschließen, bei dem die Musikübertragung nicht auf das übrige Datenvolumen angerechnet wird.

Von Datensorgen sind BMW-Fahrer ohnehin befreit. Wer sich für die Option "Online-Entertainment" entscheidet, bezahlt im ersten Jahr einmalig 390 Euro und 220 Euro für jedes weitere Jahr, wobei Roaming-Kosten in einigen europäischen Staaten bereits enthalten sind. Gestreamt wird nämlich über eine eingebaute SIM-Karte von Vodafone, über die auch die sonstigen Online-Funktionen von BMW laufen. Den hohen Preis rechtfertigt die tolle Integration ins iDrive-Bediensystem inklusive Touchpad zur Buchstabeneingabe. Zudem wird jedes gehörte Lied auf Festplatte hinterlegt (bis zu 6.000 Stück), womit sich selbst die längsten Funklöcher überbrücken lassen. Mit Rara und Napster haben BMW-Fahrer derzeit die Wahl zwischen zwei verschiedenen Streaming-Anbietern, weitere sollen folgen. 

BMW übernimmt Roaming-Kosten

Beim Test von Rara in einem BMW 3er überzeugte das System ebenfalls mit verblüffend stabilem Empfang, einfacher Handhabung und groß abgebildeten Cover-Fotos. Allerdings kam der BMW nicht an den Klang des Volvo heran. Dessen Sensus Connected Touch erlaubt nämlich die Einstellung der Bitrate, die bei Spotify wahlweise 96, 160 und 320 kbps beträgt. Je höher die Bitrate, desto besser der Klang. Beim Online-Entertainment im 3er ließ sich die Übertragungsrate nicht verändern. Wie hoch sie ist, verrät BMW nicht, nach viel mehr als 96 kbps klangen die Rara-Songs jedoch nicht. In ausgedehnten Hörtests will BMW herausgefunden haben, dass die angebotene Qualität für die meisten Menschen kaum von der einer CD zu unterscheiden sei. HiFi-Gourmets sollten jedoch sicherheitshalber probehören, bevor sie bei Online-Entertainment ihr Kreuzchen machen.
Doch auch wer sich demnächst keinen Neuwagen leistet, muss nicht auf Musik-Streaming verzichten, schließlich laufen die entsprechenden Apps auf fast jedem Smartphone. Wie der Sound in die Auto-Stereoanlage kommt, steht im Kasten links.

Volvo Sensus Connected Touch im V40 Cross Country

Das Sensus Connected Touch lässt sich für 690 Euro plus Einbau beim Volvo-Händler nachrüsten. Neben Spotify gibt es einige weitere Apps wie Webradio oder Navigation. Die Internetverbindung erfolgt über ein gekoppeltes Handy oder einen Surfstick.
Die Vorteile sind günstiger Preis, Nachrüstbarkeit, einstellbare Bitrate, Sprachsuche, interner Musikspeicher und mittels Surfstick auch ohne Handy zu betreiben.
Dass das Touchscreen zu weit weg ist, zählt zu den Nachteilen. Ebenso die teils schlichten Menüs mit kleinen Schriften und die erforderte Einarbeitung in die Bedienung.

Connected Drive mit Online Entertainment im BMW 320d

Derzeit ist Online Entertainment (390 Euro, ab dem zweiten Jahr 220 Euro) nur über das Navigationssystem Professional nutzbar. Zukünftig sollen sich jedoch auch günstigere Radios mit den Internetdiensten von BMW erweitern lassen.
Als Vorteile sind die tolle Integration ins Bediensystem inkl. Touchpad und Head-up-Display, die wählbaren Streaming-Dienste, der große Musikspeicher und keine weiteren Verbindungskosten zu nennen. Der 390 Euro teure Einstiegspreis und die nicht einstellbare Klangqualität zählen zu den Nachteilen.

Ob per USB, Bluetooth oder Aux: So kommt die Musik in ihr Auto

BMW, Mini, Volvo und demnächst Ford: Fest ins Infotainment-System integrierte Streaming-Dienste sind derzeit an einer Hand abzuzählen. Umso erfreulicher, dass die Handy-Apps von Spotify & Co. meist ausreichen. Um den Ton ins Auto zu bringen, gibt es drei Möglichkeiten: Die einfachste geht über den Aux-Eingang (Kopfhörerbuchse). Die Bedienung erfolgt komplett über das Handy, was während der Fahrt nur mit einer festen Halterung erlaubt ist. Unterstützt Ihre Freisprecheinrichtung Musikübertragung, geht es auch per Bluetooth. Allerdings muss hierfür in einigen Autos erst der normale Musik- Player im Handy gestartet werden, um anschließend auf die Streaming-App umzuschalten. Bedient wird bei dieser Methode ebenfalls am Handy, bei einigen Autos klappen immerhin Titelsprünge am Radio. Fein raus ist daher, wer ein Soundsystem mit USB-Eingang hat: Hängt das Handy am Datenkabel, wird es nicht nur geladen, es übertrug beim Test in Opel Meriva und VW Golf Titelinformationen und Cover-Fotos auf den Bordmonitor.

Fazit

Wer einmal Zugriff auf fast das gesamte musikalische Archiv der Menschheit hatte, möchte Streaming-Dienste nicht mehr missen. Allerdings sollten mehr Autohersteller als bisher die Apps in ihre Infotainment-Systeme integrieren, da nur so eine sichere Bedienung während der Fahrt gewährleistet ist. Im Gegensatz zu manch dröger News- oder Wetter-App macht Musik-Streaming im Auto wirklich Spaß.