90 Jahre Pininfarina
Die coolsten Autos des Star-Designers

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Pininfarina war nicht nur der Haus-Designer von Ferrari und Peugeot. Das italienische Design-Studio beeinflusste die Optik vieler Marken.

Alfa Romeo Duetto Spider (1966)
Foto: Pininfarina

Pininfarina provoziert nicht, verzichtet auf Gags, ist nie unterkühlt, aber immer von schlichter Eleganz. Die klare, zeitlose Handschrift des Familienunternehmens aus Grugliasco wirkte sich stets stilbildend auf andere Autohersteller aus. Der enorme Schaffensdrang der berühmten Karosserie-Manufaktur prägte das Straßenbild in Europa.

Nicht alle Pininfarina-Entwürfe tragen das berühmte Emblem. Das blaue, gekrönte "f" über der markant eckigen Signatur schmückt nur die Flanken der auch in Grugliasco und zuletzt in Cambiano in Kleinserie gebauten Karosserien. Es steht für Farina, dem Ursprungsnamen der Designer-Familie.

Unsere Highlights

Club der anonymen Pininfarinas

MGB-GT-Seite
Achim Hartmann
Pininfarina schneiderte dem MG B ein Dach und machte ihn damit zum GT.

Viele Pininfarinas fahren und fuhren anonym herum. Manche sind gar keine, sehen aber aus wie solche. Denn vor allem in den 50er, 60er und 70er Jahren war das immens erfolgreiche Unternehmen von einer kaum zu bändigenden Kreativität erfüllt. Ob Austin A30, Morris Oxford, Austin 1100/1300, Vanden Plas Princess 4-Litre R, MG B GT oder das Bentley T Corniche Coupé.

Pininfarina zeichnete dem MG B eine hinreißende Dachlinie und machte ihn damit zum GT mit edlem Shooting-Brake-Heck. Selbst die britische Automobil-Industrie zeigte sich von den Pininfarina-Entwürfen begeistert. Alfa Romeo, Fiat und Lancia gehörten sowieso längst zu den Stammkunden des Meisters der ruhigen, aber ausdrucksvollen Linien. Manchmal sind sie gar so subtil und unauffällig, dass man sie gar nicht als echten Pininfarina wahrnimmt, wie etwa beim Lancia 2000 Coupé von 1969. Es sieht von vorn aus wie der erste Audi 100. Auch der Peugeot 304 wirkt nicht sonderlich charismatisch.

Fiat
Auch den Fiat Dino Spider gestaltete Pininfarina.

Nicht alles von Pininfarina überzeugte. Das Fiat 1500 Cabriolet von 1963 zählt jedoch in seiner schlichten Eleganz bis heute zu den schönsten Kreationen des Hauses, der Fiat Dino Spider von 1966 zu den seltensten und raffiniertesten. Zu den angebeteten Design-Ikonen der 50er Jahre zählt das Alfa Romeo 1900 Coupé ebenso wie die Lancia Flaminia Limousine. Nach dem wahrhaft epochalen Cisitalia 202 von 1947 bedeutete die auf dem Prototyp Florida basierende Flaminia einen weiteren großen Wandel im Pininfarina-Stil, der sich der Automode anpasste, sie aber auch tief prägte.

Pininfarina beeinflusst das Design vieler Marken

Exakt zehn Jahre nach Flaminias Trapezform brach mit der Studie einer viertürigen Fließheck-Limousine namens BMC 1800 die Epoche neuer Sachlichkeit an. Sie war geprägt von den Gesetzen der Aerodynamik. Welch ein Wunder, dass der ähnliche NSU Ro 80 im gleichen Jahr erschien. Ein Auto, das Sergio übrigens wie die Jaguar XJ12-Limousine sehr bewunderte; beiden hat er eigene Design-Studien gewidmet. Später durfte er das Lyons-Design mit der Serie III behutsam modernisieren.

Citroen CX, Interieur
Citroen
Von Pininfarina beeinflusst: Citroen CX.

Ob Citroën CX oder Rover 3500, viele Autos in dieser knisternd spannenden Ära bis 1990, die Sergio Pininfarina ab 1960 als Direktor und von 1966 bis 1988 als Präsident entscheidend prägte, tragen Pininfarina-Gene – ob autorisiert oder nicht. Sogar Heinrich Nordhoff holte sich bei Sergio Pininfarina für den VW 411 professionelle Hilfe. Erst spät lernten wir den konsequent-eigenwilligen Typ 4 zu schätzen.

Natürlich ist vor allem die enge und ursprüngliche Verbindung zu Ferrari legendär. Mindestens zwei der bisher schönsten Autos sind aus dieser Liaison hervorgegangen, der Ferrari 250 GT Lusso und der 365 GTB/4 Daytona, am liebsten noch in der frühen Version mit den Doppelscheinwerfern hinter Glas. Anfangs wurde die 1952 zwischen Pininfarina und Enzo Ferrari lombardisch-piemontesische Allianz mit zwei gekreuzten Email-Fähnchen auf edlem Blech besiegelt. Die eine trägt das Cavallo Rampante, die andere das blaue "f"der Farinas. Sie war Ausdruck einer tiefen und kongenialen Männerfreundschaft zwischen Enzo Ferrari und Sergios Vater Battista Farina, der eine ein Meister des Maschinenbaus, der andere ein Meister der Ästhetik.

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Fiat Dino Spider
Fiat Dino Spider
Ferrari Testarossa, Seitenansicht
Ferrari Testarossa
1955 Lancia Aurelia B24S Spider America by Pinin Farina
Lancia Aurelia Spider

Selten ging Ferrari karosserieseitig fremd, nur wenige Exemplare kamen von Touring, Allemano, Boano, Michelotti oder Vignale. In den Siebzigern war der Dino 308 GT 4 das berühmte Bertone-Kuckuckskind. Leider ist das Band zwischen Ferrari und Pininfarina heute nur noch ein sehr lockeres. Der Schriftzug mit dem blauen "f" prangt nur noch selten auf Rosso Corsa.

Peugeot-Hausdesigner

Peugeot 504 Limousine
Peugeot
Ein Beispiel für Pininfarinas gestalterische Klasse in der Großserie: Peugeot 504.

Pininfarina war seit 1953 auch Hausdesigner von Peugeot. Damals wirkte der junge Sergio Farina nach abgeschlossenem Maschinenbau-Studium schon drei Jahre im Unternehmen seines Vaters mit. Battista Farina hatte den Spitznamen Pinin, "der Kleine". Ab 1960 wurde daraus der neue Familienname Pininfarina, ganz legal auf Geheiß der italienischen Regierung. Im gleichen Jahr feierte der Peugeot 404 sein Debüt, nach der Mittelklasse-Limousine 403 ein weiterer stilistischer Meilenstein für die Großserie. Die Trapezform löst den rundlichen Ur-Ponton der Cisitalia-Epoche ab, acht Jahre später findet der 504 zur neuen Sachlichkeit.

Sergio Pininfarina ist ein sprühender Ideengeber, ein glänzender Formkritiker mit dem sicheren Gespür für Trends – aber zeichnen wie sein Vater kann er nicht. Er holt sich junge Top-Designer in die Firma, Paolo Martin, Leonardo Fioravanti, Tom Tjaarda. In den 1970er-Jahren kommt die Karosserie-Maßschneiderei erstmals in eine Krise. Mit Ital Design betritt neben dem traditonellen Mitbewerber Bertone ein neuer ernstzunehmender Konkurrent die Bühne. Beide, Giugiaro und Pininfarina, entwerfen, was das Zeug hält, übertreffen sich gegenseitig mit Studien in Genf, Paris und Turin. Pininfarina gelingen mit Ferrari F 40, Ferrari 456, Alfa Romeo 164 und dem neuen Spider-Keil auch in der jüngeren Vergangenheit aufsehenerregende Entwürfe.

Industrie-Dienstleister und Auftragsfertiger

Volvo C70
Volvo
Den C70 fertigte Pininfarina im Auftrag von Volvo in Schweden.

Doch die Zeit individuellen Coachworks geht langsam zu Ende. Die großen Autohersteller haben ihre eigenen Design-Abteilungen, Geld für extravagante L´Art pour L´Art-Studien, wie es die viertürige Ferrari-Limousine Pinin 1980 noch war, ist kaum noch da. Die Karosseriefertigung musste inzwischen schließen, das Untermehmen Pininfarina ist heute ein Industrie-Dienstleister, der verstärkt auf Elektro-Mobilität setzt. Im Jubiläumsjahr soll der enorm starke Battista auf den Markt kommen – der Elektro-Sportwagen soll die Marke in die Zukunft beschleunigen.

Fazit

Früher wurde Pininfarinas Stil oft und gerne kopiert. So könnte der Ford Granada II die passende Limousine zum Fiat 130 Coupé sein. Nach der Jahrtausendwende prangte das blaue "f" mit der eckigen Signatur auch an einem Focus Cabriolet. Es steht genauso wie Peugeot 406 Coupé und der zweite Volvo C70 für die späte Phase des Unternehmens als Ingenieursdienstleister und Auftragsfertiger. Inzwischen gehört Pininfarina zum indischen Mahindra-Konzern. Der Chef, Paolo Pininfarina, stammt jedoch weiterhin aus der Familie.