Simca 1301 Special im Fahrbericht
Ein Franzose, den man etwas quälen muss

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Frankreichs Antwort auf die kompakten Sportlimousinen von Alfa Romeo, BMW und Fiat waren der Simca 1501 und 1301 Spécial. Sie glänzten mit ihrem Design und der feinen Ausstattung, weniger mit rassigen Motoren.

Simca 1301 Spécial, Baujahr 1972
Foto: Dino Eisele

Anfang der siebziger Jahre kam aus Amerika die Design-Mode nach Europa, den sportlichen Varianten braver  Familienlimousinen einen schwarzen Kühlergrill mit Zusatzscheinwerfern zu verpassen. Besonders Ford und Opel  erweckten mit den Modellen 20 M RS und Commodore GS den Eindruck, deren Fahrer könnten jederzeit bei der Rallye Monte Carlo an den Start gehen. In Frankreich traute sich niemand so etwas - mit einer Ausnahme: Simca mit dem 1301 Spécial und dessen großen Bruder 1501 Spécial.

Unsere Highlights

Amerikanisches Design war Vorbild für den Simca 1301 Special

Beide besitzen ein identisches, sehr rasantes und sportives Kühlergesicht, dessen Vorbild bei keinen Geringeren als Dodge Challenger oder Ford Mustang des Jahrgangs 1971 zu finden ist. Die Ursache liegt auf der Hand: Schuld waren bei Ford, Opel und Simca die amerikanischen Mütter. Als 1970 der 1501 Spécial und zwei Jahre später der optisch identische 1301 Spécial ihre typischen Muscle-Car-Gesichter erhielten, gehörte Simca zu fast 100 Prozent dem US-Autogiganten Chrysler. Der amerikanische Einfluss auf das Design der bereits 1963 vorgestellten Simca-Limousine ist bei den Spécial-Sportmodellen unverkennbar.

Neben dem leicht aggressiven, Rallye-tauglichen Kühlergesicht entdecken wir an unserer roten Sportlimousine noch mehrfach das Markensymbol der US-Mutter: Der Chrysler-Pentastar (Fünfeck-Stern) ziert die Radkappen und etwas dezenter die Wagenflanken hinter dem Vorderrad in Form eines kleinen Chrompickels. Entsprechend groß ist die Vorfreude, als es mit der Probefahrt in der properen, leistungsgesteigerten Sportlimousine losgeht. Die optisch identischen Spécial-Modelle 1501/ 1301 kamen zunächst ohne die rechteckigen Zusatzscheinwerfer und deren Chromumrahmung auf den Markt. Aber schon diese Urversionen von 1969 und 1970 besaßen gegenüber den Basismodellen deutlich leistungsgesteigerte Motoren, die bis zum Produktionsende beibehalten wurden. Die PS-Zahlen lauteten: 1301 mit 54 und 70 PS (Spécial), 1501 mit 70 und 81 PS (Spécial). Damit knackte der Fünfzehnhunderter die magische 100-Meilen-Grenze (161 km/h), während der Dreizehnhunderter auf immerhin 152 km/h kam.

Probefahrt mit dem Simca 1301 Special

Gleichzeitig erhielten alle Modellvarianten ein neu gestaltetes Holzimitat-Instrumentenbrett mit sportlichen, runden Uhren anstelle des bisherigen Breitbandtachos. Der Einstieg ist bequem, ebenso die hohe Sitzposition hinter dem relativ großen, amerikanisch anmutenden Lenkrad mit nur daumendickem Lenkkradkranz. Aus dem mit hellbeigem Teppich verkleideten Mitteltunnel wächst der für heutige Verhältnisse relativ lange Chrom-Schalthebel mit schwarzem Schaltknauf.

Mit leicht gedrücktem Gaspedal startet sofort der Motor, der gut am Gas hängt und mit britischem, MG-artigem Klangbild überrascht. Die Gänge lassen sich auf kurzen Wegen weich und präzise schalten, nur die indirekte Lenkung könnte etwas mehr Biss und Prägnanz zeigen. So fahren wir gut gelaunt durch die Stadt, voller Vertrauen auf die kräftig zupackenden Bremsen. Autofahrer und Fußgänger verfolgen den roten Franzosen mit staunenden Blicken, die zu sagen scheinen: "Mensch, den Wagen kenn‘ ich doch irgendwoher..." Und es macht viel Freude, durch die großen Fensterscheiben mit den dünnen Dachpfosten nach draußen in die schöne, neue Welt zu blicken. Die kommt einem im sympathischen Simca viel freundlicher vor als in einem modernen, unübersichtlichen Kompaktwagen, in dem wir Gehetzte die Außenwelt fast nur noch durch das Navigationssystem und Verkehrs-Radio wahrnehmen.

Der Motor des Simca 1301 Special quält sich ein bisschen

Der schöne Simca verlässt jetzt die Stadt und tut sich bei der Fahrt über Land leider etwas schwer. Der Motor outet sich als zäher Bursche, als Keinhochraser, der hohe Drehzahlen meidet wie der Teufel das Weihwasser. Das haben schon vor 40 Jahren die Tester von auto motor und sport festgestellt: "Der Spezial-Motor ist weitgehend unelastisch und muss in den Gängen tüchtig ausgedreht werden, um seine Leistung zu produzieren." Im Gegensatz zu einer Alfa-Romeo-Maschine wirkt der simpel gestrickte Simca-Motor bei höheren Drehzahlen ziemlich gequält. Und wegen des niedrigen und erst spät einsetzenden maximalen Drehmoments von nur 98 Newtonmeter bei 4.600/min ist man häufig gezwungen, den braven Motor etwas zu martern.

Kurioserweise handelt es sich bei der zähen Maschine des 1301 Spécial sogar um eine hubraumreduzierte Variante des modernen 1501-Motors, die erst 1970 zum Einsatz kam. Bis dahin fuhren die Simca 1300- und 1301-Modelle mit dem bewährten, drehmomentstarken "Rush"-Motor aus dem Vorgänger Aronde, der zwar nur 54 PS leistete, aber bereits bei 2.600/min sein maximales Drehmoment in Höhe von 101 Newtonmeter erzielte. Also halten wir uns mit dem Simca beim Fahren trotz sportlicher Ausstattung etwas zurück und genießen das komfortabel und sanft untersteuernd ausgelegte Fahrwerk sowie den geräumigen, hellen Innenraum.

Der Simca 1301 Special verzichtet auf optische Kapriolen

Hinzu kommt neben der kompletten Ausstattung noch eine gute Gesamtverarbeitung, die auch auto motor und sport zu würdigen wusste. So sorgte der positive Einfluss der amerikanischen Mutter nicht nur für einen adretten Auftritt, sondern auch für solide innere Werte, über die wir uns heute ganz besonders freuen dürfen. Der 1301 Spécial blieb bis 1976 permanent im Simca-Programm und löste den 1501 in seiner Basisversion ab. Der noch verbliebene 1501 Spécial gönnte sich 1972 und 1973 eine Auszeit, wurde aber die beiden nachfolgenden Jahre erneut ins Programm genommen. In den Pausenjahren sollte der pummelige Chrysler 160/180 die 1501 Spécial-Baureihe ablösen. Doch der verkaufte sich so schlecht, dass Simca den Vorgänger wieder produzieren musste.

Tatsächlich ist die leicht, luftig und überaus harmonisch wirkende 1301/1501-Karosserie ein rundum gelungener Entwurf. Ein wahrer französischer Klassiker ohne optische Kapriolen à la Citroën - und trotzdem kein Langweiler. Dabei erhielt die Baureihe im Jahr 1966, drei Jahre nach ihrem Debüt als Simca 1300 und 1500, eine optisch tief greifende Veränderung: Um einen größeren Kofferraum zu schaffen, verlängerten die Simca-Ingenieure das Heck um 13,5 Zentimeter. Damit bei unverändertem Radstand die Proportionen gewahrt blieben, wuchs auch die Karosserienase um 6,9 Zentimeter in die Länge. Das Ergebnis kann sich heute noch sehen lassen, die Schönheitsoperation ist bestens gelungen.

Gleichzeitig erhielten die Baureihe-Namen eine Eins: Die beliebten Modelle 1301 und 1501 waren entstanden. Natürlich kamen die Spécial-Versionen bei der Simca-Kundschaft besonders gut an - auch wegen der großzügigen Sportausstattung. Zu den einst im Testbericht von auto motor und sport hervorgehobenen Ausstattungspunkten wie Liegesitze, stufenloses Heizgebläse, beleuchteter Kofferraum, abblendbarer Innenspiegel und zwei Handschuhfächern - für Fahrer und Beifahrer - gesellen sich ein Drehzahlmesser, eine Zeituhr und der zweite Außenspiegel. Im Verbund mit reichlich Chromleisten an den Fensterrahmen und Wagenflanken sowie großzügig angebrachten "Special"-Typenschildern macht der rote Viertürer keinen ärmlichen Eindruck, sondern wirkt wie eine kompakte, luxuriöse Sportlimousine - wie ein französischer Alfa Romeo. Und unter uns: Über den zähen Motor wissen ja nur die verschwiegenen Spécial-Piloten Bescheid.

Technische Daten
Simca 1301 Special
Außenmaße4460 x 1580 x 1430 mm
Hubraum / Motor1290 cm³ / 4-Zylinder
Leistung52 kW / 68 PS bei 5400 U/min
Höchstgeschwindigkeit152 km/h