Erst Fiat, dann VW - die Geschichte von Seat
Zeitraffer-Video zeigt wichtigste Modelle

Seat hat im vergangenen Jahr sein 70. Jubiläum gefeiert und vor kurzem ein Video veröffentlicht, das seine wichtigsten Modelle im Zeitraffer abspult. Anlass genug für einen Blick zurück auf die Anfänge der Marke. Vom Fiat-Lizenznehmer zum Hersteller im VW-Konzern: So mauserte sich Seat.

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Foto: Seat

Es ist der 13. November 1953. In Barcelonas Industriepark Zona Franca passiert eine 4,30 Meter lange Stufenheck-Limousine mit rundlicher Ponton-Karosserie die Tore des neu errichteten Seat-Produktionswerks. 1400 heißt der Wagen, unter seiner Haube steckt ein 1,4-Liter-Benzinmotor, der 44 PS leistet. Es handelt sich um das erste Auto der spanischen Marke überhaupt. Dabei ist der Modell-Debütant gar kein Spanier, sondern Italiener. Aber der Reihe nach.

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Den Grundstein setzt das Instituto Nacional de Industria (Nationales Industrieinstitut) bereits drei Jahre zuvor am 9. Mai 1950 mit der Gründung der Sociedad Española de Automóviles de Turismo, S.A. – oder kurz: Seat. Wer in Spanien zu diesem Zeitpunkt die finanziellen Mittel für ein Auto hat, gehört einer kleinen Obrigkeit an. Für die Mittelschicht sind sowohl Importkosten als auch Zölle der Fahrzeuge aus Europa zu teuer, die Einfuhrbedingungen zu kompliziert.

An die Entwicklungen in Rest-Europa anknüpfen und Spanien ebenfalls zur Auto-Nation machen – so lautet deshalb das damalige Vorhaben der Franco-Regierung. Zielsetzung: mehr Mobilität auf der Iberischen Halbinsel schaffen.

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Seat
Am 13. November 1953 montiert Seat in Barcelonas Zona Franca (Freihandelszone) den ersten Seat 1400. Produktionskapazität: nur fünf Fahrzeuge pro Tag.

Um Fuß zu fassen, schließt Seat von Beginn an Lizenzverträge mit dem italienischen Hersteller Fiat. Für sein erstes Modell erhält der Branchen-Neuling den Fiat 1400 als CKD-Bausatz (Completely Knocked Down). Das heißt: Die Italiener schicken die Einzelkomponenten des Fiat 1400 nach Spanien, Seat baut den Wagen zusammen und vermarktet ihn als eigenes Modell. So umgeht man zwar hohe Importkosten – allerdings mit dem Nachteil, dass das Prozedere an der Produktions-Kapazität nagt. Außerdem beschäftigt Seat bis dahin nur 925 Mitarbeiter. Folglich rollen anfangs gerade mal fünf Exemplare des 1400er pro Tag vom Band. Doch Seat wächst kontinuierlich, legt in den kommenden Jahren die Modell-Varianten 1400 A (1955), B (1957) und C (1960) nach.

Seat 600 – der spanische VW Käfer

Richtig durch die Decke geht im Jahr 1957 aber ein anderes Modell: Der Seat 600, der technisch und optisch dem Fiat 600 entspricht. Zu jeder Zeit einfach überall hinkommen – für etliche Spanier ist das fortan möglich. Denn durch den erschwinglichen 21,5 PS starken Kleinwagen mit Vierzylinder-Motor (später 28,5 PS) können sich viele erstmals ihr eigenes Auto leisten. Der Fiat 600 wird zum Freiheitssymbol schlechthin. Ein spanischer VW Käfer, wenn man so will, hatte dieser in Deutschland doch eine ähnliche Bedeutung. Mobilitätssteigerung auf der Iberischen Halbinsel? Ziel erreicht!

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Seat
Der Seat 600 stellt das Pendant zum Fiat 600 dar und gilt in Spanien ab der späten fünfziger Jahre als Symbol für Freiheit und Mobilität.

Als Seat seinen Verwaltungssitz 1964 von Barcelona in die Hauptstadt Madrid verlegt, beschäftigt das Unternehmen mehr als 10.000 Mitarbeiter. Ein Lizenzmodell folgt dem anderen, allesamt tragen das Fiat-Gen in sich.

Und plötzlich: Leidenschaft!

1966 bringt Seat mit dem 850 Sport Spider eines seiner auffälligsten Modelle auf den Markt und mit ihm ein bisschen mehr Leidenschaft ins größtenteils emotionslose Geschäft der Massenmotorisierung. Eine schicke Flunder als Zweisitzer mit mechanischem Stoffverdeck – so etwas hat man von Seat bis dahin nicht erwartet. Das Sportcabrio wiegt nur zierliche 730 Kilo, die sein 0,9-Liter-Vierzylinder-Motor mit 52 PS locker die Promenaden entlang scheucht – nicht nur in Spanien, sondern ebenso in Italien. Denn auch der 850 Sport Spider rollt usprünglich vom Stiefel auf die Iberische Halbinsel.

1966-1974 Seat 850 Sport Spider
Seat
Ein schnieker Zweisitzer mit Stoffverdeck – so etwas hat man von Seat bis dahin nicht erwartet. Der 850 Sport Spider (1966) trägt allerdings auch das Fiat-Gen in sich.

La Bocanegra – der erste echte Seat

Im Jahr 1975 präsentiert der spanische Autobauer das Seat 1200 Sport Coupé. Große Aufmerksamkeit erlangt der Wagen nicht nur durch seine schwarz eingefärbte Frontpartie – sie bringt ihm den Spitzname Bocanegra (schwarzer Mund) ein – sondern vor allem auch aufgrund der Tatsache, dass es sich um Seats erste Eigenkreation handelt. Der 1,2-Liter-Motor stammt zwar weiterhin aus dem Fiat-Regal, Seat bürstet das Aggregat jedoch mit einem Doppelvergaser von 60 auf 67 PS, die das 800 Kilo-Auto stramm bergan ziehen.

Motor Klassik 10/2015 Heftinhalt
Motor Klassik
Im Jahr 1975 präsentiert der spanische Autobauer das Seat 1200 Sport Coupé. Es ist die erste Seat-Eigenkreation überhaupt.

Ebenfalls den Ibiza (1984) entwickelt Seat eigenständig. Das Design zeichnet Giorgetto Giugiaro, aus dessen Feder unter anderem auch Erfolgsmodelle wie der Fiat Uno oder der VW Golf entspringen. Von Fiat beziehen die Spanier nur das Fahrwerk und die 0,9-Liter-Motor-Variante. An der Entwicklung der Aggregate ab 1,2 Litern Hubraum wirkt Porsche mit.

Italdesign
Der Seat Ibiza (1984) ist das zweite eigenständige Modell der spanischen Marke.

Vom Fiat-Lizenznehmer zum VW-Partner

Auch wenn das Lizenzabkommen noch weitere Fiat-Zwillinge wie zum Beispiel den beliebten Fiat-Panda-Abkömmling Seat Marbella (1986) gebärt, das Verhältnis zwischen Seat und dem italienischen Konzern ist längst weniger gut. Denn bereits seit einiger Zeit lautet die Devise der Spanier "Restrukturierung und Kapitalerhöhung" – ein Projekt, an dem sich Fiat nicht beteiligen will.

Die Folge: Seat flirtet zunehmend mit dem Volkswagen-Konzern. Schon am 30. September 1982 haben sich die Spanier durch ein Produktions- und Wirtschaftsabkommen an den deutschen Automobil-Riesen geklammert. Vier Jahre später übernimmt VW vollends die Seat-Aktienmehrheit und läutet endgültig die neue Ära ein – eine erfolgreiche, wie wir heute wissen.

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Seat
Im Jahr 1993 verlegt Seat die Produktion nach Martorell in ein neues, größeres und moderneres Werk. Investitionskosten: 244,5 Milliarden Peseten, also gut 1,47 Milliarden Euro.

So wird die Verlegung der Seat-Produktion nach Martorell in ein neues, größeres und moderneres Werk im Jahr 1993 möglich. Investitionskosten: 244,5 Milliarden Peseten, umgerechnet gut 1,47 Milliarden Euro. Als dort die zweite Generation des Ibiza anläuft, schafft Seat eine Produktionsrate von rund 1500 Fahrzeugen pro Tag – 1495 Autos mehr als bei den ersten Gehversuchen im Jahr 1953.

Inklusive aller Versionen und Generationen sind bei Seat bis zum 70. Jubiläum 75 verschiedene Modelle vom Band gerollt. Seit der Gründung im Jahr 1950 hat der spanische Autobauer insgesamt rund 19,14 Millionen Fahrzeuge produziert, darunter nicht nur Fiat-Zwillinge: Auch die Verwandschaft zu einzelnen Schwester-Modellen des VW-Konzerns lässt sich optisch nicht leugnen. Das Ratespiel, wer zu wem gehört, überlassen wir Euch in Seats-Morphing-Video einfach selbst.

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... für Seat ein wenig unvorteilhaft, zumal die Modelle vermuten lassen: Ohne Fiat und VW wäre bei Seat seinerzeit nicht viel los gewesen.... total charmant. Fiat war und VW ist nunmal Seats Mutterkonzern. Das ist ja kein Geheimnis.

Fazit

Der spanische Autobauer blickt auf eine spannende Marken- und Modell-Historie zurück, die gerade durch das Zeitraffervideo nochmals ein Gesicht bekommt. Die Verwechslungsgefahr, die zwischen den Seat-Modellen und ihren Pendants besteht, spiegelt die Geschichte wieder.

Die Fiat-Lizenzmodelle sind heute zumindest Alternativen zu Original-Fiat-Oldtimern – speziell der knuffige 600er könnte manchem 50er-Jahre-Fan gefallen.