Podcast: „ams erklärt“ (56)
Preisexplosion: Anwohnerparken knapp 15 mal teurer

Überall klettern die Preise nach oben. Bei der Butter im Supermarkt, bei neuen Autos und auch die Parkgebühren ziehen immer weiter an. 2020 hat der Gesetzgeber die bis dato gültige bundesweite Obergrenze für Anwohnerparkplätze kassiert. Mittlerweile dürfen bis zu 480 Euro für einen Ausweis aufgerufen werden und die ersten Städte greifen voll zu.

Mehr als 30,70 Euro durfte ein Anwohnerparkausweis pro Jahr nicht kosten – egal wo in Deutschland. Doch 2020 fiel die bundesweit gültige Obergrenze. Seitdem hätten zehn Bundesländer ihre Städte ermächtigt, die Gebühren anzuheben, erklärt Robin Kulpa von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). "Viele Städte haben die Notwendigkeit höherer Parkgebühren erkannt, um Flächen für Rad- und Fußverkehr zurückzugewinnen und um Bus und Bahn zu finanzieren."

Parkgebühren konkurrieren mit gestiegenen Lebenshaltungskosten

"Höhere Gebühren sind jedoch kommunikativ immer schwierig, weshalb viele Städte nach wie vor zögern", so Kulpa. Aber auch einige Bundesländer haben Vorbehalte gegen zu hohe Parkgebühren – vor allem wegen der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Belastungen der Bürger und Mieter durch die allgemeinen Preissteigerungen, die hohen Energiepreise und die anhaltend hohe Inflation haben wir uns entschieden, die weitere Ausarbeitung des dafür notwendigen Verordnungsverfahrens in Bayern vorerst zurückzustellen", erklärt ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums gegenüber auto motor und sport. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) will die Festsetzung der Gebührenhöhe zwar grundsätzlich Städten und Kommunen überlassen, sieht wegen der insgesamt enormen finanziellen Belastungen für Bürger aber "zum augenblicklichen Zeitpunkt keinen Handlungsbedarf".

Unsere Highlights

Je länger das Auto, desto teurer der Parkausweis

Baden-Württemberg hat seinen Städten schon grünes Licht gegeben. In Freiburg etwa kosten Autos bis 4,20 Meter Länge 240 Euro, bis 4,70 Meter sind es 360 Euro. Für längere Gefährte werden 480 Euro fällig – fast 15 mal mehr als bisher. Köln (Nordrhein-Westfalen) verlangt zwischen 330 und 390 Euro. Fahrzeuge über 5,60 Meter wie große Wohnmobile erhalten dort gar keinen Parkausweis mehr.

Der Deutsche Städtetag hält die Gebührenerhöhung für "überfällig", so Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. "Bisher haben sich Verwaltungsaufwand und Beschilderung kaum durch Parkausweise gegenfinanzieren lassen. Auch der wirtschaftliche Wert und der Bodenwert des Raums, auf dem ein Auto geparkt wird, wurden bisher nicht eingepreist."

Verkehrsdienstleister Inrix hat 2017 übrigens in einer Studie errechnet, wie viel Geld die Parkplatzsuche einen Autofahrer pro Jahr kostet und wie viele Stunden damit verbracht werden. Ein Ranking nach deutschen Großstädten finden Sie in unserer Fotoshow.

Fazit

Gemessen an Garagenmieten in Hamburg oder München erscheinen 480 Euro Jahresgebühr für einen Anwohnerparkausweis zunächst einmal billig. Aber: Das Garagengold in zentraler Lage ist nicht ohne Grund so teuer – es ist knapp oder in vielen Altbauvierteln gar nicht vorhanden. Autos spielten beim Wohnungsbau Anfang des vorigen Jahrhunderts kaum eine Rolle. Viele Bundesländer haben zudem die Stellplatzpflicht beim Bau neuer Wohnungen abgeschafft oder aufgeweicht. Anwohnern bleibt so gar nichts anderes übrig, als nachts an der Laterne zu parken – wenn noch Platz ist.

Nicht jeder kann mal eben das Auto abschaffen: Die Kinder wollen am Wochenende zum Auswärtsspiel, die Ehefrau nach der Spätschicht sicher nach Hause kommen. Viele werden daher zähneknirschend zahlen.

Zugegeben – auf den ersten Blick erscheint die bisherige Höchstgrenze von 30,70 Euro pro Jahr recht niedrig. Doch in vielen Städten ist heute alles teuer: Wohnraum, Lebenshaltung, Werkstätten, Restaurants. Städte werden immer mehr zum teuren Pflaster, das sich nur Reiche leisten können. Das ist sozialer Sprengstoff.

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Erscheinungsdatum 08.05.2024

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