Bahn frei für Autos
10 Gründe gegen die Bahn und für das Auto

Der Bahnstreik geht in die gefühlt 100. Runde und sorgt für Chaos, lange Gesichter und den Zorn des Wutbürgers. Wir wissen genau, warum es sinnvoll ist ganz auf die Bahn zu verzichten. 

Bahnstreik 2105 in der S-Bahn
Foto: Patrick Lang

Die explosive Mischung aus Deutscher Bahn und Lokführer-Gewerkschaft macht es dem bundesdeutschen Berufspendler derzeit ziemlich schwer, auch nur einen Funken Sympathie aufzubringen. Selbst ohne Bahnstreik gibt es genügend Kritikpunkte, ist doch beispielsweise der Wintereinbruch jedes Jahr auf´s Neue eine Art kosmische Überraschung für die Betreiber der schienengebundenen Reisegondeln. Grund genug sorgfältig abzuwägen: Pro Auto, Contra Bahn.

Unsere Highlights

Selbst Lamborghini-Fahren ist billiger

Zunächst Pro Auto: Die Preise für Zugticktets befinden sich seit Jahren in einem Aufwärtstrend, der so manch jungem Investmentbanker feuchte Träume bescheren dürfte. Für ein normales Ticket von München nach Stuttgart werden 57 Euro fällig. Wenn Sie hingegen zum Beispiel einfach Ihren Lamborghini Huracán bemühen, dann kostet Sie die Fahrt bei einem Spritpreis von 1,49 pro Liter Superplus (Stand 06.05.2015) lediglich 38,74 Euro. Ein Schnäppchen, bei dem die Bahn nicht mithalten kann.

Nun Contra Bahn: Stichwort Platzangebot. In einen Kofferraum kriegt man für gewöhnlich eine Anzahl X von Koffern, deshalb heißt er auch so. In Extremfällen, wie einem Umzug oder einer Einkaufstour mit der Herzdame, bieten sich auch noch die Rückbänke für diverse Güter an (oben genannter Lamborghini scheidet in diesem Fall natürlich aus). In ein Gepäck-Staufach in einem Zug bekommt man mit viel gutem Willen eine formflexible Reisetasche, sofern man sich das Fach nicht mit seinen Mitreisenden teilen muss. Alternativen gibt es, besonders in Zeiten des Bahnstreiks, kaum, denn da ist es schon ein Erfolg, wenn einem keine anderen Passagiere auf dem Schoß sitzen. Hat man nicht mal einen Sitzplatz, dann bekommt die Bahnreise den Charme eines Viehtransports. Einziger Vorteil: Umfallen können Sie nicht.

The Highway to Hell

Wieder Pro Auto: Musik ist gemeinhin als Balsam für die Seele bekannt und sollte infolgedessen oft und ausführlich genossen werden. Nun kann es natürlich nicht die Erfüllung des Seelenheils sein, wenn man musikalische Meisterwerke wie "Highway to Hell" oder Beethovens "Ode an die Freude" feige durch ein dürres Kabel und schlecht sitzende Kopfhörer fließen lässt. Da muss Bass mit, das muss laut sein, das soll Spaß machen - und das geht in einem Auto sehr gut. In der Bahn leider nicht.

Contra Bahn: Der Duft eines Moschus-Wunderbaums mag bestimmt nicht jedermanns Sache sein. Eine Kombination aus Herrentoilette, Schweiß und 4.711 verschiedenen Parfums aber sicher noch weniger. Der Vorteil liegt klar beim Wunderbaum. Denn den kann ich bei Ekelanfällen einfach aus dem Fenster des Wagens werfen. Wer das im Zug mit müffelnden Passagieren macht, sichert sich meist den Unmut der Umstehenden und der Behörden.

Die Schlimmsten wollen reden

Pro Auto: Eine der besten Eigenschaften des Autofahrens ist es, dass man sich seine Mitfahrer selbst aussuchen kann und im Idealfall sogar ganz alleine fährt. Sprich: Sie haben Ihre wohlverdiente Ruhe. Sie können in der Nase bohren, Gähnen ohne die Hand vor den Mund zu nehmen oder Kette Rauchen. Kein Problem, die Privatsphäre ist gesichert. Der geneigte Leser vermutet es bereits: Im Zug sieht die Sache ganz anders aus. Wir erinnern uns an die scheuen Leser in der Bahn, die ihre Ausgabe von 50 Shades of Grey in den Einband des Neuen Testaments gewickelt haben. Scham und Schande will im Abteil vermieden werden. Das ist der Punkt: Mit Ruhe und Privatsphäre ist es im Zug vorbei. Wer besonders großes Pech hat gerät an jemanden, der sich in Small-Talk üben will. Morgens um 7:30 Uhr, vor dem ersten Kaffee.

Contra Bahn: Sommer, Sonne, Sonnenschein. Während uns das Herz aufgeht, geht in der Bahn die Klimaanlage aus. Keine 20 Minuten später, und es herrschen subtropische Bedingungen, die optimal für Lippenbären oder Skorpione wären, im humanen Kontext aber eher als lebensfeindlich gelten. Im Auto kein Problem, denn selbst wenn auch dort die Klimaautomatik ausfallen sollte, dann macht man kurzerhand das Fenster auf oder fährt rechts ran und holt sich zur Abkühlung ein Eis. Apropos Eis: Im Winter verhält es sich natürlich umgekehrt, denn da fallen bei der Bahn die Heizungen aus, während im eigenen Wagen die Sitzheizung auf Grillhähnchen-Stufe arbeitet.

Kommt die Bahn heut nicht, fahr ich morgen

Pro Auto: 6:00 Uhr, der Wecker klingelt, aber Sie drehen sich nochmal um. Das können Sie, denn Sie besitzen ein Auto und das fährt nur mit Ihnen los. Dem Zug hingegen sind Einzelschicksale völlig gleichgültig. Wenn Sie eine Minute zu spät am Gleis sind, ist die Blechraupe bereits abgezischt. Nächste Reisemöglichkeit: In 184 Minuten. Bis dahin kann man dann entweder auf dem Bahnsteig erfrieren, oder in der Bahnhofskneipe das erste Viertel Riesling ausanhmsweise schon vor der Mittagspause leeren. Und das Zweite. Und das Dritte. Nicht umsonst sagt der Volksmund spöttisch: "Du bist flexibel wie ein Fahrplan!" Als Autofahrer schreiben Sie die Fahrpläne selber.

Contra Bahn: Noch etwas das Sie als Autofahrer selbst machen: Fahren. Das ist vor allem dann ein immenser Vorteil, wenn die vereinigte Lokführerschaft mal wieder die Arbeit verweigert und stattdessen Transparente in die Luft hält. Im Auto sind Sie Ihr eigener Lokführer und können sogar ganz ohne Aufpreis die direkte Verbindung zu ihrem Ziel wählen. Tschoo, Tschoo!

Auslebung der eigenen Kreativität

Pro Auto: Rote Sitzbezüge, frontpolierte Felgen, ein Carbon-Spoiler und ein breites Airbrush-Gemälde auf der Motorhaube. Die Individualisierungs-Möglichkeiten am eigenen Auto sind nahezu unbegrenzt. Alles kann verändert und angepasst werden, bis der Liebling auf vier Rädern als absolutes Unikat da steht. Wie wichtig gerade auch die künstlerische Kreativität für die Synapsen-Verknüpfung im menschlichen Gehirn ist, wurde bereits hinlänglich erforscht. Hier macht uns die Bahn einen dicken Strich durch die Rechnung. Denn wer einen Zug mit Airbrush-Gemälden verziert, oder kleine Kunstwerke in Sitze und Scheiben ritzt, der Verknüpft keine Synapsen, sondern seine Hände und zwar mit Handschellen. Die Bahn verfolgt in Sachen Individualisierung leider eine Null-Toleranz-Politik.

Zu guter Letzt Contra Bahn: Hygiene ist in Zeiten von Schweine- und Vogelgrippe längst ein gesellschaftliches Politikum geworden. Zwar kann jetzt nicht behauptet werden, dass jedes Auto ein Musterbeispiel an Sauberkeit wäre, aber es ist wenigstens der eigene Dreck. In der Bahn tummeln sich dagegen allerhand Keime. Wie könnten Sie denn wissen, welche Krankheiten die adipöse Wuchtbrumme neben Ihnen, oder der olfaktorisch kritische Teenager gegenüber mit sich herumschleppen? Selbst ein Passagier in schickem Anzug kann die fieseste Magen-Darm-Grippe ausbrüten. Einmal gemeinsam an die Haltestange gefasst und schon sind Sie dabei. Da helfen auch Mundschutz und Latex-Handschuhe auf Dauer nicht.

Es zeigt sich also überdeutlich, Bahnstreik hin oder her, dass das Auto im direkten Vergleich die Nase kilometerweit vorne hat. Sollten Sie also mal wieder kurz vor dem Nervenzusammenbruch den nächsten Anschlusszug verpassen, dann legen Sie sich besser ein Auto zu und benutzen es auch - oder besser doch nicht, dann bleibt die Bahn nämlich frei ...