Autos, die uns beeindruckt haben
Aus 65 Jahren auto motor und sport

Für die Tester von auto motor und sport sind manche Traumwagen schneller vergessen als der Traum von gestern Nacht. Doch diese ganz unterschiedlichen Autos von Bugatti, Ferrari, Jeep, Lotus, Porsche, Toyota und VW haben bei sieben Redakteuren einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
 

Ferrari 458 Italia, Frontansicht, Drift
Foto: Hans-Dieter Seufert

Marcus Peters im Ferrari 458 Italia

Gründe, sich bis in alle Ewigkeiten an den Ferrari 458 Italia zu erinnern, gibt es genug. Etwa wegen seines Berserker-Achtzylinders, der toll ist vor Raserei. Diese Unmittelbarkeit beim Gasgeben – Gänsehaut. Dieses Drehzahlkreischen, irre. Aber nicht das Beeindruckendste am Mittelmotor-Zweisitzer. Nein, es ist seine Federung. Richtig verstanden, der Komfort.

Ich höre sie schon, die Lästermäuler. "Der Peters ist ein Weichei geworden." Möglich. Aber vor allem bin ich begeistert von der Ingenieursleistung und kann es kaum fassen, dass gerade Ferrari ein Kunststück vorführt, das in dieser Komplexität keinem der Konkurrenten gelingt: den Fahrwerks-Spagat zwischen knallhartem Rennwagen und langstreckentauglichem GT.

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Warum ich das Thema Federung so penetriere? Weil es einen Sportwagen wirklich schnell macht – dort, wo er hingehört: auf verwilderte Landsträßchen. Dort, wo andere bockspringen, auf- und versetzen, anstrengend an die Leine genommen werden müssen, weil sie jede Bodenwellen-Witterung aufnehmen und vom Weg abkommen. Der Italia würde Kreise um sie fahren, ganz einfach, weil er unbeirrt vorwärtspowert.

Obwohl der Ferrari ausschließlich die Hinterräder antreibt, ist seine Traktion auf welliger Fahrbahn nahezu unerschütterlich. Das ist bei einem nachgiebig gefederten Auto keine Besonderheit – wohl aber bei einem Sportwagen. Selbst wenn diese adaptive Stoßdämpfer haben, also die Verstellmöglichkeit per Knopfdruck, wird die komfortablere von beiden Stufen meist stiefmütterlich abgestimmt und alle Aufmerksamkeit der im Alltag unbrauchbaren härteren gewidmet. Bei Ferrari haben sie verstanden, bieten dem Fahrer gleich drei Setups.

Ohnehin begeistert mich seit dem Vorgängermodell F430 die Vernetzung von Stoßdämpfern, Traktionskontrolle und elektronisch gesteuertem Sperrdifferenzial. Per Hebelchen am Lenkrad lassen sich die Modi vorwählen, und zwischen ihnen ist tatsächlich ein Unterschied im Fahrverhalten zu spüren. Beim 458 Italia setzt Ferrari noch einen drauf: Wie im Rennwagen kann ich mir die gewählte Abstimmung der Dynamik-Komponenten samt Temperaturüberwachung von Reifen, Bremsen und Motor auf einem Display darstellen lassen. Spielerei? Nun, ich persönlich nehme Hinweise hinsichtlich gut durchgewärmter Gummis gerne an. Kalte Hinterreifen haften einfach nicht so gut.

Mir fällt kein zweiter Supersportwagen ein, in dem ich das Leistungsangebot so uneingeschränkt nutzen kann. Und darin liegt für mich ein großer Teil des Fahrspaßes. Damals, bei der Extrem-Version 430 Scuderia, habe ich mich gefragt, was Ferrari wohl am Nachfolger noch verbessern könnte. Jetzt weiß ich es: Der 458 Italia erreicht höhere Kurvengeschwindigkeiten - und federt vor allem besser.

Dirk Gulde im Lotus 2-Eleven

Nur dass kein falsches Bild entsteht: Ich dusche morgens nicht kalt, ziehe Federkern jeder Isomatte vor und halte Treppenhäuser für eine Beleidigung von rechtschaffenen Fahrstuhl-Ingenieuren. Bei der Frage nach dem Testwagen, der mich am meisten beeindruckt hat, muss ich trotzdem keine Sekunde überlegen. Ein Wochenende 2007 in einem der unverweichlichsten Autos der Welt hat sich ins Gedächtnis gebrannt wie 30 Jahre zuvor jener Heilige Abend mit der heiß ersehnten Carrera-Bahn.

Gerade mal einen guten Meter hoch und mit 762 Kilogramm halb so schwer wie ein BMW Dreier, setzt der Lotus 2-Eleven eigene Prioritäten: Überrollkäfig statt Dach, Doppelquerlenker statt ESP, verstellbarer Heckflügel statt Heizung – so faszinierend wie die 1:32-Helden aus der Rennbahn-Startpackung. Und dank Schwerpunkt auf Höhe einbetonierter Straßenbahnschienen ebenso kurvenfest. Sind seine Sportreifen auf Temperatur, vulkanisieren sie sich in den Asphalt, ziehen die Radien einer CNC-Fräse, weswegen mein Popometer erst auf die Brutalo-Querkräfte geeicht werden muss. Also ab auf die Schwäbische Alb.

Trotz englischer Zulassung (die deutschen Behörden wollten noch überzeugt werden) fühlt er sich auf unserer Hausstrecke sofort heimisch. Im endlosen Kurven- Geschlängel lässt er mich an seinem Glück teilhaben – auf Straßen, die nur deshalb kein Tempo-70-Limit haben, weil ohnehin kein normales Auto schneller fahren kann. Vielleicht spürt er auch die komplett neidfreien Blicke. 2-Eleven-Fahrer können gar keine Snobs sein, das sieht man von weitem. Wer sich in diese Haftschale sechspunktgurtet, friert und vibriert, hat sich sein servoloses Fahrerlebnis durch ehrlicher Hände Arbeit verdient.

Ganz bestimmt schmeicheln ihm die jubelnden Kinder. Wählen auch eure Eltern vier Jahre später den ersten grünen Ministerpräsidenten? Der pflegt bekanntlich kein libidinöses Verhältnis zum Automobil. Vielleicht würde ihn eine Fahrt im 2-Eleven bekehren? Ein Versuch wäre es wert. Immerhin treibt ihn ein 1,8-Liter-Motor von Toyota an – genau wie den Öko-Liebling Prius. Allerdings steht hier kein Batterie-Antrieb zur Seite, sondern ein Kompressor, der 255 PS aus dem Vierzylinder quetscht. Trotz Aufladung schlägt sein maximales Drehmoment erst bei 7.000/min zu. Ausdrehen wird zur Pflicht, was wiederum meine Libido auf Touren bringt und zu Sprints auf Lambo-Niveau führt.

Ach, und Vierzylinder klingen nicht melodiös? Geschmacksache, Iron Maiden hat schließlich auch Millionen Platten verkauft. Zentimeter vom Trommelfell entfernt und nur rudimentär schallgedämmt, schreit der Kompressor jedweden Ruf nach mehr Motor nieder. Aufhören und ab nach Hause? Später, erst noch ’ne Runde ...

Jörn Thomas im VW T4 Multivan

Was für ein Glück: Mein erster Testwagen bei auto motor und sport ist – mein eigener. Auftrag der Chefin beim Antritt: "Schreiben Sie doch mal einen Fahrbericht von Ihrem Privatwagen." Bitte sehr, bitte gleich. VW T4 Multivan Atlantis, TDI mit rotem I. Es wird ein euphorischer Text, mit dem Bus und mir haben sich zwei gesucht und gefunden. Angefixt durch die vorherige Arbeit bei Verlagsschwester Motorrad, wo wir im Winter mit den Dingern zwischen Stuttgart und Südfrankreich Express pendelten, jedes einzelne der 102 PS schätzen lernten.

Und nun meiner – mit variabler Ladergeometrie und kerngesunden 150 PS. Anfang des dritten Jahrtausends die Inkarnation des überraschenden Bahn-Burners. Vor allem, wenn den Überholten gewahr wurde, dass hinten drin im Blau-Metallic-Würfel noch eine 1150er-BMW, zwei Mountainbikes und eine komplette Campingausstattung herumhüpften.

Multivan, der Name ist Programm, Pflicht für alle Vagabunden und Freizeitmobilisten. Bei Autos ist es doch wie im richtigen Leben: lange Beine, knackiger Hintern, volle Lippen – alles schön und gut. Aber auf Dauer können eine sympathische Stimme, ein paar Sommersprossen und stete Unternehmungslust glücklicher machen. So wie der VW, dessen große Heckklappe und solide Zurrösen auf Dauer intensiver befriedigen als adaptive Dämpfer, 1.001 PS oder Überrollkäfig. Dinge, die der Bus nicht braucht.

Wobei – Leistung hilft auch ihm weiter. Deshalb beginnt meine T-Ära auch erst mit Generation vier. Sicher sind ein paar T2-Erinnerungen auf der Hinterkopf-Kassette gespeichert, zum Beispiel die Pommes-Auslieferungsfahrten in Papas Semesterferien. Dank Omas Sofakissen konnte ich knapp über die Scheibe des T2 gucken, lange bevor "Auf Achse" ins Erste kam.

Der T3 ging an mir vorüber, das Teil war doch immer schon ein Youngtimer. Ich gönne trotzdem allen das Vergnügen, mit der Wanderdüne die halbe Welt erobert zu haben, Boxer und Insassen um die Wette qualmend, meins war das Ding nie. Fünfzylinder-Turbodiesel vorn, große Klappe hinten, dazwischen ein ebener Boden – so sieht ein vernünftiger VW Bus aus. Dabei ist es dann sekundär, ob vorn ein Reihenfünfer mit Verteilereinspritzpumpe oder Pumpe-Düse schafft, die Nockenwelle per Zahnriemen oder mittels Stirnrädern in Schwung bringt.

Toll dagegen: ein Aufstelldach. Es schafft im Stand wahlweise Kopfraum im Erdgeschoss oder zwei Schlafplätze im ersten Stock, ohne beim Fahren aufzutragen. Ganz gleich ob Atlantis, Beach, California oder Rockton – alle verströmen selbst in Gefangenschaft im Carport der Vorortsiedlung Freiheitsliebe. Sie sind Freaks, die auch im Alltag klarkommen, zum Kindi schlurfen, in Tiefgaragen schlüpfen, durchs Stadtgewimmel zacken und über die Autobahn zischen.

Eben noch gab der Bus die beneidete Heldenrolle an der Ikea-Warenausgabe, kurz darauf trägt er dich zu den tollsten Schlafplätzen – ob im korsischen Restonica-Tal, am Canet Plage in Südfrankreich oder auf den Bergkuppen des Galibier: Klappe auf, Schlafsack ausrollen. Besser als Zelt, authentischer als Hotel. Jetzt muss ich aber los, der Rockton wartet unten.

Götz Leyrer im Porsche 959

Am Anfang war die große Enttäuschung. Was war da nicht alles gesagt worden über den absoluten Super-Porsche, lange bevor irgendjemand außerhalb der Porsche-Gemeinde seinen Hintern in den Fahrersitz pflanzen durfte.

Auch Helmuth Bott, der legendäre Entwicklungschef, der sich den 959 ausgedacht hat, ließ ab und zu ein Highlight aufblitzen. "Der geht wie ein Achtliter-Sauger", soll er gesagt haben, und wir verharrten in Ehrfurcht. Bis es dann so weit war, und ich zum ersten Mal das Gaspedal von Porsches Wunderwaffe durchdrücken konnte. Von einem Achtliter-Sauger habe ich mir phänomenalen Durchzug versprochen. Und durchaus darauf vertraut, dass Porsche mit der neuartigen Registeraufladung, die einen kleinen und einen großen Turbolader hintereinanderschaltet, der endgültige Sieg über das Turboloch gelungen war. Weit gefehlt.

Was der 959 liefert, bevor sich der zweite Lader zuschaltet, ist zwar respektabel, doch keineswegs spektakulär. Aber dann kommt er, der zweite Bläser im Konzert, und was folgt, ist mit dem Begriff Beschleunigung nicht mehr zu beschreiben. Es ist ein Elefanten-Tritt in den Allerwertesten. Das zunächst ganz zivile Brummen mit dem typischen Porsche-Sechszylinder-Timbre weicht einem schmetternden Konzert, und man hat alle Hände voll zu tun, die sechs Gänge rechtzeitig zu sortieren. Der 959 war bei auto motor und sport das erste Auto, das sich in weniger als vier Sekunden auf 100 km/h schießen konnte. Drehzahl auf 7.000/min, Kupplung schnalzen lassen. Das fast völlige Fehlen von Reifenschlupf dank Allradantrieb sorgt für einen so brutalen Schlag, dass einem angst und bange werden könnte.

Der Porsche ist zu seiner Zeit der Über-Sportwagen, weil er zwei Seelen in seiner Brust hat – im Gegensatz zum Konkurrenten Ferrari F 40. Der ist ein gezähmter Rennwagen, während man den 959 ganz gelassen im Alltag bewegen kann. Sogar im Winter, denn Botts neuer Vierradantrieb verfügt über verschiedene Programme, mit denen sich die Verteilung des gewaltigen Drehmoments entsprechend anpassen lässt.

Alles, was geht, wird auch gemacht, hatte Helmuth Bott beschlossen, und das machte die Entwicklung des 959 derart teuer, dass der Hersteller trotz des immensen Preises von 450.000 Mark kein Geld mit ihm verdiente. Dabei hat Bott, begnadeter Techniker wie furchtloser Fahrer, sogar einen beträchtlichen Teil seiner Freizeit in die Erziehung seines Lieblingskindes investiert.

Nach einem Wochenende mit einem der 959-Prototypen, den er durch sein ländliches Revier auf der Schwäbischen Alb scheucht, überrascht Bott seine Techniker-Crew mit der Feststellung: "Über 200 km/h wird er ein bisschen schwammig." Ungläubiges Staunen rundherum. Darauf Bott: "Auf Schotter."

Dani Heyne im Jeep CJ

Mit meinem Bürokollegen Götz lässt sich die Autowelt treffend in zwei Lager spalten: langweilige Einkaufswagen – und fette Kisten mit blubberndem V8 von anno dazumal. Dass Götz vor allem auf GM-Produkte abfährt und ich alte Ford liebe, stört die Harmonie im Raum kaum.

Nach fünf Monaten Nockenwellen-Ansaugbrücken-Kontaktloszündungs-Talk überreichte er mir als Zeichen der Wertschätzung einen 600er Vierfach-Vergaser von Edelbrock – ich war den Tränen nahe. Denn bevor der Luft-Benzin-Mixer zur Schreibtischschönheit wurde, arbeitete er in einem Jeep CJ – eine Tatsache, die meine Traumwelt veränderte. Eines Nachts bewegte mich ein prächtiger Jeep. Ein CJ 7, wie er zum ersten Mal in den siebziger Jahren blühte. Dank vier extrakräftigen Blattfedern hoch wie ein Berg, stieg ich auf, umklammerte ein untertassengroßes Holzlenkrad und verfiel dem Fünf liter-V8, als er zum Bass ansetzte.

Beim Antippen des Gaspedals brach das Drehmoment eines Road-Trains (das sind 53,50 Meter lange LKW-Züge in Australien) los, das mich mühelos über staubige Felsen klettern und quer durch hüfthohe Flüsschen schwimmen ließ. So untalentiert der Jeep über geteerte Straßen eiert, so leichtfüssig hebelt er im Gelände die Grenzen der Physik aus. Tempo machen andere – er entschleunigt seinen Fahrer aufs Beste. Am nächsten Morgen erfährt Götz von meinem geträumten Abenteuer. Seine Antwort konnte passender nicht sein: "Ich habe meinen CJ 7 dabei – wollen wir ’ne Runde drehen?"

Bernd Stegemann im Toyota Prius II

Zum Beispiel der Wählhebel. Ein winziger Stummel rechts vom Lenkrad, vorwärts hoch, rückwärts runter, nur ein kurzer Tipp aus dem Handgelenk. Keine Gänge, kein Gestänge, sondern eine virtuelle Verbindung zum stufenlos variablen Getriebe. Cool.

Oder das Cockpit. Keine Mittelkonsole, keine grandiose Instrumentensammlung, noch nicht mal ein Drehzahlmesser. Stattdessen digitale Minimalinformationen in einem Schlitz kurz vor der Frontscheibe. Schräg.

Und dann der Knopf mit der Aufschrift "Power": Wer draufdrückt, erntet – Schweigen. Irritierend. Aber vor allem animierend. Schon die erste Fahrt mit dem Toyota Prius II hat mich bewegt, nicht nur von A nach B. Und gereizt. Zum Widerspruch. Ein modernes Kompaktauto hat quirlig, spritzig, druckvoll zu sein. Hat es? Der Hybrid versucht nicht zu belehren, sondern zu überzeugen. Dass es auch anders geht, sogar schön sein kann. Tempo rausnehmen, vorausschauend fahren, möglichst lange lautlos im Elektromodus dahingleiten, bevor der Benziner sich zuschaltet. Und ihm keine flotte Gangart aufnötigen, denn er hat seine eigene.

Die teilt er dem Fahrer nicht nur akustisch, sondern auch auf dem großen Info-Display mit. Kraftfluss, Ladezustand der Batterie, Verbrauch. Da wird man automatisch zum Fahrpedalstreichler, wenn der sportliche Ehrgeiz alle fünf Minuten mit einem kleineren Balkendiagramm belohnt wird. Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen, meinte einst Helmut Schmidt. Doch wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen.

Bernd Ostmann im Bugatti Veyron 16.4

Was ist das Beeindruckende am Bugatti Veyron? Ist es sein exorbitanter Preis von 1,31 Millionen Euro? Oder ist es die schiere Leistung von 1.001 PS, die der 16-Zylinder, zwangsbeatmet durch vier Turbolader, aus acht Liter Hubraum schöpft? Eher nicht. Das Leistungspaket ermöglicht dem 1.950 Kilogramm schweren Sportler allenfalls eine elegante Leichtfüssigkeit.

Mit Hilfe eines Startprogramms, einer so genannten Launch-Control, kann man sich aus dem Stand in 2,5 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren. Zurück bleiben ergriffene Betrachter – und vier 25 Meter lange Radierspuren auf dem Asphalt. Bleibt der Gasfuß am Bodenblech, liegt nach 7,4 Sekunden Tempo 200 an. Die 300-km/h-Grenze wird nach 18,2 Sekunden überschritten. Aber damit ist noch lange nicht Schluss. Alles, was man bisher gefahren ist, scheint einfach 100 km/h weiter nach oben verschoben zu sein. Dabei schüttelt der Veyron Tempo 400 auch nicht so leicht aus dem Ärmel.

Er verlangt zunächst nach einem feinen Startprozedere. Es gibt sogar einen zweiten Zündschlüssel, mit dem man den Veyron im Schloss am Schweller neben dem Fahrersitz für Tempo 400 freischaltet. Im Display erscheint "Topspeed", vorn verschließen sich zwei Diffusorklappen, hinten duckt sich der Flügel. Außerdem wird das gesamte Auto abgesenkt: vorn auf 6,5, hinten auf sieben Zentimeter Bodenfreiheit.

Mein erster 400-km/h-Versuch gerät eher ernüchternd. Die Piste in Ehra-Lessien ist noch feucht. Der Veyron zieht eine riesige Gischtschleppe hinter sich her – und lässt es bei 380 km/h bewenden. Wir warten, die Piste trocknet ab. Und wir erreichen jetzt nur noch 365 km/h. Der Grund: Die Abgastemperatur war über 970 Grad geklettert – und der Veyron ins Notprogramm gefallen. Die Techniker verordnen ihrem Supersportler eine kleine Abkühlphase: Zehn Kilometer im vierten Gang mit maximal 5.000 Touren sollen die heiße Luft aus dem Ansaugtrakt blasen.

Der nächste Tempo-Run beginnt: mit gebremstem Schaum durch die Steilkurve und dann voll aufs Gas. Der Veryon scheint die Gerade regelrecht aufzuschnupfen. Er läuft leicht aus der Spur, braucht aber keine dramatischen Korrekturen. Das Gefühl: wie ein Kiesel, der flach über einen See hüpft. Man sollte jetzt nicht daran denken, dass man bei Tempo 400 nicht weniger als 111 Meter pro Sekunde zurücklegt. Man sollte sich aber sehr wohl Gedanken über die nächste Tankstelle machen. Werden die vollen 1.001 PS abgerufen, dann gönnt sich der 16-Zylinder einen Liter pro Kilometer. Bei Vollgas reicht eine Tankfüllung zwölf Minuten.

Wir haben rechtzeitig nachgetankt. Und am Ende steht der Drehzahlmesser im siebten Gang bei 6.200 Touren. Die 400-km/h-Marke ist geknackt. Am Streckenrand setzt die Druckwelle des vorbeischießenden Veyron den Beobachtern zu. Hosen flattern, Brillen springen auf der Nase, Frisuren werden zerzaust. Im Cockpit herrscht eine gewisse Erleichterung.

Aber was hat mich am Veyron wirklich beeindruckt? Es ist seine Vielseitigkeit. Denn er kann nicht nur schnell. Er lässt sich auch erstaunlich flink um Biegungen zirkeln. Und er hat sogar das Talent für die Rennstrecke, obwohl dort die riesigen Carbon-Keramik- Bremsscheiben recht schnell um Gnade bitten. Der Bremspedalweg wird länger, die sündhaft teuren Felgen laufen an – und zeigen, welche Kräfte hier am Werk sind. Die knapp zwei Tonnen lassen grüssen.

Trotzdem: Der Veyron kann alles – das Tempobolzen, die Rennstrecke und das Cruisen. Wenn es sein muss, kann er auch jene unaufgeregte Eleganz verströmen, die ihn zum Schaulauf vor der Oper adelt.