Ferrari 512 Testarossa und Lamborghini Countach
Quartetthelden der 80er

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Lamborghini Countach 5000 S und Ferrari 512 TR – sie zählen zu den schnellsten und aufregendsten Sportwagen, die für Geld zu kaufen waren. Zwei heiße Rote in voller Fahrt. Motor Klassik hat die beiden mal etwas näher betrachtet.

Ferrari 512 TR, Lamborghini Countach 5000 S (LP 500S)
Foto: Hardy Mutschler

Vrooooooooaaam. Zwei flache, knallrote Sportwagen jagen vorbei, gleichauf, dicht beieinander. Ein Lamborghini Countach 5000 S hat sich mit einem Ferrari 512 Testarossa angelegt. Das markerschütternde Brüllen ihrer Zwölfzylindermotoren lässt die Tannen am Rande der Straße erzittern, und der Beobachter fühlt sich plötzlich wie bei den 24 Stunden von Le Mans. Doch halt, heute werden keine Pokale verteilt. Die zwei italienischen Superautos sind nicht zum Kräftemessen angetreten, sondern zum Fototermin.

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Lamborghini-Design sorgt für Aufsehen

Beide verkörpern auf ihre Weise ein einzigartiges, geradezu revolutionäres Design. Aber wer will es den Fahrern von Lamborghini Countach 5000 S und Ferrari 512 Testarossa verdenken, dass ihnen angesichts der einladenden Geraden auf dem Flugplatz bei Meinerzhagen mal kurz der Gasfuß durchgeht. Ließe man die beiden Autos tatsächlich gegeneinander antreten, wäre das ein Generationsvergleich. Wobei der Opa unter den Kontrahenten mit dem wildesten Outfit aufwartet.

Das Urmodell des Lamborghini Countach sorgte bereits 1971 auf dem Genfer Automobilsalon für Furore. Nicht etwa, weil halbnackte Mädels auf ihm herumturnten. Nein, seine glattflächige, keilförmige Form war so aufregend und für einen Straßensportwagen so gewagt, dass viele bei seinem Anblick reagierten, als würden sie ein Ufo sehen.

Sein Name ist also Programm, denn Lamborghini Countach heißt im Piemont so viel wie whow, boah oder geil – oder alles zusammen. Auf jeden Fall hatte Bertones Stardesigner Marcello Gandini sein Ziel erreicht. "Ich wollte dem Lamborghini Countach ein Maximum an Ausdruck durch seine Architektur und seine Form", sagt er. Tatsächlich verkörperte damals kein anderer Sportwagen den Begriff Geschwindigkeit eindrucksvoller als der Lamborghini Countach. Und als er drei Jahre später endlich in Serie ging, riss die Begeisterung nicht ab. Er wurde bestaunt, bewundert und begehrt, daran hatten auch die unter Ingegnere Paolo Stanzani durchgeführten, notwendigen Änderungen auf dem Weg zur Serienreife nichts geändert. Im Gegenteil, die stilistischen Korrekturen wie etwa die hinter den Seitenfenstern aufgesetzten Schächte mit Lufteinlässen oder die NACA-Luftschlitze in den Flanken unterstrichen nachhaltig den Charakter dieses Wagens, den damalige Tester als wilde Bestie bezeichneten.

Guter Anpressdruck war die Maßgabe beim Design des Ferrari

Nicht ganz so spektakulär, aber ähnlich radikal und einzigartig fiel das Pininfarina-Design des 1984 präsentierten Ferrari Testarossa aus. Doch der Bertone-Konkurrent musste sich an gewissen Vorgaben orientieren, genauer gesagt an einem technischen Konzept, das sich eng an die Entwicklung im Rennwagenbau anlehnte – einem Metier, das Ferrari im Gegensatz zu Lamborghini aus dem Effeff beherrscht. Angeregt durch den Ground-Effekt bei den Wing Cars in der Formel 1 Ende der 70er Jahre lautete für das Design-Team um Leonardo Fioravanti das Ziel: "Ein guter Anpressdruck bei hoher Geschwindigkeit, der die Fahrstabilität verbessert." Der cW-Wert, der mit 0,36 gar nicht mal so übel ausfiel, spielte nur die zweite Geige.

Pininfarina-Windkanal trug zur Ferrari Testarossa-Gestaltung bei

Besonders hilfreich bei der Gestaltung der auf Abtrieb getrimmten Ferrari Testarossa Karosserie des war dabei natürlich der Pininfarina-eigene Windkanal. Äußerst markant gerieten die wie eine Kriegsbemalung wirkenden, entlang der Flanken verlaufenden Rippen. Durch diese streicht der Fahrtwind, und ein Flügelprofil in Höhe der B-Säule des Ferrari 51 Testarossa lenkt ihn direkt zu den Kühlern links und rechts des Mittelmotors. Auch beim Nachfolger Ferrari Testarossa 512 ist das so, der im November 1991 erstmals ausgewählten Pressevertretern vorgestellt wurde.

Im direkten Vergleich von Lamborghini Countach 5000 S und Ferrari 512 Testarossa fallen zunächst die geänderte Front mit der Bugschürze in Wagenfarbe und eine kleine Spoilerlippe darunter auf, dann die 18- Zoll-Felgen und die neu gestaltete Heckklappe. Doch angeblich soll der Ferrari Testarossa 512 im Vergleich zum Vorgänger zu 80 Prozent aus neuen Teilen bestehen. Das Vollblut hat also ein intensives Aufbautraining hinter sich.

Ausritt mit dem Ferrari Testarossa

Starten wir zu einem Ausritt. Der Türöffner des Ferrari 512 Testarossa verbirgt sich in den seitlichen Rippen. Nachdem der Einstieg in das 1,13 Meter flache Gefährt bewältigt ist, landet man in der Obhut der geriffelten, mit Connollyleder bezogenen Schalensitze. Für ein Mittelmotorauto wirkt das Passagierabteil recht geräumig und hell. Vorwitzig fällt ein Sonnenstrahl durch das Rückfenster, dessen gebogenes Glas an den Dino erinnert. Auf der Lenkradnabe und den Veglia-Instrumenten mit den signalorangefarbenen Ziffern prangt das Cavallino rampante. Als ob man vergessen könnte, in einem Ferrari zu sitzen.

Damals schrieb man Testa Rossa noch in zwei Worten

Doch die wahre Faszination des Ferrari 512 Testarossa offenbart sich erst, wenn die 25,6 Kilogramm schwere, siebenfach gelagerte Kurbelwelle des herrlichen Zwölfzylinders zu rotieren beginnt. Der flache 180-Grad-V-Motor, der samt Getriebe den wuchtigen Heckbereich für sich beansprucht, ist ein Kunstwerk mit vier obenliegenden Nockenwellen, 48 Ventilen und rot gefärbten Zylinderkopfdeckeln. Ferrari-Fans wissen: Testa Rossa, also roter Kopf, so hießen schon erfolgreiche Ferrari-Rennsportwagen der 50er Jahre mit Zweiliter-Vierzylinder- und Dreiliter- Zwölfzylinder-Maschine. Damals schrieb man Testa Rossa noch in zwei Worten. Ob sich der 512 TR seiner ruhmreichen Ahnen bewusst ist?

Leistungsschub des Ferrari 512 Testarossa ist enorm

Auf jeden Fall springt der Motor des Ferrari 512 Testarossa sofort an, aber beim Tritt aufs Gaspedal passiert erst mal nichts. Kein Wunder, denn es war die Bremse. Die Pedalerie sitzt wegen des Radhauses so ungewohnt weit rechts, dass man sich erst einmal orientieren muss. Aber dann. Wie schön, dass bei diesem Exemplar eine Sportauspuffanlage puren, berauschenden Formel 1-Sound liefert. Die Kupplung fordert mittelmäßige Beinkräfte. Erster Gang links hinten und los.

Erstaunlich, wie leichtfüßig der nicht gerade zierliche Ferrari 512 Testarossa in Fahrt wirkt, und mit welcher Wucht er bei durchgetretenem Gaspedal dem Horizont entgegenstürmt. Jedes Zucken des rechten Fußes beantwortet das 428 PS starke Triebwerk mit sequenzieller Bosch-Einspritzung spontan mit Leistungsschub. Und von den gewaltigen 491 Nm bei 5.500/min bleibt auch bei niedriger Drehzahl so viel Dampf, dass man selbst im fünften Gang beim Beschleunigen selten zurückschalten muss.

Es sei denn, es soll fix gehen. Dann heißt es, den Schaltstock energisch durch die offene Kulisse zu jagen, deren innere Ränder für extra schnelle Gangwechsel hartverchromt sind. Wenn nötig, zischt der Ferrari 512 Testarossa in 16,5 Sekunden auf 200 km/h und knackt sogar die 300-km/h-Marke. Die Begeisterung über Eigenschaften wie die Geräuschkulisse und die gepflegte Kraftentfaltung – gepaart mit einer für die damalige Zeit vorbildlichen Lenkpräzision, Kurvenstabilität und Spontanität des Handlings – gipfelt schlicht in zwei Worten: Ferrari fahren. Dazu gehört aber auch, dass schnelles Fahren in Arbeit ausartet. Im Prinzip gilt: Alle Fahrmanöver, die einen großen Lenkeinschlag erfordern, bringen den Ferrari Testarossa-Fahrer ins Schwitzen.

Lamborghini Countach ist im wahrsten Sinne des Wortes heiß

Das gilt noch mehr für den Lamborghini Countach 5000 S. Erst muss man aber in die mit 1,07 Meter unerhört niedrige Flunder hineinkommen. Die Tür schwingt spektakulär nach oben und gibt eine Öffnung frei, bei deren Anblick die Frage entsteht: Soll man da mit den Füßen zuerst rein oder auf allen Vieren? Die Version "Mit dem rechten Fuß voran" ist die bessere. Über den breiten Lamborghini Countach-Schweller rutscht man in die tiefe Sitzschale und schmiegt sich mit der rechten Körperhälfte sozusagen ans Getriebe. Stanzani hatte die Idee, das Leichtmetall- Monument aus zwölf Zylindern längs in Wagenmitte und das Getriebe davor zu setzen.

Das verbessert zwar die Achslastverteilung, andererseits muss die Kraft über eine durch die Ölwanne laufende Welle zum Differenzial geleitet werden. Dieser technische Kniff beeindruckt den Lamborghini Countach 5000 S-Fahrer aber weniger als die hohen Temperaturen, die sich im Innenraum bei Sonneneinstrahlung wegen der großen Frontscheibe einstellen – verstärkt durch die sich aufheizende Technik. Doch es ist kein armes Würstchen, das hier in seinem Fliegestuhl gegrillt wird. Schließlich darf man sich wie in einem Rennwagen fühlen.

5,2 Sekunden von null auf 100 km/h mit dem Lamborghini Countach

Da werden auch gern die schlechte Sicht nach schräg hinten oder die am besten mit Ballettschuhen zu bedienenden, eng beieinanderstehenden Pedale, die in einem dunklen Schacht hausen, akzeptiert. Und wie aufregend ist das Fahren mit einem Lamborghini Countach 5000 S? Kurz gesagt, wer die Bestie reizt, kommt locker auf einen Puls von 180 – eine Zahl, die sich im dritten Gang auch auf dem Tacho ablesen lässt. Doch dazu muss das Tier zum Leben erweckt werden. Nach ein paar gemächlichen Umdrehungen der Kurbelwelle kommt das im Lamborghini Countach 5000 S mit einem Hubraum von 4.754 cm3 aufwartende Kraftpaket im Rücken des Fahrers zur Sache.

Die Lamborghini Countach-Maschine, die ein volles und dunkles Grollen von sich gibt, stellt mit ihren sechs Weber-Doppelvergasern ein Freudenfest für Fans der klassischen Gemischaufbereitung dar. Mit 375 PS ist sie deutlich schwächer als das Ferrari Testarossa-Triebwerk, aber dank 280 Kilo weniger Gewicht hechtet der Lamborghini Countach sogar einen Hauch schneller als der Ferrari Testarossa auf 100 km/h – in genau 5,2 Sekunden. Beschleunigungsorgien verlangen wegen des langen Gaspedalwegs fast schon ein Teleskopbein. Doch die kleine Verrenkung lohnt sich, schafft bleibende Erinnerungen.

Die Höchstgeschwindigkeit des Lamborghini Countach beträgt 293 km/h

Unter gewaltigem Gebrüll schießt das Monster los, scheint die Straße gierig in sich hineinzufressen. Es bemüht sich nicht, Unebenheiten für die Passagiere erträglich zu machen, und je schneller es vorangetrieben wird, desto energischer will es gebändigt werden. Im Bereich der respektablen Höchstgeschwindigkeit von 293 km/h wird Auftrieb zum Thema und sorgt schon mal für Blässe im Gesicht des Lamborghini Countach 5000 S-Fahrers.

Der monströse Lamborghini Countach-Heckflügel soll die Lage entschärfen. Ihn gab es als Extra – in den 80er Jahren nannten die Amis ihn Hyundai Wing, weil er mit 5.000 Dollar so viel kostete wie der Hyundai Excel. Eine andere Art, schweißtreibenden Nervenkitzel zu erleben, ist das Ausloten möglicher Kurventempi. Die breiten Niederquerschnittsreifen des Lamborghini Countach 5000 S lassen magenverstimmende Querbeschleunigungen zu. Das geht übrigens auch mit dem Ferrari 512 Testarossa. Zwei Design-Meilensteine, zwei Superautos aus verschiedenen Jahrzehnten. Aber eines haben sie gemeinsam: Vrooooaam.

Technische Daten
Ferrari 512 TR 4.9 V12 Lamborghini Countach 5000 S (LP 500 S)
Außenmaße4480 x 1976 x 1135 mm4140 x 2000 x 1070 mm
Hubraum / Motor4943 cm³ / 12-Zylinder4754 cm³ / 12-Zylinder
Leistung315 kW / 428 PS bei 6750 U/min
Höchstgeschwindigkeit309 km/h293 km/h