Fahrbericht zum Mercedes-Benz 280 TE
Der Kombi, der keiner sein durfte

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Die IAA 1977 veränderte die Mercedes-Welt. Der dort präsentierte Kombi-Ableger des W123 geriet zum ersten Lifestyle-Transporter der Marke und wies die Richtung für die nächsten Mercedes-Jahrzehnte. 

Mercedes-Benz 280 TE
Foto: Uli Jooß

Die erste Generation, die auf der zusätzlichen Kindersitzbank im Fond des W123 T-Modells aufgewachsen ist, fährt längst selbst Mercedes. Vielleicht ist sie es, die dafür sorgt, dass der Kombi inzwischen zur begehrtesten und höchst bezahlten Karosserievariante des Mittelklasse-Benz geworden ist.

Und vielleicht passiert jetzt genau das, was die Mercedes-Oberen schon immer befürchtet hatten – dass der Kombi die Limousine kannibalisieren könnte. Unschuldige Limousinen müssen als Teileträger für T-Modelle herhalten, weil für die einfach höhere Preise zu erzielen sind. Schon 1975 hatten die Daimler-Manager größte Bedenken, dass die zu erwartenden Verkaufszahlen des Kombi zu Lasten der Standardversion gehen könnten.
 
Das Projekt S 123 (S für Stationswagen) wurde also vorübergehend auf Eis gelegt, weshalb die Kinder der Generation Golf , die in besser verdienenden Kreisen eigentlich Generation T-Modell heißen müsste, bis 1978 auf den neuen Familienkombi warten mussten. Schließlich ließen sich die Marktstrategen in Stuttgart-Untertürkheim doch davon überzeugen, dass ein nobler Kombinationskraftwagen keineswegs dem Image der Limousinen aus dem standesbewussten Haus schaden würde.

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Kombi und Mercedes passte nicht zusammen
 
Kombi und Mercedes, das schien so wenig zusammenzupassen, dass die Verantwortlichen noch nicht einmal das Wort benutzen wollten. Es wurde ernsthaft erwogen, die Kombi-Baureihe mit dem Kürzel St wie Stationswagen zu benennen - 240 StD oder 280 StE etwa. Erst 1977, ein paar Monate vor der Präsentation auf der IAA, dämmerte ihnen, dass diese Kürzel eher nach Straßenbahntriebwagen von Siemens als nach noblen Mercedes geklungen hätten. Die Umbenennung zu T, wobei der Buchstabe für Touristik und Transport stehen sollte, war zweifellos eine weise Entscheidung. Zwar war er genauso erklärungsbedürftig, setzte sich aber dennoch schnell durch. Und letztlich nennt bis heute niemand, noch nicht einmal bei Daimler, einen Kombi Stationswagen.
 
Der edle Mercedes-Kombi kam schon auf der IAA beim Publikum so gut an, dass sich bestimmt einige Herren fragten, ob sie nicht schon beim /8 gut beraten gewesen wären, eine Kombi-Variante anzubieten. Nicht nur das T in der Typenbezeichnung sorgte dafür, dass kaum jemand das neue Modell als Handwerkerexpress missverstand. Auch die Gestaltung der Preisliste machte deutlich, welche Zielgruppe sich im Visier befand. Denn der Kombi war rund 15 Prozent teurer als die gleich motorisierte Limousine. Zudem fehlten die schwächsten Motorvarianten des 123. Die Typen 200 und 200 D wollte man dem T-Käufer nicht zumuten. Auch die Liste der aufpreispflichtigen Extras deutete eher in Richtung Luxusliner als zum Nutzfahrzeug hin.

Der Preis für den Mercedes-Benz 280 TE schoss auch mal auf S-Klasse-Niveau
 
Mit einigen netten Zutaten konnte der Preis eines 280 TE mühelos auf 911- oder S-Klasse-Niveau gehievt werden. Und es waren nicht wenige, die davon reichlich Gebrauch machten. Allein schon die Zugabe von so nützliche Kleinigkeiten wie Automatikgetriebe, Radio mit automatischer Antenne, Metallic-Lackierung, Fondsitzbank, Veloursausstattung und Anhängevorrichtung verteuerten 1979 den fast 34.000 Mark kostenden 280 TE auf über 40.000 Mark. Dafür bekam der gut beschäftigte Selbständige allerdings auch einiges geboten. Das T-Modell beeindruckt auch heute, fast 28 Jahre nach seiner Vorstellung, durch die hamonische Linienführung, die auf den zweiten Blick verrät, dass die Mercedes-Designer den Kombi beim Entwurf der 123-Limousine schon in den Köpfen hatten. Und noch beeindruckender ist die liebevolle und solide Ausführung im Detail, die so viel beste schwäbische Handwerks- und Ingenieurskunst offenbart wie kaum ein anderer später produzierter Mercedes.
 
Zumindest wenn er so gut erhalten und ausgestattet ist wie der 1983er nautikblaue 280 TE von Hardy Langer aus Mannheim. Der Mercedes-Maniac hortet einen kleinen Streichelzoo Untertürkheimer Automobile, mit eindeutigem Schwerpunkt T-Baureihe. „1977 sah ich auf der IAA das T-Modell und wusste sofort, das ist mein Auto“, erinnert er sich. Und ließ Taten folgen: 1985 erwarb er eines der letzten Auslaufmodelle, das natürlich immer noch gehütet wird. Ein paar andere kamen im Lauf der Jahre dazu. Der Nautikblaue ist eine vergleichsweise neue Erwerbung. Er verbrachte seine Jugend in Deutschland, wurde dann nach Südfrankreich verschleppt,wo ihn aber ein besseres Schicksal erwartete, als es vielen Artgenossen beschieden war. Denn die verschlug es - wenn's ganz schlimm kam - nach Cotonou in Westafrika.

Rost ist beim Mercedes Benz 280 TE ein Thema
 
Er erhielt gelbe Nebelleuchten, die im dunklen Metalliclack wunderhübsch aussehen, und blieb weitgehend rostfrei. Auch das ist beim T-Modell eher die Ausnahme. Denn genau wie die 123-Limousine korrodiert der Kombi freudig vor sich hin, während die Technik fast nur mutwilliger Zerstörung nachgibt.
 
Den Gelegenheitsfahrer überrascht der Kombi mit der ausgeprägten Wohlfühl-Atmosphäre, die allen Mittelklasse-Mercedes zu eigen ist. Und der auch die nur unbeholfen kaschierte Nüchternheit der Einrichtung keinen Abbruch tut. Es scheint tatsächlich denkbar, dass ein 123, wie ein Kollege einmal schrieb, einem selbst im Eisregen auf der A 61 stets das Gefühl gibt, im Handschuhfach prassele ein Kaminfeuer. Es ist nur eine Glühlampe, die aufleuchtet, wenn man das Fach öffnet, aber wohnlicher könnte das Interieur auch mit einer echten Glut kaum wirken. Velourspolster hätte man sich allenfalls statt der dunkelblauen Matratze gewünscht. Die Liste der Sonderausstattungen bei diesem 280 TE ist so reichhaltig, dass man sich beim Vorlesen beinahe wie ein Maybach-Verkäufer im Kundengespräch vorkommt.
 
Die Klimanlage für 3.921,60 Mark ist ebenso dabei wie das mechanische Schiebedach mit dem unvergleichlichen Chromgriff für 1.145,70 Mark, die Sitzheizung zu 706,80 Mark oder die drei Kopfstützen und die geteilte Rückbank für zusammen 923,40 Mark. Nicht zu vergessen die Sicherheitsausstattung mit Airbag im Lenkrad und ABS,was zusammen schon über 5.000 Mark zusätzlich kostete. Über 20 Jahre später gibt es das in einem neuzeitlichen Mercedes-Kombi fast alles serienmäßig. Der 280 TE ist so alt, dass ein Becker-Telefon laut Aufpreisliste 19.880 Mark gekostet hätte. Man vermisst das Telefon natürlich nicht.Auch dann nicht,wenn der moderne Mobilapparat im ebenso modernen Dienstwagen gelassen wurde. Man vermisst überhaupt recht wenig im Mercedes- Benz 280 TE von 1983.

Im Mercedes-Benz 280 TE vermisst man nur wenig
 
Der Sechszylinder braucht für seinen seidenweichen Lauf keine Ausgleichswellen. Die ellenlange, siebenfach gelagerte Kurbelwelle rotiert so gleichförmig wie ein tonnenschwerer Edelplattenspieler. Und die Viergangautomatik war 1983 bereits so perfektioniert, dass sie alle Ruckomatik- Lästereien Lügen straft. Das zwar schwere, aber ausgeklügelte Gepäcksystem mit Dachkoffern und Skiträgern ist immer noch beispielhaft. Und die Klappbank im Fond erweckt den Wunsch, man wäre damals noch klein genug dafür gewesen und die Eltern hätten nicht bloß einen Audi 100 Typ 43 besessen.
 
Das wahre Alter des T offenbart sich in der Lenkung, die etwa so exakt anspricht wie die eines Klepper-Faltboot-Zweiers. Und im Verbrauch, der bei schwerem Gasfuß beängstigend werden kann. Die auto motor und sport-Kollegen von 1978 jagten im Testmittel 18,2 Liter Super durch die K-Jetronic. Wobei man getrost unterstellen darf, dass sie öfter der Versuchung erlagen, den 1.660 Kilogramm schweren T auf die maximal erreichbaren 200 km/h zu beschleunigen.
 
Heute ist man mit 13 bis 15 Litern flott unterwegs. Auf der linken Spur sind die überlebenden 280 TE vermutlich seltener anzutreffen als 1978. Viele befinden sich inzwischen in den fürsorglichen Händen der Generation T-Modell, die sie als stilvollen Alltagskombi nutzen oder als Sammlerstücke weggesperrt haben. Vorausgesetzt, sie konnten ein Exemplar ergattern, das weder als Verbrauchsauto der 80er verschlissen noch als Exportgut verschifft wurde.
 
2002 gab es immerhin noch über 100.000 T-Modelle in Deutschland. Mehr werden es nicht. Es sei denn,der Autor unterliegt der Versuchung und holt einen jener 300 Turbodiesel, die womöglich in Florida oder Arizona in erster Rentnerhand überlebt haben, heim an den Neckar.

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Klar, hab ich schon.
Klingt verführerisch, ich bin am nächsten Wochenende auf den Kiesplätzen unterwegs.
Quatsch, wer will den so was?
Wenn das richtige Angebot da ist, auf jeden Fall.
Nein, ich kaufe einen 300 SL.
Technische Daten
Mercedes 280 TE
Außenmaße4725 x 1786 x 1470 mm