Ford Escort und Opel Kadett Cabrio
Einsteiger-Cabrios für Youngtimer-Fans

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Ob Strand, Eisdiele oder Tennisplatz: Offene Kompakte mit den Kürzeln Ford Escort XR3i und Opel Kadett GSi zogen in den 80ern viele Blicke auf sich. Heute fristen sie, trotz Preisen ab unter 1.000 Euro, ein Schattendasein – zu Unrecht.

Ford Escort 1.6 XR3i Cabriolet, Opel Kadett E 2.0 GSi Cabriolet, Frontansicht
Foto: Karl-Heinz Augustin

Die Sonne scheint, der Himmel strahlt in sattem Blau, das Thermometer zeigt sommerliche 25 Grad – mit einem Cabrio samt Badesachen und Picknickkorb zum Strandbad aufzubrechen, davon träumten in den 1980er-Jahren viele Autofans. Doch wirklich günstige Einsteigercabrios parkten selten in den Verkaufsräumen.

Das änderte sich erst, als einige Hersteller sich trauten, ihren Kompaktmodellen ein Softtop aufzusetzen. Die offenen Versionen von Ford Escort und Opel Kadett E kosteten zwar über 5.000 Mark mehr als ihre geschlossenen Brüder, doch für viele Cabrio- Fans waren sie deutlich erschwinglicher als höherklassige Freiluftmodelle. Wer dabei nicht nur cruisen, sondern sich sportlich-ambitioniert zur nächsten Eisdiele bewegen wollte, orderte den Kadett als GSi mit 115 PS starkem Zweiliter-Motor. Ford-Enthusiasten bestellten den Escort als XR3i mit immerhin 102 PS. Dank schicker Alufelgen, lackierter Kotflügel und Sportfahrwerk war den Fahrern beider Modelle die Aufmerksamkeit vor dem Straßencafé gewiss.

Gute Einsteiger-Cabrios

Heute sieht das oftmals anders aus: Die beiden Sportcabrios Ford Escort XR3i und Opel Kadett E GSi sind im Straßenbild selten geworden. Zwar macht sie das robuste Verdeck winterfest, der große Kofferraum erlaubt einen Wochenendeinkauf, und auch die Fahrleistungen der Sportmodelle können sich durchaus sehen lassen. Doch bislang scharen beide Henkelmänner nur eine kleine Fan-Gemeinde um sich.

Eines ist sicher: Am Überrollbügel kann es nicht liegen, dass die offenen Kompakten heute oft unter Wert gehandelt werden. Wie kaum ein anderes Karosseriedetail prägen die massiven Sicherheitsbügel das Erscheinungsbild der kompakten Cabriolets der 80er. Vorreiter war 1979 das VW Golf I Cabriolet, aber auch Ford und Opel vertrauten bei der Konstruktion ihrer offenen Escort und Kadett auf den schwarzen Schutzbügel, der den Innenraum auf Höhe der B-Säule umspannt.

Dank Henkel so sicher wie in der Limousine

Schließlich soll er für die höchstmögliche Sicherheit bei einem Überschlag sorgen. Ein Aufwand, der sich lohnt, wie die Opel-Ingenieure feststellten: Mit zwei der zehn offenen Kadett-Prototypen, die insgesamt rund 600.000 Testkilometer absolvierten, wurden Crashtests durchgeführt. Das Ergebnis: Die Passagiere fahren im Kadett Cabrio ebenso sicher wie in der geschlossenen Limousine. Neben der Unfallsicherheit spielten aber auch Gewicht und Kosten bei der Entwicklung eine Rolle.

Denn der Bügel-Kadett wiegt bereits 85 kg mehr als die Limousine, ein Vollcabrio hätte das Gewicht durch zusätzliche Verstrebungen weiter erhöht. Zudem wäre ein solches Modell durch eine aufwendigere Konstruktion 1.000 Mark teurer geworden.

Auch das Escort Cabrio kommt von Karmann

Auch der offene Ford Escort bringt rund 50 Kilo mehr auf die Waage als die geschlossenen Varianten. Im Vergleich zu ihnen wurde die Cabrio-Karosserie aufwendig überarbeitet und mit Verstärkungen und Versteifungen optimiert. Die Ingenieure veränderten dabei etwa 80 Prozent der Blechteile, viele wurden sogar völlig neu konstruiert. 1981 entwickelte Patrick le Quément, Leiter der Kölner Design-Abteilung und selbst großer Cabrio-Liebhaber, binnen weniger Monate eine offene Studie des Escort – allerdings ohne Wissen des Vorstands.

Nachdem die Designer ihren Chefs den fertigen Prototypen präsentierten, entschieden sich die Vorstände erst wenige Tage vor der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) 1981 in Frankfurt dazu, das Modell dort der Öffentlichkeit zu zeigen. Beim Publikum kam das neue Modell gut an, sodass Ford im Frühjahr 1982 verkündete, das Escort Cabriolet in Serie zu produzieren. Die ersten Exemplare rollten dann im September 1983 in Osnabrück vom Band, wo der Escort beim Cabrio-Spezialisten Karmann montiert wurde.

Ford Escort Cabrio mit 1986er-Facelift

Erst kurz bevor die Freiluft-Variante der dritten Ford Escort-Generation 1986 ein Facelift erhielt, stellte Opel auf der IAA 1985 das Serienmodell des Kadett Cabrios vor. Nach der Präsentation dauerte es noch rund eineinhalb Jahre, bis die ersten Kunden den Opel im Frühjahr 1987 in Empfang nehmen konnten. Nuccio Bertone verpasste dem Kadett den letzten Design- Feinschliff. In Grugliasco bei Turin fertigte sein Team auch das fünflagige Stoffverdeck, den .berrollbügel und sämtliche Verstärkungen der Karosserie. Dabei schafften es die Entwickler, dass das Cabriolet der Limousine in Sachen Aerodynamik in nichts nachstand. Der geschlossene Kadett GSi galt mit einem cw-Wert von 0,30 damals als die windschlüpfigste Limousine der Welt. Auch das Cabrio schafft mit geschlossenem Dach einen respektablen Wert von 0,34. Offen steigt er auf 0,38, ein cw-Wert, den der Escort in geschlossenem Zustand erreicht.

Die beiden Kompakt-Cabrios bieten nicht nur dem Wind wenig Angriffsfläche, sie wirken auch optisch sehr gefällig. Besonders als Sportmodelle Kadett GSi und Escort XR3i machen sie einiges her. Der gefahrene Ford Escort 1.6 XR3i von Händler Andreas Flath aus Egelsbach bei Frankfurt kann sein Geburtsjahrzehnt nicht wirklich verleugnen: Er steht auf filigranen 14-Zoll- Alufelgen, der Lack strahlt in Diamantweiß, das Verdeck trägt ebenfalls weißen Stoff. Ziemlich 80er irgendwie, die Gedanken schweifen ab zu Miami Vice und ja, auch zu Boris Becker.

Ford widmet Boris Becker ein Sondermodell

Der gewann 1985 und 1986 das Tennisturnier von Wimbledon. Grund genug für Ford, ihm ein Sondermodell zu widmen, „BB“ für Boris Becker – natürlich in Weiß wie sein Tennis-Outfit. Auch wenn der Test-Escort ohne die beiden Buchstaben des Sondermodells am Heck auskommen muss, gefällt er mit seiner flachen, nahezu gerade verlaufenden Gürtellinie. Durch sie wirkt die Karosserie schlicht und gestreckt.

Das Schnellfaltverdeck legt sich flach und kompakt in der Verdeckwanne zusammen. Unter der Persenning fällt es kaum auf, hebt sich nur rund 20 Zentimeter von der Karosserie ab. Front- und Heckpartie identifizieren das Cabrio eindeutig als Escort-Abkömmling, sie unterscheiden sich von der Limousine nur wenig.

Dass es sich beim weißen Ford Escort Cabrio um ein Sportmodell handelt, merkt der Fahrer spätestens im Innenraum. Dort empfangen ihn blau-grau gemusterte Recaro-Sportsitze mit grauen Ledersitzwangen. Hat man einmal Platz genommen, signalisieren sie auch eher schmalen Schultern: „Ich halte dich in engen Kurven sicher im Sitz.“

Ford Escort Cabrio mit serienmäßigem ABS

Bis auf leichte Patina an den Wangen sieht man dem Interieur nicht an, dass seit Erstzulassung im Juni 1990 bereits neun Besitzer am Lenkrad gekurbelt haben. Eine mitunter anstrengende Tätigkeit, denn eine Servolenkung war nicht lieferbar. Dafür stattete Ford den Escort immerhin mit ABS aus. Im Cockpit sitzt alles am rechten Platz, die Bedienung ist Ford-typisch einfach. Nur die Blinker- und Scheibenwischerschalter sehen nicht aus wie übliche Hebel, sondern ähneln eher den kleinen Joysticks einer Spielekonsole – Zeitgeist der 80er eben.

Kadett GSi mit LCD-Tacho

Noch einen Schritt weiter ins Computerzeitalter ging Opel mit dem Cockpit des Kadett GSi: Statt klassischer Rundinstrumente bauten die Rüsselsheimer einen modernen Digitaltacho in ihr Topmodell. Gelbe Zahlen auf der zentralen LCD-Anzeige zeigen die Geschwindigkeit an. Digitale Diagramme informieren direkt daneben über Tankinhalt und Öltemperatur. Je nach Lichteinfall – gerade bei offenem Dach – sind sie aber nicht wirklich gut ablesbar. Im Opel sitzt man bequem auf straffen Sportsitzen, bei offenem Dach schirmt die hohe Taille den Wind effizient ab, im Ford Escort geht es stürmischer zu.

Das weinrote Opel Kadett Cabrio von Besitzer René Jacob zeigt etwas offensiver, dass es sich bei dem im Dezember 1988 zugelassenen Cabrio um das GSi-Modell handelt. Zwischen vorderem Radhaus und Tür prangt das GSi-Logo, ein weiteres ziert den Kühlergrill unter dem Opel-Blitz – normalerweise. Dieser Schriftzug wurde beim Test-Kadett jedoch vom Vorbesitzer entfernt, der den offenen Opel mit Sportfahrwerk, Domstrebe und dickem Endtopf etwas aggressiver machen wollte, als es die Serienversion vorsah.

Spritziger Zweiliter im Opel Escort

Eine Optimierung, die so eigentlich gar nicht notwendig ist. Denn das Opel Kadett Cabrio überzeugt mit seinem spritzigen Zweiliter-Motor als Sportler. Mit geregeltem Kat versehen, entwickelt er 115 PS und stürmt in etwas mehr als zehn Sekunden auf Tempo 100. Erst bei 195 Stundenkilometern endet der Vortrieb. Doch das möchte eigentlich kein Cabrio-Liebhaber ausprobieren, allein der Windgeräusche wegen.

Der GSi-Motor reagiert feinfühlig auf Gasstöße und dreht auch aus niedrigen Drehzahlen willig hoch. Bei Landstraßentempo mit wenig Umdrehungen im fünften Gang cruisen? Kein Problem. Das Fahrwerk des Opel Kadett Cabrio ist im Serienzustand eher komfortabel und nicht zu hart abgestimmt, schnelle Kurvenfahrten nimmt der Wagen gutmütig mit leichtem Untersteuern. Die aufwendige Entwicklung des Cabrios zeigt hier ihre Wirkung, Karosserieverwindungen halten sich in Grenzen.

Ford Escort ist das sportlichere Cabrio

Auch das Ford Escort Cabrio ist verwindungssteif, er federt straffer und sportlicher. Der 1,6-Liter-Motor tut sich im Vergleich etwas schwerer. Sein Hubraum-Defizit gleicht er mit höheren Drehzahlen aus, erst ab 3.500 Umdrehungen zieht er mit heiserem Grollen überzeugend an. Darunter gibt sich das Aggregat eher zäh und weniger elastisch als der Opel-Motor. Die Gänge lassen sich ordentlich sortieren.

Trotz sportlichem Antrieb – die wenigsten Fahrer werden bei Ford Escort XR3i Cabrio und Opel Kadett GSi Cabrio regelmäßig die volle Leistung abrufen. Ihre Stärken entfalten Escort und Kadett vielmehr bei entspannten Ausflügen zum Strandbad, zur Eisdiele oder auch auf dem Weg in den Urlaub. Längere Fahrten mit Gepäck sind durchaus möglich: Der Escort zeigt sich im Vergleich als Lademeister, mit 322 Litern schlägt er das Gepäckfach des Opel (290 Liter). Bei beiden Modellen lässt sich der Kofferraum durch Umklappen der Rückbank erweitern. Auf ihr dürfen im Escort sogar drei Personen Platz nehmen. Wirklich bequem sitzen dort allenfalls drei kleine Kinder. Zwei Erwachsene finden genug Raum für ihre Beine – in beiden Cabrios.

Der Kreis der Fans von Escort und Kadett ist überschaubar, obwohl die Cabrios viel Fahrspaß bieten und uneingeschränkt alltagstauglich sind. Die Preise dümpeln selbst für gute, original erhaltene Modelle im Keller. Doch ein solches Exemplar zu finden, erfordert Geduld: Schaut man sich in Online-Börsen um, findet man viele Escort und Kadett unter 1.000 Euro in traurigem Zustand. Auf der anderen Seite der Preisskala reihen sich spannende Tuning-Experimente – bis hin zum Totalumbau. Dazwischen verstecken sich einige scheckheftgepflegte Ersthandfahrzeuge. Günstiger zu viert offen zu fahren, ist kaum möglich. Hinzu kommt, dass die Wartung ebenfalls preiswert ist. Ersatzteilsorgen: bisher Fehlanzeige.

Fazit

Beide Cabrios bieten viel Fahrspaß mit ansprechenden Motorleistungen. Dazu sind sie günstig. Der GSi hat den harmonischeren Antrieb. Müsste ich mich entscheiden, fiele die Wahl auf ihn. Vielleicht liegt es auch daran, dass weiße Autos nicht ganz mein Fall sind.

Technische Daten
Opel Kadett GSI
Außenmaße3998 x 1663 x 1380 mm
Hubraum / Motor1998 cm³ / 4-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit195 km/h