Mercedes 300 SL Roadster (W 198) mit doppelter FIN
Überraschende Wendung im Prozess um zwei 300 SL

Zwei Oldtimer, eine Fahrgestellnummer und die spannende Frage, welcher 300 SL Roadster (W 198), Baujahr 1957, das Original ist, führte zu zwei Verhandlungsterminen vor dem Stuttgarter Landgericht. Im zweiten Termin am Donnerstag (18.1.2024) kam es zu einer überraschenden Einigung mit einem teuren Zugeständnis.

1961er  Mercedes-Benz 300 SL Roadster
Foto: RM auctions

Rückblick: Beide SL-Besitzer sind überzeugt, dass ihr Auto original ist. Gutachten und Zertifikate können beide Besitzer vorweisen, die des jeweils anderen waren allerdings angezweifelt worden. Am 6. Juli 2023 – dem ersten Prozesstag – war die Suche nach einem Vergleich noch gescheitert. Kläger und Beklagter konnten sich damals nicht auf einen Gutachter einigen.

Der Kläger hatte im ersten Termin laut Stuttgarter Zeitung drei Dinge gefordert: Dass die Echtheitsfrage gerichtlich geklärt werde, dass die Gegenpartei nicht weiter behaupte, das Original zu besitzen und 120.000 Euro Schadenersatz.

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Vergleich mit teurem Zugeständnis

Während des zweiten Verhandlungstermins war von Schadenersatz nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: Der Kläger erklärte sich im Verlauf des Verhandlungstermins bereit, die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen. Ein teures Zugeständnis, denn allein die Anwaltsgebühren dürften sich auf einen mittleren fünfstelligen Betrag belaufen. Dazu kommen Gerichtskosten und unter Umständen ein Gutachten.

"Eine rein kaufmännische Entscheidung", kommentierte dessen Anwalt die Entscheidung seines Mandanten. Dem Beklagten riet er: "Sie bekommen die Kosten des Verfahrens und ein kostenloses Gutachten. Mehr können wir Ihnen nicht bieten."

Ein Gutachter soll beide 300 SL untersuchen

Nach einer Beratungspause verkündete der Anwalt des Beklagten: "Wir können dem Vergleich zustimmen." Beide Fahrzeuge sollen so bald wie möglich einem Gutachter vorgeführt werden. Der soll feststellen, welcher der beiden Roadster das Original und welcher die Fälschung ist. Der Besitzer der Fälschung bezahlt das Gutachten, so die im Vergleich getroffene Vereinbarung. Gibt es kein eindeutiges Ergebnis, bezahlt jede Partei die Hälfte der Gutachterkosten.

Bei dem Streit geht es um Millionen-Summen. Mit nachvollziehbarer und originaler Historie ist ein 300 SL Roadster gern 1,6 Millionen Euro wert. Eine Fälschung würde den Wert des Autos auf etwa 300.000 Euro mindern.

Vergleichbare Prozesse gab es in der Oldtimer-Geschichte bisher nicht. Doch doppelte Fahrgestellnummern von im Preis explodierten Sammlerstücken tauchen immer häufiger auf.

Durch den Vergleich vermeiden beide Parteien ein langes Verfahren, das Jahre hätte dauern können und juristisch spannend geworden wäre. Die Stuttgarter Zeitung schrieb nach dem ersten Verhandlungstag: "Die juristischen Fragen, die verhandelt werden, sind nach Ansicht von Richter Ingo Fabian so wenig erschlossen, dass ein Gang durch die Instanzen bis hinauf zum Bundesgerichtshof (BGH) vorgezeichnet erscheint."

Restaurator Kienle an beiden Autos beteiligt

Der Prozess ist allerdings noch aus anderen Gründen interessant. Zum einen, weil der silberne, einst aus Thailand importierte 300 SL Roadster dem Ex-Mercedes-Manager und Ex-Präsident des 300-SL-Clubs Erich Bertagnolli (84) gehört. Zum anderen, weil genau dieser SL 1999 bei Klaus Kienle restauriert wurde, der sich als weltweit bekannter Flügeltürer-Restaurator in einem anderen Fall den Vorwürfen der Fälschung stellen muss.

Noch kurioser: Auch den roten 300 SL Roadster hatte Kienle in den Händen. Den kaufte Udo Wünderlich (53) erst 2018 in Monaco und schickte ihn anschließend zum Spezialisten nach Heimerdingen bei Stuttgart. Erst als er den roten SL dann 2019 in seinem Landkreis Lübbecke zulassen will, fällt die doppelte Fahrgestellnummer auf.

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Anmerkung der Redaktion: Bei dem Aufmacher-Bild handelt es sich nicht um die beiden im Artikel genannten Fahrzeuge.

Fazit

Überraschung im Prozess um zwei Mercedes 300 SL Roadster von 1957 am Landgericht Stuttgart: Statt Schadenersatz zu fordern, bietet der Kläger an, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ein Vergleich, der den Weg frei macht zu einem gemeinsamen Gutachten – bei einem Sachverständigen, der der Beklagte vorgeschlagen hat.

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